Politiker machen gerne Versprechungen, bei denen die wirtschaftliche Realität ignoriert wird. Das zeigt sich im US-Wahlkampf zwischen Kamala Harris und Donald Trump, gilt aber auch generell. In der Welt der Politik mag es unbegrenzte Vorteile und etwas für jeden geben. In der Wirtschaft aber gibt es nur Kompromisse.
Seit Monaten habe ich Zeitungsausschnitte für ein Memo zum obigen Thema des Titels gesammelt. Doch meine Lieblingsthemen wie Risiko, Schulden und Ungewissheit haben die Reihenfolge meiner Pendenzen immer wieder übersprungen. Mein geplantes Memo verzögerte sich deshalb, bis der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten voll in Gang kam und der Zeitpunkt unwiderstehlich war.
Wie mir dürfte Ihnen zweifellos aufgefallen sein, dass Politiker vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und der US-Vizepräsidentin Kamala Harris bis hin zu Kandidaten auf der regionalen und lokalen Ebene einmal mehr Versprechungen machen, welche die wirtschaftliche Realität ignorieren. Trumps Androhung neuer Zölle und die Attacke von Harris gegen Wucherpreise in der Lebensmittelindustrie sind nur zwei Beispiele für Vorschläge mit Folgekosten, die von Kandidaten ignoriert werden (im Fall von Trump) oder die kein richtiges Verständnis des Problems zeigen (im Fall von Harris). Mir geht es dabei natürlich nicht darum, einen der beiden Kandidaten zu unterstützen oder zu kritisieren. Vielmehr will ich verdeutlichen, dass es in der Wirtschaft trotz gegenteiliger Behauptungen der Kandidaten keinen «Free Lunch» gibt; also, dass es nichts umsonst gibt.
Regulatorisches Allerlei
Es gibt derart viele Versuche von Regierungen, die Gesetze der Wirtschaft zu ignorieren oder ausser Kraft zu setzen, dass eine systematische Katalogisierung eine beängstigende Aufgabe wäre. Dennoch muss ich an dieser Stelle einige Beispiele aufführen und ihre Unzulänglichkeiten diskutieren:
- Zum Wirtschaftsprogramm von Harris gehört der Plan, erstmalige Käufer von Wohneigentum mit 25’000 $ bei der Anzahlung zu unterstützen. Für junge Menschen ist es heutzutage sicherlich schwierig, das nötige Geld aufzubringen, um zum Besitzer eines Eigenheims zu werden. Das Problem ist aber, dass sich ein staatlicher Zuschuss von 25’000 $ an eine Million potenzieller Immobilienkäufer auf 25 Mrd. $ summiert. Das Resultat wäre mit grosser Sicherheit ein umgehender Anstieg der Immobilienpreise, wodurch das Programm einen Grossteil des erhofften Nutzens verlieren würde. Nun könnte man argumentieren, dass sich dies leicht mit einem Gesetz verhindern lässt, das derzeitigen Immobilienverkäufern verbietet, den Preis als Reaktion auf die Einführung des Programms zu erhöhen. Doch was ist mit den Häusern, die in Zukunft auf den Markt kommen? Als Antwort darauf könnte man scheinbar einfach ein weiteres Gesetz erlassen, wonach für ein Haus nicht mehr verlangt werden darf, als wenn es das Programm nicht gäbe. Aber versuchen Sie einmal, dieses Gesetz durchzusetzen.
- Als Trump Präsident war, führte er Zölle auf Waren aus China ein, um gegen Handelspraktiken vorzugehen, die er für unfair hielt. Nun kündigt er pauschale Zölle von 10% auf Importe an. Diese Zölle könnten Einfuhren einschränken, die heimische Produktion ankurbeln und das chronische Handelsdefizit der USA verringern. Doch sie müssten wahrscheinlich von den Verbrauchern bezahlt werden, welche die importierten Waren kaufen. Dies, weil Hersteller und Exporteure kaum einen Zollbetrag auf ihre Kosten nehmen werden, wenn sie ihn weitergeben können. Günstige Importe haben die Inflation in den USA während vieler Jahre niedrig gehalten und der Bevölkerung einen attraktiven Lebensstandard ermöglicht. Breit angelegte neue Zölle dürften für die amerikanischen Konsumenten gleichbedeutend mit Preiserhöhungen sein. Auch würden die Zölle – und die von anderen Ländern als Vergeltungsmassnahme erlassenen Zölle – den Effekt der Globalisierung beeinträchtigen, der sich positiv auf Weltwirtschaft auswirkt, weil die Menschen in jedem Land dazu angespornt werden, das zu tun, was sie am besten können.
