The Market zeigt monatlich die Schweizer Unternehmen, die im Fokus der Leerverkäufer stehen. Diese setzen darauf, dass die Aktienkurse sinken werden. Der September bringt zwei Neuzugänge.
Im September nehmen die Short-Seller neu AMS Osram und Addex Therapeutics neu ins Visier. Von Leonteq und Temenos lassen sie ab.
Zudem steigt Idorsia auf Rang zwei der grössten Schweizer Shorts auf, allerdings mit einer gegenüber dem Vormonat nur wenig veränderter Short-Quote. Dabei tauscht sie den Platz mit Meyer Burger, die dank einem Rückgang der Short-Quote um 35% auf den vierten Platz abrutscht.
Unverändert an der Spitze steht DocMorris – fast die Hälfte ihrer ausstehenden Aktien befinden sich inzwischen in den Händen der Leerverkäufer. Weiterhin auf dem Podest residiert zudem Swatch Group.
Short-Seller leihen sich Aktien aus, verkaufen sie am Markt und hoffen, sich später günstiger mit den Titeln eindecken zu können, um sie dem Eigentümer zurückzugeben. Die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufkurs ist ihr Gewinn.
In der Schweiz werden die Short-Positionen nicht offiziell erfasst. The Market präsentiert deshalb im Monatsrhythmus die Erhebung von S&P Global Market Intelligence. Der Datenanbieter trägt das Volumen der ausgeliehenen Aktien zusammen.
DocMorris
DocMorris leidet weiterhin: Erst eine teure M&A-Strategie, die Refinanzierungssorgen aufkommen liess. Darauf folgte der Verkauf des Schweizer Geschäfts sowie die Konzentration auf den deutschen Markt, wo sich die Online-Apotheke von der Einführung des elektronischen Rezepts das grosse Geld versprach.
Mit Verzögerung ist das E-Rezept nun zwar bundesweit eingeführt und DocMorris steht finanziell solide da. Doch das Wachstum beschleunigt nicht so rasant wie erhofft.
Seit dem Frühjahr verfügen sowohl die Schweizer als auch die deutsche Redcare Pharmacy über praktikable Lösungen, damit Kunden das E-Rezept einfach einlösen können. Doch weil DocMorris die Marketingausgaben massiv kürzte, verlor sie schrittweise Marktanteile an die Konkurrentin.
Die Anfang August vorgelegten Halbjahreszahlen fielen enttäuschend aus, besonders beim Ausblick: Das Wachstumstempo soll sich auf 5 bis 10% verlangsamen und statt eines bereinigten Gewinns für 2024 wird nun auf Stufe Ebitda ein Verlust von rund 50 Mio. Fr. resultieren – weil die Marketing-Ausgaben wieder hochgefahren werden.
Die Short-Seller haben auf dieser Basis ihre Wetten gegen die Onlinapotheke im September um weitere 13% auf 45% aller von ihr ausstehenden Aktien erhöht.
DocMorris hat allerdings auch Wandelanleihen ausstehend. Damit gibt es ausser der Spekulation auf einen sinkenden Kurs noch einen technischen Grund, Leerverkaufspositionen in den Aktien einzugehen: Wandelanleihen enthalten neben dem Zinscoupon eine Aktienkomponente. Investoren, die diese angesichts der starken Kursausschläge neutralisieren wollen, verkaufen die Aktien leer – ohne dabei aus Überzeugung auf einen sinkenden Kurs zu setzen. Dieser Mechanismus gilt ebenfalls für Idorsia und Meyer Burger, deren Valoren auf den Plätzen zwei und vier der Rangliste stehen.
Idorsia
Auf den zweiten Platz vorgerückt ist Idorsia; beim Biotechnologieunternehmen sind derzeit gut 17% der ausstehenden Aktien ausgeliehen.
Die Basler befinden sich seit rund einem Jahr in finanzieller Schieflage. Hauptgrund ist der unerwartet schleppende Verkauf des Schlafmittels Quviviq, das sich bisher nicht als erhoffter Umsatzbringer erwiesen hat. Im ersten Halbjahr 2024 hat das Mittel einen Ertrag von mageren 24 Mio. Fr. generiert.
Mitte Jahr verfügte das Pharmaunternehmen über liquide Mittel von 237 Mio. Fr., Ende März waren es noch 335 Mio. Fr. Gemäss Prognosen kann das Unternehmen mit dem Geld den operativen Betrieb noch bis ins erste Quartal 2025 aufrechterhalten. (Finanzierungs-)Lösungen müssen also her.
