Nach Rückschlägen muss der Pharmakonzern die Investoren von seiner Pipeline überzeugen. Künftig will man sich auf fünf Therapiegebiete beschränken. Mehr Geld für die Forscher gibt es nicht.
Manchmal kann ein knapperes Budget auch ein Vorteil sein. Das hat Thomas Schinecker gesehen, als er noch Chef der Roche-Diagnostiksparte war. Weil dieser Bereich nicht so üppige Ressourcen hatte wie die grössere Pharmasparte, war es umso wichtiger, effizient aufgestellt zu sein. Dazu kommt, dass im Geschäft mit Tests und Analysegeräten sowieso alles aufeinander abgestimmt sein muss.
Mit dieser Erfahrung hat Schinecker seit seiner Beförderung zum Konzernchef von Roche vor anderthalb Jahren den Pharmabereich unter die Lupe genommen. Hier waren die über die Jahrzehnte gewachsenen Prozesse viel weniger vereinheitlicht worden, unterschiedliche Abteilungen hatten unterschiedliche IT-Lösungen. Das ist nun im Begriff, sich zu ändern. Zudem wurden Abteilungen zusammengelegt und verschiedene Forschungsprojekte mit geringen Erfolgsaussichten gestoppt.
Spätestens nach ein paar Rückschlägen von wichtigen Hoffnungsträgern in der Medikamenten-Pipeline in den vergangenen Jahren war nämlich der Druck zum Aufräumen auch in der Pharmasparte da. Dazu kommt, dass Schinecker die Forschungsausgaben für 2024 und 2025 auf dem gegenwärtigen Niveau einfriert – ungewohnt für Roche, wo diese Kosten üblicherweise mit gewachsenen Umsätzen gestiegen sind.
Neue Pharmastrategie
Doch der CEO belässt es nicht bei operativen Verbesserungen wie einheitlichen Systemen und Abläufen. Es gibt auch klarere Vorgaben, woran geforscht werden soll. Am Pharma Day, einer Veranstaltung für Analysten, hat das Roche-Management eine neue Pharmastrategie vorgestellt.
Während bisher nach dem Motto «Folge der Wissenschaft» eine sehr breite Forschungstätigkeit möglich war, will man sich künftig auf elf Krankheiten in fünf Therapiegebieten beschränken. Schliesslich soll die Wissenschaft auch bei den Patienten ankommen, und zwar dort, wo Roche das grösste Potenzial ausmacht: Krebs und Bluterkrankungen, Neurologie (zum Beispiel multiple Sklerose, Alzheimer), Immunologie (zum Beispiel chronische Darmentzündungen), Augenheilkunde sowie Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Krankheiten.
In dem letztgenannten Gebiet interessieren in erster Linie Medikamente gegen Übergewicht. Roche hatte im Dezember vergangenen Jahres die amerikanische Firma Carmot übernommen und hofft, mit den dadurch eingekauften Produktekandidaten in dem lukrativen Markt, der zurzeit von den Konkurrenten Novo Nordisk und Eli Lilly dominiert wird, Fuss fassen zu können.
Zu spät bei den Abnehmmedikamenten?
Allfällige Zweifel, ob Roche als Nachzügler in dem Bereich dereinst überhaupt eine wichtige Rolle spielen könne, versuchte das Management zu entkräften. Schliesslich habe Roche auch mit den Medikamenten Ocrevus (multiple Sklerose) und Vabysmo (Augenkrankheiten) gezeigt, dass der Konzern neue Standards in Anwendungsgebieten setzen könne, die zuvor von der Konkurrenz dominiert worden seien.
Zudem lasse der auf 100 Milliarden Dollar oder noch mehr geschätzte Markt für Medikamente gegen Übergewicht genügend Platz für mehrere Mitspieler. Es wird erwartet, dass das erste Medikament von Roche in diesem Bereich nicht vor 2028 auf den Markt kommen wird. Dennoch haben Studienergebnisse zu dem Präparat heute schon das Potenzial, den Aktienkurs des Konzerns heftig zu bewegen, wie sich kürzlich gezeigt hat.
Schinecker wies darauf hin, dass Roche auch im zweiten Halbjahr gut unterwegs sei. Anders als bei Konkurrenten droht seiner Erwartung nach in den nächsten Jahren keine Patentklippe – also ein Umsatzeinbruch, wenn das Patent auf einem Medikament ausläuft und dadurch die Preise sinken.
Allein das derzeit bestehende Portfolio dürfte bis 2027 für Wachstum und stabile Margen sorgen, sagte der Konzernchef. Mit einem solchen Minimalszenario ohne neue Medikamente dürften sich jedoch weder die Investoren noch er selber begnügen. «Wir werden liefern», versicherte Schinecker.