- Zu Trumps politischen Vorschlägen gehören auch die Verlängerung seiner 2017 eingeführten und 2025 auslaufenden Steuersenkungen sowie eine Reihe neuer Kürzungen. Für jeden ist etwas dabei: Steuersenkungen für Unternehmen und Privatpersonen, einschliesslich der Abschaffung von Steuern auf Trinkgeld, Sozialleistungen und Überstundenvergütungen. Gemäss dem Penn-Wharton-Budget-Modell der University of Pennsylvania senkt der Plan die Steuern im Jahr 2026 für eine Durchschnittsperson im untersten Einkommensquintil um 320 $, Steuerzahler im obersten Perzentil hätten eine Erleichterung von 47’220 $. Selbst wenn man Trumps jüngste Vorschläge wie die Steuerbefreiung für Überstundenvergütungen nicht berücksichtigt, werden diese Massnahmen das Staatsdefizit in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich um 5,8 Bio. $ erhöhen; bzw. um 4,1 Bio. $, wenn man ihre potenziell stimulierende Wirkung auf die Gesamtwirtschaft (sogenannte «Trickle-Down-Effekte») miteinbezieht. Abgesehen von diesen Effekten gibt es keinen Anhaltspunkt, wie die Steuerkürzungen bezahlt werden sollen.
- Kalifornien ist eine Petrischale für sogenannte «progressive» Ideen zur Wirtschaftspolitik. 2022 verabschiedete das Parlament des Bundesstaats ein Gesetz zur Einführung eines Rats, der sich aus Vertretern des Fast-Food-Gewerbes und Mitarbeitenden von Restaurants zusammensetzt, um die Löhne in der Branche festzulegen. Angesichts eines drohenden, von der Branche finanzierten Referendums zur Aufhebung des Gesetzes wurde es dahingehend geändert, dass für Fast-Food-Ketten mit mehr als 60 Restaurants ein Mindeststundenlohn von 20 $ vorgeschrieben wurde. Die Neufassung trat erst diesen April in Kraft, weshalb die Auswirkungen noch nicht beurteilt werden können. Die Medien berichten jedoch häufig von Restaurantschliessungen, von Entlassungen oder Arbeitszeitverkürzungen, von Investitionen der Arbeitgeber in arbeitssparende Technologien und von erheblichen Preiserhöhungen für die Verbraucher. Obwohl «kleine» Restaurants nicht verpflichtet sind, den neuen Mindestlohn zu zahlen, sahen sich jedoch viele dazu gezwungen, um ihre Mitarbeitenden zu halten. So funktionieren nun einmal die Gesetze der Wirtschaft.
- In einem ähnlichen Fall hat Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, das einen Mindestlohn von 25 $ pro Stunde für Beschäftigte im Gesundheitswesen vorschreibt. Laut einem Bericht des «Wall Street Journal» vom 27. Mai stellten die Behörden jedoch fest, dass dies «den Staat wegen höherer Ausgaben für die staatliche Gesundheitsversicherung Medicaid und wegen Lohnausgleichszahlungen für Angestellte staatlicher Einrichtungen 4 Mrd. $ pro Jahr mehr kosten würde». Folglich wurden die im Gesetz vorgesehenen Vergütungen für die betreffenden Arbeitnehmer verzögert. Abschreckend ist hier das Prinzip, dass der Staat niemandem Geld geben kann, ohne es von jemand anderem zu nehmen. Auch könnten es die Steuerzahler in Kalifornien nicht goutieren, dass der Staat mehr vom Steueraufkommen an die Beschäftigten im Gesundheitswesen transferiert, insbesondere angesichts des derzeitigen Haushaltsdefizits.
