Die südafrikanische Sopranistin bringt mit Paavo Järvi und dem Tonhalle-Orchester die «Vier letzten Lieder» von Richard Strauss zur Aufführung – das Hauptwerk seiner späten Jahre in der Schweiz. Der maximale Kontrast dazu gelingt Schultz mit Songs von Elvis Costello.
Für Richard Strauss wurde die Schweiz in seinen späten Jahren zum Zufluchtsort. Als der damals 81 Jahre alte Komponist Anfang Oktober 1945 von Garmisch aus über Bregenz nach Zürich und Baden reiste, floh er nicht nur vor der prekären Versorgungslage im kriegszerstörten Deutschland; ihn belastete vielmehr auch die Frage nach seiner Verstrickung mit den Machthabern im «Dritten Reich». Immerhin hatte ihn die amerikanische Kriegskommission in ihre interne «Kategorie 1», also als möglichen «Hauptschuldigen», eingestuft.
Das Verfahren der sogenannten Entnazifizierung ging am Ende für Strauss glimpflich aus, aber es zog sich noch bis zum Sommer 1948 hin, und während dieser Zeit blieben die Einnahmen aus Tantiemen für seine Werke gesperrt. In dieser misslichen Situation sorgte der damalige NZZ-Musikredaktor Willi Schuh, ein enger Strauss-Vertrauter, zusammen mit Mäzenen wie Paul Sacher und Oskar Reinhart dafür, dass Strauss mit seiner Frau Unterschlupf in wechselnden Hotels in Baden, Ouchy, Montreux, Vitznau und Pontresina fand.
Schweizer Spätwerke
Das inoffizielle Nachkriegsexil des berühmtesten lebenden deutschen Komponisten führte seinerzeit zwar auch in der Schweiz zu kritischen Fragen, etwa nach dessen Rolle als Präsident der «Reichsmusikkammer» zwischen 1933 und 1935. Aber die Sicherheit des Asyls setzte bei Strauss doch einen letzten Schaffensschub frei, der zu einer Handvoll bedeutender Kompositionen führte. Sie sind allesamt eng mit Orten und Institutionen in der Schweiz verbunden, etwa das Oboenkonzert, das dem Tonhalle-Orchester und dessen Leiter Volkmar Andreae gewidmet wurde, oder die ebenfalls in Zürich uraufgeführten «Metamorphosen».
Als Juwel in diesem – eigentlich nicht mehr geplanten – Spätwerk gelten indes die in Montreux und Pontresina entstandenen «Vier letzten Lieder». Paavo Järvi und die Sopranistin Golda Schultz brachten den Zyklus nach Gedichten von Hesse und Eichendorff nun, nach einer langen Pause, endlich einmal wieder zur Aufführung in der Tonhalle. Die Zurückhaltung der Interpreten, hier wie andernorts, ist allerdings kein Zufall: Gehören diese Orchesterlieder doch zum Anspruchsvollsten, was für die menschliche Stimme komponiert wurde.
Die südafrikanische Sängerin Golda Schultz, die seit langem auch zu den Publikumslieblingen am Opernhaus Zürich zählt, hat erfreulich wenig Mühe mit den extrem exponierten Höhen und den charakteristisch weit gespannten Melodiebögen, die Strauss hier fordert. Gleichzeitig bewahrt sie sich in der Tongebung eine Leichtigkeit, die an ihr Salzburger Debüt als Sophie im «Rosenkavalier» erinnert – ohne dass die Musik je ins Opernhafte umschlägt.
Recht so, denn trotz ihrer üppigen orchestralen Einkleidung sind diese Lieder im Kern intime Selbstgespräche, in denen sich Strauss so eindringlich wie nirgends sonst mit letzten Fragen wie Abschied und Tod auseinandergesetzt hat. Paavo Järvi unterstützt Schultz in ihrer konzisen Interpretation mit teilweise sehr fliessenden Tempi, die die Stimme der Sängerin nicht nur wie schwerelos über dem blühenden Orchesterklang schweben lassen, sondern diese Spätestromantik auch vorm Ertrinken in Nostalgie und Larmoyanz bewahren.
Ironie und tiefere Bedeutung
In Zürich war die Liedinterpretin Golda Schultz am Sonntag auch noch in einem originellen Kammerkonzert in der Kleinen Tonhalle zu erleben, und zwar mit gänzlich anderer Musik: Auszügen aus Elvis Costellos Album «The Juliet Letters», das 1993 in Kooperation mit dem Brodsky Quartet entstand. Hier gelingt Schultz im Zusammenspiel mit vier Streichern des Tonhalle-Orchesters sozusagen das Gegenstück zu ihrer Strauss-Interpretation: Sie zeigt, wie man scheinbar leichtgewichtige Songs mit Ironie und tieferer Bedeutung auflädt.