Die IHAG-Privatbank stellt den Betrieb ein. Ihre geringe Grösse und ein mangelhafter Umgang mit Risiken wurden ihr zum Verhängnis.
Die Schweiz hat eine Bank weniger. Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass die IHAG-Privatbank in Zürich ihre Kunden mitsamt Vermögen in der Höhe von über 3 Milliarden Franken der Bank Vontobel überträgt. Das Finanzhaus gehört den Erben der Familien Anda und Bührle, die nun die Banklizenz zurückgeben möchten. Die Geschäftstätigkeit werde mittelfristig eingestellt, heisst es in einem Communiqué.
Grund seien die «fehlende kritische Grösse» sowie «mangelnde anorganische Wachstumschancen». Die Transaktion soll spätestens im ersten Halbjahr 2025 vollzogen sein und wird vom IHAG-Verwaltungsrat Sascha Hostettler geleitet. Der bisherige Bankchef Martin Keller verlässt das Unternehmen.
Vontobel will die Übernahme aus bestehendem Kapital finanzieren, der Kaufpreis ist vertraulich. Wie viele der 76 Mitarbeitenden übernommen werden, konnte ein Vontobel-Sprecher auf Anfrage nicht beantworten. Die Mehrheit dürfte aber ihren Job verlieren, ein Sozialplan ist in Arbeit.
Verlustreiche Benko-Kredite
Mit verwalteten Vermögen von rund 3 Milliarden Franken gehört die IHAG zu den kleinsten Schweizer Privatbanken. Der Geschäftsgang habe sich seit längerer Zeit «nicht wunschgemäss entwickelt», heisst es seitens der Bank. Diverse Szenarien, Kooperationen und Strategien seien geprüft worden, hätten aber nicht zu den gewünschten Resultaten geführt. Doch die Bank hatte auch mit hausgemachten Problemen zu kämpfen.
So hatte sie dem Immobilienunternehmer René Benko einen Kredit in Höhe von 30 Millionen Euro gewährt. Der Kollaps der Benko-Gruppe hatte für die Privatbank 2023 eine Wertberichtigung von 17 Millionen Franken und einen fast ebenso grossen Verlust zur Folge.
Schon früher hatte die IHAG Probleme mit der Compliance: 2021 wurde der damalige stellvertretende Bankchef Peter Rüegg auf Mallorca verhaftet. Er soll amerikanischen Kunden geholfen haben, Vermögen in Höhe von 65 Millionen Dollar vor dem Fiskus zu verstecken. Bereits im Jahr 2015 musste die Bank Strafzahlungen an die USA wegen Steuerdelikten leisten.
Die Bank ist mit den Benko-Darlehen ein verhältnismässig zu grosses Kreditrisiko eingegangen und hat damit einen mangelhaften Umgang mit Risiken offenbart. Compliance-Fehler sind besonders für kleine Banken existenzgefährdend. Da half auch die üppige Kapitalausstattung der Bank nicht weiter.
Hausbank des Waffenfabrikanten Emil Bührle
Gratian Anda, der die Familien-Holding leitet, zu der die Privatbank gehört, dürfte eine entscheidende Rolle beim Verkauf gespielt haben. Er ist der Enkel des deutschen Industriellen Emil Georg Bührle, der die Bank 1949 als Industrie- und Handelsbank gegründet hatte.
Ihr ursprünglicher Zweck war, die Exportaktivitäten der Oerlikon-Bührle-Gruppe zu unterstützen. Das war einer der grössten Schweizer Konzerne der Nachkriegszeit. Oerlikon-Bührle war vor allem für Flugabwehrkanonen bekannt, doch die Aktivitäten des Unternehmens umfassten auch Elektrotechnik, Textilien, Immobilien und Hotellerie.
Die Bührle-Bank baute ihre Dienstleistungen im Verlauf der Jahre stetig aus und war bald auch in den Bereichen Kreditvergabe, Börsenhandel und Vermögensverwaltung tätig. Nach dem Tod Emil Bührles 1956 ging sie in den Besitz seiner Frau und seiner Nachfahren über. Zur Jahrtausendwende hat sich die Bank auf das Private Banking spezialisiert, doch es ist ihr nie gelungen, beständig zu wachsen.
Für die Erben ist die Bank nur ein Engagement unter vielen. So ist die IHAG Holding auch Grossaktionärin der Pilatus-Flugzeugwerke, des IT-Unternehmens Adnovum und der Datenanalytik-Firma Evalueserve. Auch Immobilien wie der Stockerhof oder Hotels wie das «Widder» und der «Storchen» in Zürich gehören zum Portfolio. Die Holding steuert auch das Engagement im Kunstbereich mit der Sammlung Emil Bührle.
Kleine Ergänzung für Vontobel
Für die ebenfalls familiengeführte Vontobel ist die Übernahme der Kunden der IHAG nur eine kleine Ergänzung. Die übernommenen Kundenvermögen in Höhe von rund 3 Milliarden Franken entsprechen nur etwa 3 Prozent der gesamthaft verwalteten Gelder.
Dennoch sagen die Co-Chefs von Vontobel, Christel Rendu de Lint und Georg Schubiger, dass die Übernahme des Kundenportfolios die Position von Vontobel in den Regionen Deutschland, Österreich und Schweiz stärke. Das zugekaufte Geschäft soll ab dem ersten Tag nach Abschluss der Transaktion einen Gewinnbeitrag leisten.
Analysten der ZKB schätzen, dass die IHAG etwa 26 Millionen Franken zum Ertrag Vontobels beitragen könnte. Das ist im Verhältnis zum Gesamtertrag 2023 (rund 1,3 Milliarden Franken) wenig. Über den Kaufpreis haben die Parteien Stillschweigen vereinbart, er dürfte aber gemäss ZKB zwischen 50 und 100 Millionen Franken betragen.
Konsolidierung geht weiter
Das Marktumfeld bleibt für kleine Privatbanken wie die IHAG weiterhin schwierig. Die Transaktion ist die erste Bankübernahme in diesem Jahr. Auch andere kleine Schweizer Privatbanken wie Kaleido sollen derzeit zum Verkauf stehen. Obwohl es im vergangenen Jahr ausser der CS-Übernahme zu keinen grösseren Transaktionen gekommen ist, befindet sich der Schweizer Privatbankensektor seit Jahren in einer Konsolidierungsphase. Die Zahl der Privatbanken hat sich gemäss einer Auswertung von KPMG seit dem Jahr 2010 von 161 auf 90 reduziert, vor allem kleine Institute verschwinden.
Offenbar will Vontobel eine Rolle bei dieser Konsolidierung spielen. Übernahmekandidaten dürfte es weiterhin genug geben, denn die Schweizer Privatbanken bilden eine Zweiklassengesellschaft: Mittelgrosse und grosse Banken mit Kundenvermögen von mindestens 10 Milliarden Franken konnten in den letzten Jahren komfortabel Kundengelder anziehen und haben somit eine solide Ertragsbasis. Kleine Institute mit weniger als 10 Milliarden Franken haben wegen hoher Fixkosten für Compliance und Betrieb immer mehr Mühe, genügend effizient zu sein und profitabel zu arbeiten. Die IHAG wird nicht die letzte kleine Schweizer Privatbank sein, die eingeht.