- Wenn es einen Punkt gibt, in dem sich beide Parteien einig sind, dann lautet er: «Hände weg von der Sozialversicherung!» Die heutigen und künftigen Rentner fordern ihre monatlichen Zuschüsse, und sie wollen, dass die Regeln so bleiben, wie sie sind. Die Leiter beider Parteien haben dem zugestimmt. Das Problem ist aber, dass es nicht funktionieren kann. Die Sozialversicherung ist ein beitragsabhängiges Programm, ähnlich einer generellen Versicherung, und basiert auf einem Treuhandfonds. Die Arbeitnehmer zahlen über Steuern ein, und die Rentner erhalten Schecks. Doch die Zahl der Rentner, die Leistungen beziehen, ist im Verhältnis zur Zahl der aktiven Arbeitnehmer, die in den Fonds einzahlen, gestiegen. Wenn sich nichts ändert, wird der Fonds aufgrund der unaufhaltsamen mathematischen Mechanik mit Sicherheit zahlungsunfähig werden. Es gibt viele Ansatzmöglichkeiten, um die Sozialversicherung zu sanieren. Aber niemand will sie anwenden, weil es jemanden (sprich manche Wähler) verärgern würde. Zu den Optionen gehören (a) die Anhebung des Steuersatzes für die Sozialversicherung, (b) die Anhebung der Einkommensobergrenze, auf die Steuern gezahlt werden, (c) die Kürzung der Leistungen, (d) die Reduzierung des Ausgleichs bezüglich Lebenshaltungskosten, (e) die Anhebung des Rentenalters, (f) die Begrenzung der Anzahl Jahre, die Rentner Anspruch auf Sozialleistungen haben, und (g) die Prüfung der Bedürftigkeit potenzieller Zahlungsempfänger. Keiner dieser Vorschläge wird als akzeptabel erachtet. Alle wollen nur ihre Schecks, wie es versprochen wurde.
Man muss kein Ökonom sein, um zu verstehen, was passiert, wenn die Leute mehr ausgeben als sie verdienen. (Nur in der politischen Scheinrealität könnte man ein anderes Resultat erwarten.) Von Politikern oder gewählten Beamten hört man jedoch kein Wort über die Reformen, die notwendig sind, um den Treuhandfonds der Sozialversicherung vor der Insolvenz zu bewahren. Natürlich, die Regierung könnte die Sozialversicherung von einem selbstfinanzierten Programm in eine staatlich finanzierte Einrichtung umwandeln. Auf den ersten Blick scheint diese Änderung hauptsächlich ein semantisches Detail zu sein. Doch die Ausschöpfung des Treuhandfonds und die Auszahlung von Leistungen aus der Staatskasse würden das bereits problematische Budgetdefizit, die Staatsverschuldung und die jährlichen Kosten zur Bedienung der Schulden weiter erhöhen, was wiederum zu einem weiteren Anstieg des Defizits und der Schulden führen würde.
Das führt mich zu einem Thema, zu dem ich überall auf der Welt befragt werde: dem US-Budgetdefizit und den Schulden der Regierung. Ich antworte darauf, dass sie eine Blamage sind. Oaktree hat das Privileg, Geld für mehrere Länder zu verwalten, die über Staatsfonds verfügen und nicht über Staatsschulden. Manche Länder legen ihre Mehreinnahmen in eine Art Schliessfach, wie Norwegen seine Öleinnahmen oder Australien seine Erlöse aus der Privatisierung der nationalen Telefongesellschaft. Viele andere Länder leben zudem schlicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten, weil sie es müssen – sie können sich nicht den Luxus leisten, unbegrenzt Geld zu drucken, ohne dass sich die Währung abwertet. Die USA jedoch weisen regelmässig ein Defizit aus; sie geben mehr aus als sie einnehmen. Den letzten Budgetüberschuss hatten wir im Jahr 2000, am Ende der Clinton-Regierung. Heute übersteigen allein die jährlichen Zinsen auf unsere Staatsschulden erstmals den Etat des Verteidigungsministeriums. Doch keine der beiden Parteien ist bereit, das Defizit anzugehen oder sich für einen ausgeglichenen Haushalt stark zu machen. Unser Kongress legt nur selten ein Haushaltsbudget vor, geschweige denn ein ausgeglichenes. Dieses Verhalten ist unverantwortlich, wir würden es in unseren eigenen Unternehmen nicht dulden.
