Auch mit neuen Konjunkturmassnahmen dürfte es China schwerfallen, die angestrebten Wachstumsziele von 5% jährlich zu erreichen. Die Wirtschaftsaussichten in Japan sind dagegen besonders gut, weil die Investitionen stark steigen. Besonders die japanischen Banken dürften profitieren.
Weltweit wird monetär stimuliert. Vergangene Woche hat die chinesische Zentralbank ihre Geldpolitik deutlich gelockert. Die Zinsen wurden gesenkt und das Banksystem wird mit einem neuen Liquiditätsschub im Gegenwert von 130 Mrd. € stimuliert. Die Mindestreservesätze wurden vermindert, so dass die Banken mehr Spielraum haben, Kredite auszugeben.
Das Problem ist aber nicht die Knappheit von Krediten oder die Höhe der Zinsen, die chinesischen Hypothekarzinsen lagen zuletzt ohnehin nur bei 1,75%, sondern es fehlt an Nachfrage. Auch der Rückgang der Renditen zehnjähriger Staatsanleihen auf 2% hatte nicht zu einer Konjunkturbelebung geführt. Man beobachtet das klassische Phänomen des «pushing on a string», man kurbelt monetär an, aber sieht keine positiven Wirkung auf die Konjunktur.
Chinas Wachstumsziel von 5% ist kaum erreichbar
Das wäre anders, wenn der chinesische Staat fiskalpolitisch mit grösseren Schulden die Infrastrukturausgaben hochfahren würde. Dies hat man bisher aber nicht getan, wahrscheinlich wegen der ohnehin gefährlich hohen Staatsverschuldung respektive der Verschuldung von Staatsunternehmen. China ist neben Frankreich international am stärksten verschuldet. Daher scheint es fraglich, ob ein Zins von 2% für zehnjährige Staatsanleihen angesichts der weltweit höchsten Verschuldungsrisiken angemessen ist. Vorläufig scheinen die Märkte keine Probleme zu sehen.
Auch mit den neuen Konjunkturmassnahmen dürfte es China schwerfallen, die angestrebten Wachstumsziele von 5% jährlich zu erreichen. Angesichts niedriger und fallender Inflationsraten (auch im Hinblick auf die Produzentenpreise) wird es für China ohnehin schwierig, nominell Wachstumsraten in Höhe der Zielgrösse von 5% zu erzielen. Die Unternehmensgewinne fielen im August durchschnittlich um 17,8% gegenüber dem Vorjahr.
Chinas Probleme bleiben die schlechte Konsumgüterkonjunktur und besonders der Immobilienmarkt mit seinen rekordhohen Leerständen bei gleichzeitig schlechter Demografie. Aber andere Bereiche der Volkswirtschaft wie die boomende Elektroautoindustrie sowie die nach wie vor guten Exportvolumen zeigen, dass China trotz Abschwächung der wertmässigen Exporte immer noch eines der am stärksten wachsenden Länder ist.
Chinas Aktienkurse steigen, aber auch die Firmengewinne?
Der chinesische Aktienmarkt ist nach einem deutlichen Verlust seit Jahresanfang 15% gestiegen. Ein dauerhaft höherer Kurs wird allerdings nur möglich sein, wenn auch die Gewinne, die zurzeit überwiegend fallen, wieder steigen. Vor dem Hintergrund der negativen Entwicklung der Investitionen – ganz im Gegensatz zu Japan, wo sie weltweit am stärksten steigen –, ist eine bessere Gewinnentwicklung noch keineswegs sicher.
Positive Faktoren für die China-Börse sind allerdings nicht nur die niedrigen Bewertungen und Zinsen, sondern auch die sehr niedrige internationale Positionierung in China-Aktien. Dieser markttechnische Faktor treibt zurzeit grosse chinesische Aktien wie Alibaba, Tencent oder Versicherungsriesen wie Ping An. Von den Tiefstkursen dieses Jahres haben sich die Titel bereits um über 50% verbessert. Trotz der bekannten geopolitischen Probleme und der fallenden chinesischen Exporte in Richtung USA scheint es realistisch, dass sich die Erholung am chinesischen Aktienmarkt fortsetzt.
Hongkong attraktiv trotz schwierigem Immobilienmarkt
Fundamental dürften die Voraussetzungen für steigende Aktienkurse in Hongkong sogar noch besser sein. Hongkong ist bezogen auf den Buchwert der Aktien so niedrig bewertet wie sonst an unteren Börsenumkehrpunkten. Hongkong als Aktienmarkt mit einem Übergewicht in Immobilientiteln braucht für eine Wende allerdings auch steigende Immobilienpreise, die noch nicht in Sicht sind. Trotzdem sind die meisten Titel dieser Kategorie so niedrig bewertet, dass man von einem günstigen Chance-Risiko-Verhältnis sprechen kann. Besonders dann, wenn wie beim grössten asiatischen Immobilientitel Sun Hung Kai nicht nur Wohnungen, sondern auch Detailhandelsimmobilien einen guten Gewinn abwerfen.
Wie schwierig die Situation am Hongkonger Immobilienmarkt ist, zeigt auch der jüngste Bericht der HSBC (Hongkong Shanghai Banking Corporation, mehr als fünfmal so gross wie die Deutsche Bank), wo sich die faulen Immobilienkredite zuletzt versechsfachten. Damit ist 9% des Immobilienkreditbestands der HSBC in Hongkong betroffen. Eine Grössenordnung, die die Schwere der Probleme deutlich macht.
