Der Milliardär und Chef des Vermögensverwalters Blackstone glaubt, dass die US-Behörden die Inflation mit veralteten Daten berechnen – und sagt, warum er immer wieder nach Davos kommt.
Herr Schwarzman, wo liegt der zurzeit heisseste Immobilienmarkt?
Der beste Anlagebereich im globalen Immobilienmarkt ist zurzeit der Sektor Logistik, also vor allem Lagerhallen – die Mieten steigen im hohen einstelligen Bereich, vor allem in Europa, auch wenn das Wachstum in den vergangenen sechs Monaten etwas zurückgegangen ist.
Wir müssen uns entschuldigen, es war eine Fangfrage: Der heisseste Immobilienmarkt weltweit ist Davos. Während des Weltwirtschaftsforums, das Sie diese Woche besuchen, steigen die Mieten dort um ein Vielfaches.
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Wie lange kommen Sie schon an das WEF?
Seit 28 Jahren.
Warum kommen Sie immer wieder zurück?
Am WEF trifft man an einem zentralen Ort viele Führungspersonen, die man normalerweise alle einzeln besuchen müsste. Mir gefällt es, auch wenn es anstrengend ist. Während des WEF vibriert Davos.
Sie haben Ihr Unternehmen Blackstone in den 1980er Jahren mit einem Kapital von 400 000 Dollar gestartet, nun verwaltet es mehr als 1000 Milliarden Dollar. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
In der Finanzwelt bleibt nie etwas so, wie es ist. Wettbewerber können alles kopieren, es gibt keine Patente. Man muss immer neue Renditequellen für Anleger suchen, die die Wettbewerber noch nicht entdeckt haben. Findet man solche Sektoren, geht es darum, sie so schnell wie möglich zu entwickeln. Wichtig für den Erfolg ist, dass man aussergewöhnlich gute Leute einstellt. Zurzeit haben wir 62 000 Bewerbungen für 169 Einstiegspositionen bei Blackstone – das gibt es selten.
Blackstone ist als Private-Equity-Gesellschaft gross geworden, also mit Fonds für ultrareiche und institutionelle Kunden, die in nicht an der Börse kotierte Unternehmen investieren wollen. Seit einigen Jahren bieten Sie diese Produkte auch weniger vermögenden Privatkunden an, sogenannten Mini-Millionären. Wie gross ist die Nachfrage?
Wir haben diesen Unternehmensbereich seit 2010. Mittlerweile stammt ein Viertel der verwalteten Vermögen von Blackstone, rund 250 Milliarden Dollar, von privaten Anlegern. In der Schweiz haben wir ein Büro aufgemacht, um den europäischen Markt für diese Anleger besser zu erschliessen.
Private-Equity-Anlagen sind illiquide, die Anleger müssen sich für Jahre binden und können nicht verkaufen. Damit kann nicht jeder umgehen. Zeigt das nicht, dass sie für viele Privatanleger nicht geeignet sind?
Um höhere Renditen zu erzielen als der Markt, muss man etwas aufgeben. Bei Private Equity ist es etwas Liquidität. Institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungen sowie wohlhabende Privatpersonen haben genug Liquidität, um auch in illiquide Anlagen zu investieren. Jeder, der in diese Anlageklasse investiert, sollte verstehen, dass die Liquidität limitiert ist. Obwohl Blackstones Strategien für Privatanleger monatliche und vierteljährliche Liquidität anbieten, also mehr als die traditionellen geschlossenen Private-Equity-Fonds, die Sie erwähnt haben.
Stephen Schwarzman
feb./lho. Stephen Schwarzman ist Chef und Mitgründer von Blackstone, einer der weltweit führenden Investmentgesellschaften. Per Ende September vergangenen Jahres verwaltete das Unternehmen Vermögen über 1000 Milliarden Dollar. Blackstone ist stark im Bereich alternative Anlagen wie Private Equity und Hedge-Funds sowie in Immobilien engagiert. Das Unternehmen ist zurzeit der grösste Eigentümer von Gewerbeliegenschaften weltweit. Der 76-jährige Schwarzman taucht regelmässig auf Listen der wohlhabendsten Menschen der Welt auf und hat laut der Publikation «Forbes» ein geschätztes Vermögen von 35,9 Milliarden Dollar. Schwarzman ist sehr aktiv als Philanthrop, vor allem in den Bereichen Bildung, Kultur und Künste. Im Jahr 2020 unterzeichnete er die Initiative «The Giving Pledge» und erklärte sich damit bereit, den Grossteil seines Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden.