Die USA verhalten sich so, als hätten sie eine Kreditkarte ohne Limite und ohne die Verpflichtung, den ausstehenden Betrag zurückzuzahlen. Wir tun dies, weil wir bisher damit durchgekommen sind und unsere Regierungsbeamten nicht gewillt sind, weniger auszugeben als sie können. Heute hört man kaum noch etwas über die «Modern Monetary Theory», die im Jahr 2020 populär wurde und besagt, dass «für Länder, die ihre Währung kontrollieren, Defizite und Schulden keine Rolle spielen». Dennoch handelt unsere Regierung immer noch so, als ob diese Theorie zutreffend wäre.
In den 1930er-Jahren vertrat John Maynard Keynes die Ansicht, dass die Regierung die Ausgaben erhöhen sollte, wenn die Wirtschaft zu langsam wächst. Dies, um die benötigten Arbeitsplätze zu schaffen und die Nachfrage anzukurbeln, selbst wenn dadurch ein Budgetdefizit entsteht, das durch eine Kreditaufnahme gedeckt wird. Später, wenn wieder Wohlstand herrscht und die Arbeitsplätze zurückgekommen sind, sollte der Staat dann weniger ausgeben, als er einnimmt; also einen Überschuss erwirtschaften und diesen zur Rückzahlung der Schulden verwenden. Das klingt alles gut, bis auf den letzten Punkt: Der Aspekt zu den Überschüssen und der Rückzahlung der Schulden wurde vergessen.
Tatsache ist, dass Defizite das Wirtschaftswachstum fördern, was die meisten Menschen mögen. Sind die staatlichen Ausgaben höher als die Einnahmen, ist es einer Regierung zudem möglich, «kostenlose Geschenke» an die Wähler zu machen und damit ihre Stimmen zu gewinnen. Dafür muss man die Gesetze der Wirtschaft jedoch permanent ignorieren und Schulden aufnehmen – im trügerischen Glauben, dass sie nie zurückgezahlt werden müssen. Kann das endlos so weitergehen? Wir werden sehen, aber ich denke nicht.
Was sind die Gemeinsamkeiten?
Die oben beschriebenen und postulierten Massnahmen haben alle bestimmte Elemente gemeinsam.
- Die Ziele erscheinen auf den ersten Blick lobenswert: billigere Waren sowie Dienstleistungen und grössere Chancengleichheit. Doch angesichts der Art und Weise, wie die Wirtschaft funktioniert, haben sie in der Regel nachgeordnete Konsequenzen, die unkontrollierbar und nicht wünschenswert sind.
- Im Kern geht es immer um die Frage «Wer bekommt was?». Es gibt keine Möglichkeit, Geld aus dem Nichts zu erschaffen, sondern nur Entscheidungen darüber, wer einzahlt und wer etwas ausbezahlt erhält: ein Nullsummenspiel.
- Die Ziele sind oft populistischer Natur, wobei Gesetzgeber und Regulierungsbehörden Gewinner und Verlierer bestimmen. In der Regel wird vorgegeben, die benachteiligten unteren Bevölkerungsschichten vor der Raffgier der Reichen zu schützen. Die meisten marktfeindlichen Vorschriften enthalten Grössenkriterien, d.h. sie gelten beispielsweise nur für Supermärkte, nicht aber für den Lebensmittelladen an der Ecke, für Vermieter mit einer grossen Anzahl Wohnungen, für medizinische Institute ab einer bestimmten Grösse und für Restaurantketten, jedoch nicht für unabhängige Betriebe. In diesem Kontext sollte man beachten, was Präsident Biden beim Parteikonvent der Demokraten im August sagte: «Ich bin stolz darauf, der erste Präsident zu sein, der sich in einen Streik eingereiht hat und als gewerkschaftsfreundlichster Präsident der Geschichte bezeichnet wird.» Sind Arbeitnehmer per se schützenswerter als Arbeitgeber? Wie würden die Leute ohne Arbeitgeber einen Job finden? Wie dem auch sei, Arbeitgeber sind ein leichtes Angriffsziel für Politiker.
