Sophia Loren weckte die Träume vieler, ihren eigenen erfüllte sie mit einem Oscar. Und noch heute zieht La Loren die Aufmerksamkeit auf sich. Jetzt wird die Filmdiva 90.
Die Erkennbarkeit des Filmstars Sophia Loren ist seit Jahrzehnten maximal. Es reicht vollkommen aus, ihren Mund, die mandelförmigen Augen oder gar nur die gestrichelten Brauen abzubilden, um sie zweifelsfrei zu identifizieren. Nicht wenige Filmexperten überwiegend männlichen Geschlechts würden die Diva auch an einem der eindrucksvollsten Attribute erkennen, die unzählige Kinoleinwände und irgendwann Fernsehbildschirme schmückten: ihrer Oberweite.
Das Kino der 1950er Jahre prägten die platinblonden «Busenwunder», allen voran Marilyn Monroe. An dieser wurden etwa die Schwedin Anita Ekberg, die Britin Diana Dors oder die brünetten Gina Lollobrigida und Sophia Loren aus Italien gemessen beziehungsweise vermessen. Das grösste Aufsehen erregte allerdings eine Landsfrau der Monroe, Jayne Mansfield.
Von 1957 datiert eine Foto, die an einer von den Paramount-Filmstudios ausgerichteten Hollywood-Begrüssungsparty für Sophia Loren entstand. Die Amerikanerin nahm auf dem Stuhl zur Linken der Europäerin Platz und bot ihr Décolleté den begierigen Fotografen dar wie eine Fleischerei die Schaufensterauslage. Auch die Loren wirkte wie hypnotisiert von dem Anblick. Die Macht des Momentums gehörte Jayne Mansfield.
Sie sei oft darum gebeten worden, einen Abzug dieses Bildes zu signieren, sagte Loren, habe sich jedoch stets geweigert, auch aus Respekt vor der sich um jedwede Konvention foutierenden Tischdame (Jayne Mansfields Karriere ging den Bach runter, 1967 kam sie bei einem Autounfall ums Leben).
Cary Grant contra Carlo Ponti
Die Entstehung der Foto bildete quasi den Auftakt zum internationalen Durchbruch Sophia Lorens. In der Rolle der Cinzia Zaccardi bezauberte sie einen Witwer, gespielt von Cary Grant, dessen Kinder und nicht zuletzt das Kinopublikum als Haushälterin und Kindermädchen in Personalunion – «Houseboat» (1958) läutete schon einmal die Hochzeitsglocken für die auf das unweigerliche Happy End zustrebenden Liebeskomödien der 1960er mit Doris Day.
In ihrer 2014 erschienenen Autobiografie «Ieri, oggi, domani. La mia vita» («Mein Leben») schildert Sophia Loren, wie sie die Eifersucht ihres Ehemanns Carlo Ponti auf Cary Grant, der ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, dermassen provozierte, dass er ihr im Flugzeug zurück nach London eine nicht zu überhörende Ohrfeige versetzte: «Ich versuchte, mein Weinen wegen der vielen Leute um mich herum zu unterdrücken», schreibt sie. «Die Stewardess kam an meinen Sitz und fragte unsicher, ob ich etwas brauchte. Ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte, aber im Grunde war ich hochzufrieden. Endlich hatte ich die Bestätigung, nach der ich mich so lange gesehnt hatte: Carlo liebte mich. Ich hatte meine Wahl getroffen, und meine Wahl war richtig.»
Viele Film-Beaus
Das vaterlos aufgewachsene Mädchen, das einst Sofia Costanza Brigida Villani Scicolone hiess und das die Entbehrungen und den Hunger, die der Krieg mit sich brachte, nie vergessen konnte, zog die Macht des Filmproduzenten Ponti der unsicheren Karriere eines Schauspielers vor.
Sophia Loren, die als Backfisch für Yvonne De Carlo und Tyrone Power geschwärmt hatte und später mit den begehrtesten Leading Men drehen sollte – Cary Grant, Gregory Peck, Marcello Mastroianni, Omar Sharif –, entschied sich, bei einer Körpergrösse von 1,74 m, für einen mit 1,65 m signifikant kleineren, zudem glatzköpfigen Mann.