Ihr wichtigstes Verkaufsargument ist, dass man mit Private Equity eine höhere Rendite erzielt als an der Börse. Der gesunde Menschenverstand sagt uns doch, dass sich höhere Renditen nur erzielen lassen, wenn man höhere Risiken eingeht.
Schauen Sie sich die Zahlen an. Es gibt nur sehr wenige Private-Equity-Unternehmen, die Vermögen ihrer Kunden verloren haben. Das kann man nicht über viele Anlageklassen sagen. Wenn Private-Equity-Anbieter in Unternehmen investieren, prüfen sie diese lange und ausgiebig. Beim Kauf von Aktien an der Börse hat der Anleger oder die Fondsgesellschaft hingegen fast keinen Kontakt mit den dahinterstehenden Unternehmen. Statistisch gesehen erzielen Firmen im Bereich alternative Anlagen, die in der Vergangenheit hohe Renditen erreicht haben, diese auch in der Zukunft. Bei Fondsmanagern, die in kotierte Wertpapiere investieren, lässt sich das nicht sagen. Die Renditen sind hier viel unberechenbarer.
In den Medien kommen Private-Equity-Gesellschaften aber oft schlecht weg. Unvergessen ist die öffentliche Diskussion in Deutschland, als Finanzinvestoren als «Heuschrecken» bezeichnet wurden. Der Vorwurf lautete damals, Private-Equity-Gesellschaften grasten Unternehmen ab und zögen danach weiter.
Das ist schon zwanzig Jahre her.
Trotzdem: Woher kommt diese fundamentale Kritik an Ihrer Branche?
In den 1980er Jahren verdienten viele Private-Equity-Gesellschaften ihr Geld, indem sie Firmen günstig kauften und dann die Zahl der Beschäftigten reduzierten. Diese Transaktionen funktionierten oft sehr gut, gaben der Branche aber einen schlechten Ruf. Mittlerweile kann man nicht mehr viel Geld verdienen, indem man die Zahl der Beschäftigten reduziert. Die Unternehmen, in die Private-Equity-Firmen investieren, müssen wachsen und besser werden. Dafür braucht man Leute. In den Unternehmen in Blackstones Portfolio sind insgesamt 750 000 Personen beschäftigt, und die Zahl steigt weiter.
Das Geschäft ist also komplexer geworden.
Es ist nicht nur komplexer geworden. Der Weg, um Erfolg zu haben, ist ein anderer. Aber die öffentliche Wahrnehmung von Private Equity ist in einer Zeit von vor dreissig oder vierzig Jahren stehengeblieben.
Die Markt- und die Leitzinsen sind in den vergangenen zwei Jahren stark gestiegen. Nun ebbt die Inflation ab, aber die Zinsen sinken nicht so schnell, wie sich das viele Marktteilnehmer erhoffen. Wie geht Blackstone mit der Situation um?
In einem globalen Unternehmen wie unserem sieht man schnell, wenn sich die Welt verändert. So haben wir den Anstieg der Inflation 2021 sehr früh beobachtet. Offiziell stieg die ausgewiesene Teuerung auf 9 Prozent. Wir allerdings errechneten Werte von 12 Prozent. Als Reaktion haben wir Anleihen mit festen Zinssätzen verkauft und variabel verzinsliche Anleihen für unsere Kunden gekauft. Ausserdem haben wir Unternehmen verkauft, die sich in einem Umfeld mit höheren Zinsen schlechter entwickeln.
Und was beobachten Sie jetzt?
Ab Juli letzten Jahres haben wir gesehen, dass die Inflation zügig sinkt. Laut der US-Regierung lag die Inflation im Dezember 2023 aber immer noch bei 3,4 Prozent. Die US-Regierung berechnet die Inflation mit weniger aktuellen Daten als wir.
Wie hoch ist die US-Inflation denn Ihrer Meinung nach zurzeit?
Wir gehen von 2 Prozent aus. Die US-Notenbank Federal Reserve hat ihr Inflationsziel damit erreicht. Noch im Oktober 2023, als die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen 5 Prozent erreichte, sagten Chefs von grossen Finanzinstituten, diese werde bis auf 7 Prozent steigen. Für uns ergab das keinerlei Sinn, und wir haben recht bekommen.
Warum gehen Sie davon aus, dass die US-Inflation nur noch bei 2 Prozent liegt?
Es ist ziemlich einfach. Bei der Inflationsberechnung der US-Regierung hat der Preisbereich «Wohnen» ein Gewicht von 30 Prozent. Dabei handelt es sich grob gesagt um die Entwicklung von Wohnungsmieten. Blackstone ist der grösste Eigentümer von Wohnungen in den USA, folglich wissen wir hier sehr gut Bescheid.