- Die Rhetorik rund um diese Themen ist oft erschreckend klassenbezogen und polarisierend. Hier ist ein Auszug aus einer typischen Zuschrift, die ich letzten Monat von einem Kandidaten für die Wahlen erhalten habe: «Selbst angesichts von rückläufiger Inflation werden die Lebensmittelpreise immer noch als himmelhoch empfunden. Das ist ein weiteres Zeichen für die Gier von Unternehmen, die Konsumenten schadet. CEOs sollten sich nicht mit Rekordgewinnen die Taschen vollstopfen, während Familien darum kämpfen müssen, genug Essen auf den Tisch zu bringen oder Medikamente zu bezahlen.» In einem solchen Umfeld gilt «Profit» als Schimpfwort, und «gierige Unternehmen» ziehen Misstrauen und die Forderung nach Regulierung auf sich.
- Ein letzter Punkt: Gewählte Beamte haben die Angewohnheit, sich selbst von den Konsequenzen ihrer Massnahmen abzuschirmen. Interessant ist zum Beispiel, dass der Mindestlohn für Fast-Food-Restaurants in Kalifornien nicht für Kantinen in staatlichen Einrichtungen gilt. Welcher Beamte möchte schon dem Zorn eines Angestellten begegnen, der gezwungen ist, mehr Geld für sein Mittagessen zu bezahlen?
Zu den wichtigsten Merkmalen ökonomischer Gesetze gehört, dass sie für alle gelten. Andererseits sind die Versuche, diese Gesetze auszuhebeln, in der Regel so konzipiert, um bestimmte Interessengruppen auf unterschiedliche Weise zu behandeln als andere. Wann immer dies der Fall ist, wählen die Entscheidungsträger vermeintliche Gewinner und Verlierer aus. Keine gute Idee in einer «freien Gesellschaft».
Im Grunde genommen laufen staatliche Subventionen und Vorschriften zur Wirtschaft darauf hinaus, Menschen zu etwas zu ermutigen, das sie von sich aus nicht tun würden. Mit anderen Worten: solche Aktivitäten gäbe es in einem freien Markt nicht. Derartige Massnahmen sollten kritisch geprüft werden. Einige mögen den salomonischen Entscheiden von Beamten und ihrem Wunsch nach einer gerechten Gesellschaft entspringen. Andere sind wahrscheinlich das Ergebnis von ideologischer Voreingenommenheit zugunsten von Umverteilung. Und wieder andere zielen schlicht darauf ab, sich die Gunst der Wähler zu sichern.
Für viele Berufspolitiker geht es in erster Linie darum, gewählt und wiedergewählt zu werden. Wenn gewählte Regierungsvertreter an der Wirtschaft herumbasteln, steht dahinter oft die Absicht, dass es den Wählern gefallen soll. Hinzu kommt der Vorteil, dass sie sich aus der Verantwortung stehlen können, indem sie die Schuld für politisch unerwünschte Entwicklungen auf «schlechte Akteure» wie mächtige Unternehmen und gierige Vermieter abwälzen. Regulierungen der Wirtschaft können temporär Abhilfe schaffen, wobei die negativen Nebenwirkungen erst in späteren Jahren auftreten – wenn die Entscheidungsträger, die dafür verantwortlich sind, die politische Bühne verlassen haben.