Idorsia hat mit dem Blutdrucksenker Aprocitentan, der im Frühjahr die US-Zulassung erhalten hat, zwar einen weiteren Pfeil im Köcher. Jedoch muss das Management um den neuen Konzernchef André Muller erst zeigen, wie mit dem Medikament Geld verdient werden kann. Der ehemalige Finanzchef übernahm im Juni das Ruder von Gründer Jean-Paul Clozel. Für eine eigenständige Lancierung könnten die Mittel zu knapp sein, Kooperationen dürften nötig sein.
Swatch Group
Seit März steht Swatch Group auf der Liste der zehn grössten Shorts – und seit August auf dem dritten Platz.
Der Uhrenkonzern leidet seit mehreren Quartalen unter der schwachen Nachfrage nach Luxusgütern, vor allem in China, wo Swatch einen erheblichen Teil ihres Umsatzes erwirtschaftet.
Die Mitte Juli publizierten Zahlen zum ersten Halbjahr fielen miserabel aus. Gleichwohl hat der Konzern die Fertigung von Uhren nicht gedrosselt, im Gegenteil. Das Unternehmen produziert munter auf Halde. Die Börse reagierte harsch, der Aktienkurs viel auf das tiefste Niveau seit der Finanzkrise.
Swatch Group leidet unter der schwachen Führung. Konzernchef Nick Hayek schaltet und waltet in Biel, wie er will. Einen effektiven, unabhängigen Verwaltungsrat gibt es nicht. Das belastet die ohnehin gedrückte Bewertung der Swatch-Group-Papiere.
Ende September ging das Spektakel ausnahmsweise in die andere Richtung: In einem Interview sprach Hayek einen möglichen Rückzug von der Börse an – wobei dann eine Prämie von 30 bis 40% winken würde. Gleichentags dementierte er jedoch: «reine Spekulation». Quittiert hat der Aktienkurs dieses Hin und her dennoch mit einem Sprung um fast 20% nach oben.
Meyer Burger
Bei Meyer Burger haben die Short-Seller im September ihre Position um 35% deutlich reduziert. Knapp 13% ihrer Aktien befinden sich derzeit noch in ihren Händen, was Platz vier bedeutet.
Die Börsenperformance des Herstellers von Solarmodulen gibt den Leerverkäufern schon lange recht. Allein seit Anfang Jahr haben die Aktien mehr als 95% eingebüsst. Auch der Reverse Split Anfang Juli, bei dem jeweils 750 Aktien zu einer zusammengefasst wurden, half nicht.
Die geplante Verlagerung der Modulproduktion in die USA ist teilweise gescheitert. Statt zwei Fabriken soll nur eine und diese in abgespeckter Form realisiert werden. Damit ist auch der angestrebte Deal mit einem US-Grosskunden geplatzt. Meyer Burger kann den Fabrikbau in der ursprünglichen Version nicht stemmen, da ein erhoffter Kredit nicht zustande kam.
Seit mehr als zehn Jahren schreibt das Unternehmen Verluste, und erneut ist der Weg zur Profitabilität damit in weite Ferne gerückt.
Im September hat das Unternehmen nun sowohl den Konzern- als auch den Finanzchef ausgewechselt. Zudem gab es bekannt, dass sich der Umsatz im ersten Halbjahr halbiert hat – und dass sich die Veröffentlichung des vollständigen Halbjahresbericht auf Ende Oktober verzögert. Die liquiden Mittel sanken per Ende Juni auf unter 160 Mio. Fr. Bei einem Cash-Verbrauch von etwa 30 Mio. pro Monat ist diese Reserve im November 2024 weg.
Die jüngsten Nachrichten kommen also auch weiterhin sehr zur Freude der Short-Seller.
SIG Group
Unverändert den fünften Platz belegt SIG Group. Die Titel sind seit Mai 2023 im Abwärtstrend – zeigten jüngst jedoch eine kleine Gegenbewegung.
Nachdem SIG auch im ersten Quartal 2024 noch enttäuscht hatte, überraschte das Unternehmen mit den Zahlen für das zweite Quartal positiv. Der Gewinn auf Stufe Ebitda fiel besser aus als erwartet. Zwar wurde die Jahresprognose leicht nach unten angepasst, jedoch hatte bereits zuvor eine Gewinnwarnung in der Luft gelegen. Locker lassen die Short-Seller dennoch nicht, sie habe ihre Positionen gar leicht aufgestockt und wetten mit 11% der ausstehenden Aktien auf einen sinkenden Kurs.
Barry Callebaut
Auch bei Barry Callebaut ist der Anteil leerverkaufter Aktien in den vergangenen vier Wochen leicht gestiegen, auf zuletzt 7,5%.
Der weltgrösste Schokoladenproduzent muss mehrere Herausforderungen bewältigen: Unberechenbare Kakaopreise und die schwächelnde Konsumlaune belasten das Geschäft. Zudem steckt das Unternehmen in einer kostspieligen Restrukturierung, deren Erfolg sich erst im Laufe der nächsten Quartale abschätzen lässt.