Besser als die Regierung?
Ja, die US-Regierung misst die Inflation mit veralteten Daten. Sie hat gerade bekanntgegeben, dass die Preise im Bereich «Wohnen» um 6,2 Prozent gestiegen sind. Wir bei Blackstone wissen hingegen, dass die besagten Preissteigerungen in der Realität zwischen 0 und 1 Prozent lagen. Wenn 30 Prozent des Inflationsindexes mit 5,2 Prozentpunkten zu hoch berechnet sind, kann man von der Inflation 1,56 Prozentpunkte abziehen – so kommen wir auf die 2 Prozent.
Sie haben bessere Daten als die US-Regierung?
Ja genau, wir haben bessere Daten. So war es in jedem Wirtschaftszyklus, den ich erlebt habe. Die Regierung misst die Inflation nicht präzise.
Blackstone ist auch einer der grössten Immobilieninvestoren der Welt. Seit der Pandemie sind viele Menschen vom Home-Office aus tätig, und viele Büroräumlichkeiten werden überflüssig. Was bedeutet dies für den Sektor der Gewerbeimmobilien?
Gewerbeimmobilien sind vielfältig, es gibt viele verschiedene Sub-Anlageklassen. Wie erwähnt, entwickelt sich die Sparte Lagerhallen sehr gut. Bei Büroimmobilien ist die Lage hingegen vollkommen anders.
Inwiefern?
Der Home-Office-Trend hat enorme Probleme geschaffen – vor allem in den USA, etwas weniger in Europa. In den USA stehen im Durchschnitt rund 20 Prozent der Bürogebäude leer. Von dem Büroraum, der vermietet wurde, sind weitere 20 Prozent nicht besetzt. Dieses Problem betrifft vor allem Gebäude, die zehn Jahre oder älter sind. Wenn dies so bleibt, wird eine erhebliche Zahl der Besitzer dieser Bürogebäude finanzielle Probleme bekommen. Diese werden sich über die kommenden fünf bis sieben Jahre schrittweise manifestieren. Der Bankensektor wird in dieser Zeitperiode eine gewisse Zahl an Krediten abschreiben müssen.
Könnte daraus eine neue Finanzkrise entstehen? Die Volumen von Immobilienkrediten für Gewerbeliegenschaften gehen in die Billionen, ein grosser Teil davon liegt bei Banken.
Die meisten Kredite im Sektor Gewerbeliegenschaften sind unproblematisch. Nur bei den Krediten im Bereich der Büroimmobilien gibt es ein Problem. Ein Risiko für das System sehe ich aber nicht. Es dürfte Verluste geben, aber das werden die Banken verkraften.
Was können Besitzer von älteren Büroimmobilien tun, um diese wieder profitabel zu machen?
Niemand kennt die Antwort. Es ist sehr schwierig, sie umzunutzen. Folglich kann es sein, dass sie einfach abgerissen werden und dass es in Geschäftsbezirken Grundstücke geben wird, die wieder neu bebaut werden.
Auch Blackstones grösster Immobilienfonds, BREIT, hat turbulente Monate hinter sich. Investoren haben beträchtliche Summen aus dem Fonds abgezogen. Sind die Abflüsse nun gestoppt?
Die Rücknahmen sind um 80 Prozent zurückgegangen. Wer sein Geld zurückhaben will, bekommt dieses im Allgemeinen innerhalb von zwei Monaten. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, sieht das «Problem», über das im vergangenen Jahr alle redeten, ganz anders aus.
Wie gross ist der BREIT-Fonds heute?
Er hatte auf dem Höhepunkt ein Volumen von 70 Milliarden Dollar, jetzt beträgt es 62 Milliarden Dollar. Das ist nicht übel, wenn man bedenkt, wie schlecht und wie viel die Medien über den Fonds berichtet haben, und wenn man die Rückgänge im Bereich der Gewerbeimmobilien betrachtet. Die Performance von BREIT seit Auflegung beträgt übrigens im Durchschnitt 11 Prozent pro Jahr, das ist drei Mal so hoch wie die Renditen von allen Immobilienfonds der Kategorie Real Estate Investment Trust (REIT) im Durchschnitt. Die Medienberichterstattung war hysterisch . . .
Hat Sie die heftige Reaktion der Medien überrascht?
Ja. Aber vielleicht hatte es auch mit dem Timing zu tun: Es war, zwei Wochen nachdem der Krypto-Unternehmer Sam Bankman-Fried insolvent geworden war. Alle waren nervös. Wahrscheinlich waren wir einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.