Freie Märkte oder kontrollierte Märkte? Das ist die entscheidende Frage
Regierungen stellen kein Produkt her, schaffen keinen Wert, der über die Kosten der von ihnen eingesetzten Ressourcen hinausgeht, und sie tragen – abgesehen von ihren Ausgaben – nicht zum Bruttoinlandprodukt bei. Sie sammeln (oder drucken) Geld mit der einen Hand und verteilen Geld und Dienstleistungen mit der anderen Hand. Sie ziehen Steuern von den Steuerzahlern ein und verschulden sich im Namen der zukünftigen Steuerzahler. Dann zahlen sie Geld für Sozialprogramme, Gehälter, Investitionen und Subventionen aus. Bei der Ausgestaltung der Politik geht es darum, wer einzahlt und wer Leistungen erhält.
Regierungen streben nicht nach Gewinn. Das bedeutet, dass die Leute, die Regierungen leiten, einen Freibrief in Sachen Effizienz erhalten. Wenn das Management eines Unternehmens es nicht schafft, ein Produkt zu produzieren, das mehr wert ist als die Inputs (sprich: einen Gewinn zu erzielen), dann wird es nicht lange überleben. Von Regierungen wird dies jedoch nicht erwartet, und deshalb gibt es kein einfaches Kriterium, um die Leistungsfähigkeit einer Regierung zu quantifizieren, wie es bei Unternehmen der Fall ist.
Regierungen übernehmen wichtige Aufgaben, die nichts mit dem Erzielen von Gewinnen oder mit Wertschöpfung zu tun haben.
- Sie erbringen Leistungen, die die Leute nicht selber übernehmen können, z. B. militärische Verteidigung, Gesundheitsfürsorge, Polizei- und Feuerwehrdienste, Bildung, Infrastruktur und Hilfsmassnahmen bei physischen (Überschwemmungen, Wirbelstürme und Pandemien) und wirtschaftlichen (Rezessionen und Hyperinflation) Notfällen.
- Sie bieten auch ein Sicherheitsnetz für diejenigen, die sonst in Not wären. Es bestehen grosse Meinungsverschiedenheiten darüber, wie viel Verantwortung Regierungen diesbezüglich übernehmen sollten. Diese Differenzen sorgen denn auch für eine der grössten Auseinandersetzungen zwischen den politischen Parteien in den USA.
Wie weit sollte eine Regierung also über das Nötigste hinausgehen, um Unterschiede beim Einkommen und der Lebensqualität ihrer Bürger auszugleichen? Dies ist einer der Gründe, warum Regierungen (wie oben beschrieben) den einen etwas wegnehmen, um den anderen etwas zu geben. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass jeder Schritt in diese Richtung – im Gegensatz zum Grundsatz, dass Menschen für sich selbst sorgen müssen – ein Schritt gegen die Kräfte der freien Marktwirtschaft ist, mit entsprechenden Konsequenzen.
- Darwin beschrieb den Prozess, wie sich eine Spezies durch das sogenannte «Überleben des Stärkeren» ausbreitet. Er funktioniert, und die Evolution schreitet voran. Aber dies ist per Definition ein erbarmungsloser Prozess, bei dem die Starken prosperieren und die Schwachen zugrunde gehen. Er ist gut für die gesamte Spezies, aber nicht für jedes einzelne Mitglied.
- Auf ähnliche Weise wird das kollektive wirtschaftliche Wohlergehen einer Gesellschaft durch einen gut funktionierenden freien Markt maximiert. Dabei geht es einigen Menschen besser als anderen – vorzugsweise, aber sicher nicht immer, den talentiertesten, fleissigsten und denen, die es am meisten verdienen. Nur in den utopischsten (und am meisten zum Scheitern verurteilten) Systemen wird nicht akzeptiert, dass es einigen Menschen besser ergeht als anderen. Doch die sozialökonomischen Unterschiede haben sich in letzter Zeit stark vergrössert, und es gibt eine zunehmende Debatte darüber, «wie viel besser» fair und akzeptabel ist.