The Market sieht Barry derzeit im perfekten Sturm – deutet das mit Blick auf die lange Frist aber als Chance. Auch die Börse hat wieder Mut gefasst: Seit dem Tief im April sind die Aktien vorübergehend um 30% avanciert. Mitte Juli zeigte sich jedoch, dass das etwas vorschnell war. Inzwischen ist dieses Kursniveau wieder nahezu erreicht. Barry hat noch einen langen Weg vor sich, dennoch: The Market ist zuversichtlich, dass der Konzern gestärkt aus dieser Krise hervorgeht.
AMS Osram
Nach knapp einem Jahr tauchen die Aktien von AMS Osram wieder in der Top Ten der grössten Schweizer Shorts auf. Im Oktober 2023 belegten sie vor einer Kapitalerhöhung sogar die Spitzenposition. Danach verschwanden sie aus der Liste – obwohl die Talfahrt der Aktien anhielt.
Doch Ende Februar folgte ein Schock für die Aktionäre: Der Licht- und Sensorenspezialist gab bekannt, das Schlüsselprojekt der MicroLED-Strategie sei «unerwartet storniert» worden. Dass es sich bei dem Grosskunden um Apple handelte, ist ein offenes Geheimnis.
Verwundbar macht AMS nun, dass rund die Hälfte des Umsatzes auf den Automobilsektor entfällt – und der steht derzeit unter enormen Druck. In Kombination mit hohen Schulden von 2 Mrd. € sind das keine erbaulichen Aussichten – ausser für Short-Seller.
Sie haben ihren Wetteinsatz gegen AMS Osram im September mehr als verdoppelt und setzen nun mit fast 7% aller ausstehenden Aktien darauf, dass der Kurs weiter nachgibt.
Komax
Rückläufig war die Short-Quote im September neben Meyer Burger einzig bei Komax. 6,6% der Aktien des Herstellers von Maschinen zur Kabelverarbeitung sind derzeit noch in den Händen von Leerverkäufern.
Komax leidet ebenfalls unter dem kriselnden Automobilsektor, mit dem das Unternehmen rund 70% des Umsatzes erwirtschaftet. Zudem erschüttert die wachsende Dominanz chinesischer Elektroautohersteller die Marktverhältnisse, was auch die Aussichten trübt.
Im Juni schreckte Komax mit einer Gewinnwarnung auf. Die im August vorgelegten Halbjahreszahlen waren schwach: Der Auftragseingang sank 22%, der Umsatz 18%. Nach einem Gewinn von 40,7 Mio. Fr. im Vorjahr verblieb noch ein Überschuss von 2,5 Mio. Fr. Auch verspricht der Ausblick auf das zweite Halbjahr kaum Besserung.
Im September wurde bekannt, dass die deutsche Leoni – früher die grösste Kundin von Komax – an ein chinesisches Unternehmen verkauft wurde.
Addex
Neu auf Platz neun findet sich Addex Therapeutics. Das Biotechunternehmen meldete Ende Oktober eine Forschungszusammenarbeit, die im Erfolgsfall theoretisch bis zu 330 Mio. $ einbringen könnte.
Der Kurs sprang daraufhin rund 40% in die Höhe – von fast gar nichts (0.056 Fr.) auf fast nichts (0.084 Fr.). Short-Seller begegnen dem offensichtlich mit Skepsis und haben ihre Positionen gegen Addex im September auf 5,6% aller Aktien fast verdoppelt.
Sensirion
Mit einer Ausleihquote von 5,6% bleiben die Aktien von Sensirion mit dem zehnten Platz im September innerhalb der grössten Schweizer Shorts – auch wenn eine Heraufstufung durch die Analysten der UBS dem Kurs zuletzt Schub verlieh.
Wie bereits im vergangenen Sommer, als Sensirion mit einer Gewinnwarnung aufgeschreckt hatte, sowie nach der Publikation der Jahreszahlen im März setzen die Short-Seller nach einer Kurserholung im Juli und den tiefroten Halbjahreszahlen vom August auch im September weiter auf einen Kursrückgang beim Sensorenhersteller.
Sensirion kämpft mit einer schwachen Nachfrage wegen unterschätzter und anhaltend hoher Lagerbestände bei den Kunden. Nach dem Verlust 2023 rechnet das Management für das laufende Jahr mit einer Marge von 5 bis 10% und damit nur mit der Hälfte dessen, was normalerweise drinliegt – gleichwohl sind die Aktien hoch bewertet. The Market hingegen meint: Damit Sensirion auf den Erfolgspfad zurückfindet, braucht es einen Kulturwandel.