Italiens Eherecht hatte zur Folge, dass die 1957 geschlossene Ehe 1962 annulliert wurde, weil es Pontis Scheidung von seiner ersten Frau, Giuliana Fiastri, nicht anerkannte. Das Paar sowie Fiastri nahmen daraufhin die französische Staatsbürgerschaft an, was die ordentliche Scheidung nach französischem Recht und endlich die Legalisierung anno 1966 ermöglichte.
Stilikone und Testimonial
Auch im Filmgeschäft hatte sie ihren Platz gefunden. Von 1960 bis 1967 gelangten ohne Unterbruch internationale Grossproduktionen mit Sophia Loren in der Hauptrolle in die Kinosäle. Zu den bekanntesten wie erfolgreichsten zählen «El Cid» (1961) von Anthony Mann mit Charlton Heston, «Matrimonio all’italiana» (1964) von Vittorio De Sica mit Marcello Mastroianni oder «A Countess from Hong Kong» (1966) von und mit Charles Chaplin in dessen letztem Film.
1962 gewann sie ausserdem als erste Schauspielerin den Oscar als beste Hauptdarstellerin eines nichtenglischsprachigen Films, «La ciociara», eines auf dem gleichnamigen Roman von Alberto Moravia basierenden Kriegsmelodrams in der Regie von Vittorio De Sica. Die Kritik nahm das Werk zwiespältig auf, unumstritten war hingegen die Leistung der Loren in ihrer ersten unglamourösen Rolle.
In den 1960er und 1970er Jahren erwuchs Sophia Loren zwar auch Konkurrenz: Ursula Andress, Raquel Welch, Jane Fonda, Anouk Aimée, Brigitte Bardot, Jean Seberg, Romy Schneider, Julie Christie, Charlotte Rampling . . . , doch focht die nachrückende Generation den Weltstar nicht an.
La Loren in Zürich
Auf dem Set der Ausstattungskomödie «Lady L» wurde Sophia Loren 1965 für ein «Vogue»-Cover vom britischen It-Girl-Fotografen David Bailey porträtiert. Unter den Co-Darstellern figurierten Paul Newman, David Niven, Michel Piccoli, Philippe Noiret und Peter Ustinov, der obendrein Regie führte. Sophia Loren alias Lady Louise Lendale blickt auf dem Titelbild der «Vogue» leicht von oben herab auf die Leserin, sphinxhaft, ihrer Einzigartigkeit gewiss.
Der Künstler Walter Pfeiffer, ein Bewunderer der Diva, schilderte einmal, wie er in den 1970ern Zeuge eines Werbeauftritts von Sophia Loren wurde, in der Teppichabteilung des Warenhauses Jelmoli: «Die Loren winkte huldvoll lächelnd in die Menge, auf der Nase eine XL-Brille der Firma Rodenstock. Die Rolltreppen waren von gaffenden Leuten verstopft.»
An dem Filmstar als Testimonial zeigten bis ins vorgerückte Alter diverse Markenhersteller brennendes Interesse. So warb Loren mit 81 noch für ein Parfum von Dolce & Gabbana, mit Valentino Garavani und Giorgio Armani ist sie seit langem befreundet. Letzterem hat sie am 11. Juli dieses Jahres zum 90. Geburtstag gratuliert. Nun ist es an ihr, die Glückwünsche zu empfangen.
Verlässlich für Amüsement sorgt nach wie vor ihr den Selbstoptimierungswahn aufs Korn nehmendes Bonmot «Alles, was Sie sehen, verdanke ich Spaghetti». Und wenn eine Naht dem Appetit für einmal nicht standhielt, sprang das Atelier Giorgio Armani Privé bestimmt gerne bei. Den 90. Geburtstag feiert die nach einem üblen Sturz im Vorjahr wieder genesene Sophia Loren privat im Kreis der Familie, mit den Söhnen Carlo und Edoardo, in Rom.