Wie die Geschichte belegt, ist die Wahl klar: (a) eine effiziente freie Marktwirtschaft mit Anreizen und ungleichen Ergebnissen oder (b) eine Kommandowirtschaft mit einheitlichen Ergebnissen und einer mangelhaften Performance. Dazu hatte ich an einer anderen Stelle Folgendes geschrieben:
Die Anreize, die freie Märkte bieten, lenken Kapital und andere Ressourcen dorthin, wo sie am produktivsten eingesetzt werden. Sie veranlassen Produzenten, Güter herzustellen, für die am meisten Bedarf besteht. Sie motivieren Arbeitnehmer, Arbeitsplätze anzunehmen, bei denen sie im Vergleich zum Wert ihrer Leistung am produktivsten sind. Und sie ermutigen zu harter Arbeit und Risikobereitschaft.
Wenn die Märkte demgegenüber weniger frei sind, d.h. wenn sie gezwungen werden, sich nach staatlichen Vorgaben und nicht nach ökonomischen Gesetzen zu richten:
- werden Kapital und Ressourcen dorthin gelenkt, wo sie nicht am produktivsten sind;
- Produzenten werden nicht die Produkte und Dienste erbringen, für die am meisten Bedarf besteht. Sie werden stattdessen ein Angebot erzeugen, von dem die Regierung meint, dass die Leute es haben sollten;
- Arbeitnehmern wird eine Arbeit zugewiesen, bei der sie weniger produzieren, als sie es sonst könnten; und
- harte Arbeit und Risiko werden nicht mehr so häufig in Kauf genommen. Dies, zumal die Belohnung dafür geringer ist und in manchen Fällen an Personen transferiert wird, die sich die Belohnung nicht erarbeitet haben oder das Risiko dafür nicht auf sich genommen haben, es aber nach Ansicht der Regierung verdient haben.
Anreize und freie Märkte sind für eine gut funktionierende Wirtschaft unverzichtbar. Zugleich bedeuten sie aber zwangsläufig, dass es einigen Teilnehmern der Wirtschaft besser ergeht als anderen. Man kann das Eine nicht ohne das Andere haben.
China
An dieser Stelle könnten Sie sich fragen: «Aber was ist mit China? Die chinesische Wirtschaft funktioniert nicht frei nach den Gesetzen der Ökonomie, und dennoch läuft es gut.» Wir denken bei China an ein «kommunistisches Land», in dem es von Staatsbetrieben wimmelt, mit Industriepolitik und mit Fünfjahresplänen. Und doch ist Chinas Bruttoinlandprodukt in den letzten 45 Jahren jährlich um fast 9% gewachsen. 2010 stieg das Land zur zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt auf. Wie kann das sein?
Wie sich herausstellt, ist ein Grossteil von Chinas wirtschaftlichem Erfolg auf einen dynamischen Privatsektor zurückzuführen. Ich reise seit fast zwanzig Jahren regelmässig nach China, wobei es mir vor allem während meiner ersten Besuche schwerfiel, die Logik zu verstehen, die eine Koexistenz von kollektiver Ideologie und Privatwirtschaft ermöglicht – sicherlich eine Kombination von zwei «seltsamen Bettgenossen». Ein Aufenthalt in der Stadt Xiamen Anfang September anlässlich der China International Fair for Investment & Trade erinnerte mich an dieses Paradox. Doch wie auch immer man es sich erklären will: Tatsache ist, dass Chinas Wirtschaft stark vom dynamischen Privatsektor abhängt. Im Sommer 2022 verwendete Edward Cunningham von der Harvard Kennedy School eine häufig verwendete Formulierung, um diesen Sachverhalt zu beschreiben:
Chinas Privatsektor wird oft mit einer Kombination aus vier Zahlen zusammengefasst: 60/70/80/90. Privatunternehmen tragen 60% zum chinesischen BIP bei, 70% zur Innovationskraft, 80% zur Beschäftigung in den Städten und 90% zu neuen Arbeitsplätzen.
Die Regierung anerkennt dies auch. Am 13. März 2023 berichtete «CNN» über eine Staatserklärung des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang:
«Im vergangenen Jahr gab es eine Zeit lang einige inkorrekte Diskussionen und Kommentare in der Gesellschaft, die manche Privatunternehmer beunruhigt haben», sagte Li am Montag. «Im Rahmen eines Neubeginns werden wir ein marktorientiertes, rechtlich abgesichertes und international ausgerichtetes Geschäftsumfeld schaffen, Unternehmen aller Eigentumsverhältnisse gleichbehandeln, die Eigentumsrechte von Unternehmen sowie die Rechte und Interessen von Unternehmern schützen.»
