Aus vielen Elementen ein stimmiges, wohnliches Ganzes zu schaffen, ist eine Meisterleistung. In einem Einfamilienhaus am Zürichsee wurde sie eindrücklich vollbracht.
Am Anfang war die Bauherrenfamilie nur Nachbar. «Das Haus gehörte damals zwei älteren Damen, Mutter und Tochter», sagt die Bauherrin. «Als die Mutter im Alter von hundert Jahren verstarb, konnten wir das Haus kaufen.» Das war 2008. Damals sah das Haus aus den 1960er Jahren mit malerischem Blick über den Zürichsee noch ganz anders aus.
Hier und dort kann man die Bauweise jener Zeit noch erahnen. Das Ehepaar, dessen beide Kinder damals noch klein waren, legte zunächst vor allem im Aussenbereich Hand an. Die Küche und die Bäder wurden ebenfalls ein wenig an die Bedürfnisse angepasst. «Sonst liessen wir alles so, wie es war», sagt die Bauherrin. «So konnten die Kinder spielen und herumtoben, wie sie wollten, und wir brauchten nicht hinter jedem Kratzer und jeder Delle herjagen.»
Aus zwei mach eins
Die Tochter der ehemaligen Eigentümerin behielt derweil ihr Wohnrecht und belegte das obere Stockwerk mit einem separaten Eingang. 2020, die Dame war 82 Jahre alt, entschloss sie sich zum Umzug in eine Alterswohnung. «Und wir entschlossen uns zu einem Umbau, um unser Zuhause in die heutige Zeit überzuführen», so die Bauherrin.
Zusätzlich zur energetischen Sanierung mit Erdsondenheizung, Photovoltaikanlage und zeitgemässer Isolierung sollten unter der Federführung von Daniel Kubli vom Küsnachter Architekturbüro Kubli Partner Architektur die beiden bislang getrennten Stockwerke zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt werden. Dazu wurde der Eingangsbereich komplett neu konzipiert und mit einer Treppe ausgestattet. Die Grundlagen für einen Treppenlift wurden bereits unsichtbar gelegt, denn das Ehepaar möchte sein Traumhaus so lang wie möglich bewohnen können.
Der Bauherrschaft ging es auch darum, den vorhandenen grosszügigen Platz optimal zu nutzen. So bekamen die Eltern und die beiden mittlerweile erwachsenen Kinder ihre eigenen Bereiche, privat und dennoch miteinander verbunden. Die zuvor kleine, dunkle Küche wurde geöffnet, im daran anschliessenden Aussenraum entstand ein geräumiger überdachter Sitzplatz. Überhaupt ist die Küche das Zentrum des Familienlebens. «Wir kochen hier, essen hier, sitzen beim Frühstück zusammen, lesen – alles.»
Das Aussen nach innen geholt
Für die Ausgestaltung des Hauses verantwortlich war Anna Bonnet, Mitgründerin und -inhaberin des Zürcher Interior-Design-Studios Spring Concepts. Ihr Auftrag war durchaus anspruchsvoll, denn es galt, die Aura des Gebäudes trotz allen Veränderungen zu erhalten. Aura? «Ich bin wirklich kein esoterischer Mensch», versichert die Bauherrin, «aber dieses Haus hatte schon immer eine gute Aura. Weshalb sonst könnte man hier so alt werden?»
Der weitläufige Garten mit seinen riesigen, alten Bäumen spielt eine zentrale Rolle, auch weil die Pflege der Pflanzen zu den grossen Hobbys des Ehepaars gehört. «Wir wollten deshalb nicht nur baulich, sondern auch optisch eine Verbindung vom Garten ins Haus schaffen», erklärt Anna Bonnet.
Der grünliche Schimmer des mit Quarzit ausgelegten Pools und der natürlichen Umgebung widerspiegelt sich deshalb im ungewöhnlichen Lind- und Petrolgrün der Küche, die mit ihrer Giebeldecke schon fast wie ein Tiny House für sich wirkt. «Die Gestaltung hat etwas Ferienhaftes, Beruhigendes», findet die Bauherrin.
Eine intensive Reise
Den Prozess vom Altbau zum modernen, gemütlichen Zuhause bezeichnet Anna Bonnet als eine intensive Reise, sowohl für die Profis als auch für die Bauherrschaft. «Die ersten Sitzungen fanden noch unter Pandemie-Bedingungen statt, also online», so erinnert sich die Innenarchitektin. «Das war ganz schwierig, denn Farben und Materialien liessen sich so gar nicht richtig zeigen und erleben.»
In der Folge wurden Vorschläge erstellt und verworfen, Pinnwände gefüllt, Materialbücher zusammengestellt und Muster gesammelt. «Schön war, dass die Bauherrschaft sich sehr in den gesamten intensiven Prozess eingebracht hat», so Anna Bonnet, «damit aus dieser Zusammenarbeit ihr Wohntraum entstehen konnte.»
Rote Fäden und «Ausreisser»
Der Aufwand hat sich gelohnt. Wer das Haus zum ersten Mal besucht, schaut es sich nicht nur an, sondern entdeckt es Detail für zuweilen überraschendes Detail. Da wäre zum Beispiel der Rundbogen als Eingang zum Badezimmer im Obergeschoss, welcher der restlichen Geradlinigkeit diametral entgegensteht und trotzdem perfekt ins Gesamtbild passt; das Cheminée im Wohnzimmer, ein ehemaliger Kachelofen, ist Wohntradition in Reinkultur, die auch im Heute funktioniert; der alte Opferstock im Obergeschoss mit seiner Lutherbibel auf der Ablage – aus der Zeit gefallen und dennoch kein Fremdkörper.
Auch die Kunst, die einem überall begegnet, ist weder protzig noch auffällig, sondern fügt sich harmonisch in die Umgebung ein. Erst nach einiger Zeit fallen die wiederkehrenden Elemente auf, die das Konzept wie ein roter Faden zusammenhalten. Neben der Farbgebung sind dies zum Beispiel eigens für dieses Projekt entwickelte handgeschlagene Griffe. «Hergestellt hat sie ein junger Kunstschmied aus der Umgebung von Zug», sagt Anna Bonnet.
Katzentest bestanden
Und wie steht es mit der Aura? «Das fragte ich meine Kinder auch, als wir im Dezember 2021 wieder einzogen», erzählt die Bauherrin. «Sie antworteten: ‹Es ist noch genau wie vorher!›» Diesen Eindruck bestätigte auch die Katze, die den umbaubedingten Umzug in eine Wohnung mit ihren damals zwanzig Jahren nicht allzu gut verkraftete. «Sie kam herein, und es war, als sei sie nie weg gewesen», so erinnert sich die Bauherrin.
Heute fühle sich die Katze ebenso wohl im Haus wie die ganze Familie. «Ich komme nach der Arbeit nach Hause und bin augenblicklich entspannt», sagt die Bauherrin. Man kann es selbst nach einer kurzen Stippvisite nachvollziehen.
Dieser Artikel ist in «NZZ Residence», dem Magazin für Wohnen und Immobilien, erschienen.