Kupferpreis fragil ohne neue fiskalische Impulse
Für die Aktienmärkte zunächst positiv zu werten ist also die Tatsache, dass China mit dem oben beschriebenen Lockerungs-«Blitz» (so die anglo-amerikanischen Zeitungen) die Stimmung noch weit mehr verändert hat als die, bezogen auf die Konjunktursituation, eher zaghaften Zinssenkungen in den USA und Europa. Weltweit haben bereits zahlreiche Zentralbanken die Zinsen gesenkt, teilweise sogar mehrfach. Zuletzt senkte Mexiko. Kurzfristig ist dies positiv für die Märkte. Ob sich wirklich ein dauerhafter Anstieg entwickelt, ist angesichts der hohen Aktienbewertungen in den USA – besonders bei den bisherigen Favoriten – keineswegs sicher. Bei den beiden letzten US-Zinssenkungen von 50 Basispunkten 2001 und 2007 folgte jedenfalls im Zuge fallender Gewinne ein mehrjähriger Abwärtstrend.
Niedrigere Zinsen und verbesserte Liquidität beziehungsweise verbesserte Finanzierungskonditionen in den USA treiben derzeit noch die Aktienmärkte. Während bisher die Inflation Hauptbestimmungsfaktor für die Märkte war, dürfte in Zukunft die US-Konjunkturentwicklung, und damit die US-Gewinne, am wichtigsten sein. Bezeichnenderweise sehen die globalen Aktienfondsmanager die grössten Risiken für die Aktienmärkte im Beginn einer US-Rezession.
Die Börsen werden die Konjunkturentwicklung besonders in den beiden wichtigsten Ländern USA und China in den nächsten Monaten genauestens verfolgen, da die Gefahr eines «pushing on a string» trotz niedrigerer Zinsen durchaus gegeben ist. Man fragt sich vor allem, wie weit die Regierungen mit der Erhöhung der rekordhohen Staatsverschuldung gehen können. Ohne neue fiskalpolitische Impulse dürfte deshalb auch der jüngste Preisanstieg am Metallmarkt (Eisenerz, Kupfer) schnell verpuffen.
Erstaunlich ist, dass die chinesische Währung gegenüber dem Dollar anzog, obwohl die expansiven volkswirtschaftlichen Massnahmen und zusätzlichen Kreditaufnahmen eigentlich eine Währungsschwäche hätten erwarten lassen. Wahrscheinlich kehren sich aber die Währungsströme um. Bisher hat das Auslandskapital China fluchtartig verlassen, dies scheint sich jetzt umzukehren.
Japan bietet besonders erfreuliche Konjunkturaussichten
Die Konjunkturaussichten in Japan sind im internationalen Vergleich besonders gut, weil die Investitionen besonders stark steigen. Die Regierung investiert inzwischen wesentlich mehr in den Rüstungsbereich. Vor dem Hintergrund der sinkenden Zinsdifferenz zwischen Japan und den USA ist mit weiterem Anstieg des Yens zu rechnen.
Obwohl der Aktienmarkt in Japan aufgrund der Währungsschwankungen ins Stocken geraten ist, bleiben die Aussichten positiv. Wahrscheinlich werden die Zinsen im Dezember oder Januar leicht erhöht, was zu einem überfälligen Kursschub nach oben bei Finanzwerten führen sollte. Die Inflationsrate stieg zuletzt auf 2,8% (ohne Lebensmittel und Energie +2%), so dass eine leichte Zinserhöhung überfällig ist. Die Teuerungsrate liegt seit 29 Monaten über dem Ziel der Bank von Japan. Die Notenbank zweifelt aber nicht daran, dass die Teuerungsrate auf 2% zurückfallen wird.
Der neugewählte japanische Ministerpräsident Shigeru Ishiba, sein Vorgänger Fumio Kishida trat wegen ähnlich niedriger Zustimmungswerte wie für die deutsche Regierung zurück, gilt als überzeugter Inflationsbekämpfer und setzt sich für Zinserhöhungen in Japan ein. Das müsste Finanzwerte stärken und Exporttitel im Trend schwächen.
Japan weniger gefährdet im Fall einer Trump-Zollrunde
Sollte Trump die US-Wahl gewinnen, hat er Zölle für chinesische Importe in Höhe von 60% angekündigt. Dies würde den chinesischen Aktienmarkt erheblich treffen. Weniger gefährdet bei Einfuhrzöllen wäre Japan. Hinzu kommt, dass japanische Unternehmen 57% des Umsatzes im Inland erwirtschaften und nur vergleichsweise wenig im Ausland (16,5% in den USA und in Kanada). Japan wäre also bei einer Trump-Zollrunde weniger gefährdet.
Gleiches gilt für Indonesien mit geringerer Auslandsabhängigkeit. Zuletzt konnte Indonesien allerdings den Exportüberschuss im August auf 2,9 Mrd. gegenüber prognostizierten 2 Mrd. $ verbessern. Die Exporte lagen 7,13% über Vorjahr. Ausländische Unternehmen wie zum Beispiel Zementhersteller berichten über gute Geschäfte in Indonesien.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.
Jens Ehrhardt
Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.