Dies ist zweifellos ein Triumph des Pragmatismus über ideologischen Purismus. Es ist ein deutliches Beispiel für eine Anpassung an die wirtschaftliche Realität anstelle des Versuches, sie ausser Kraft zu setzen.
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Meinen ersten Schritt zum Verständnis der Funktionsweise verschiedener Wirtschaftssysteme machte ich als Schüler in der Mittelstufe in den späten Fünfzigerjahren, als ich George Orwells «Farm der Tiere» las. Orwell verfasste das Buch 1945 als wenig verhüllte Kritik an Russland und am Kommunismus/Sozialismus. Aus diesem Buch lernte ich das meiste, was ich über freie Märkte und Kommandowirtschaft wissen musste. Wenn Sie es nicht gelesen haben oder es schon so lange her ist, dass Sie sich nicht mehr an den Inhalt erinnern können, empfehle ich Ihnen die Lektüre.
In der Allegorie der «Farm der Tiere» haben die Tiere die Leitung des Bauernhofs übernommen. Die wichtigste Lektion liegt für mich im Leitspruch, den sie an die Stallwand gepinselt haben und der Karl Marx entlehnt ist: «Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.»
Was für eine idealistische Botschaft! Es wäre grossartig, wenn jeder so viel produzieren würde, wie er kann, wobei die leistungsfähigeren Mitglieder der Gesellschaft mehr produzieren würden. Und es wäre grossartig, wenn jeder erhalten würde, was er benötigt, wobei die Bedürftigeren mehr bekämen. Doch die Tiere auf dem Bauernhof lernten bald: Wenn jeder Arbeiter nur das erhält, was er braucht, gibt es keinen Anreiz für die leistungsfähigeren Arbeiter, sich zusätzlich anzustrengen, um einen Überschuss zu produzieren, mit dem der Bedarf der weniger leistungsfähigen befriedigt werden kann. Die grosse Herausforderung besteht selbstredend darin, die richtige Balance zu finden: den Erfolgreichen genug in Form von Steuern abzuziehen, um Dienstleistungen, staatliche Programme und Vermögenstransfers zu finanzieren, ohne ihren Anreiz zur Arbeit zu mindern oder sie dazu zu ermutigen, in Tiefsteuerländer abzuwandern.
Was ich oben erläutert habe, sind die wirtschaftlichen Tatsachen des Lebens, und manche ihrer Folgen mögen weniger als ideal sein. Es sind jedoch nicht die Wünsche von Idealisten, die über die Wirtschaft bestimmen, sondern diese Realitäten. An erster Stelle stehen die Macht der Anreize und der Effekt von Angebot und Nachfrage. Die Regeln müssen respektiert werden; man kann sie nicht ignorieren, wegwünschen oder ohne Konsequenzen ausser Kraft setzen.
Wer glaubt, es sei besser, in einer zentralen Planwirtschaft zu leben, die gleichmässig verteilte Erträge gegenüber freien Märkten bevorzugt, hat sich nicht mit der Geschichte befasst (oder «Farm der Tiere» gelesen). In der Theorie mag es gut klingen, aber es hat noch nie funktioniert. Die Gesetze der Wirtschaft werden sich letztendlich immer durchsetzen. Staaten können sie respektieren und die damit verbundenen Vorteile nutzen. Oder sie können versuchen, gegen sie zu verstossen, und den Preis dafür in Form einer mangelnden Performance zu zahlen. In der Welt der Politik mag es unbegrenzte Vorteile und etwas für jeden geben. In der Wirtschaft aber gibt es nur Kompromisse.
Bei diesem Gastbeitrag handelt es ich um eine Übersetzung des jüngsten Memos von Howard Marks. Die englische Originalfassung sowie ein dazugehöriger Podcast sind unter diesem Link auf der Website von Oaktree Capital abrufbar.
Howard Marks