Alle trägen ständig Schwarz. An einer Schule in Texas sollte allzu dunkle Kleidung deshalb verboten werden. Denn Schwarz steht für Schwermut – aber es ist auch geheimnisvoll und elegant.
Wer Teenager zu Hause hat oder sich gelegentlich zum Ausgehen trifft, sieht ziemlich viel schwarz. Sehr schwarz. Oft von Kopf bis Fuss. Als gäbe es keine anderen Farben auf dieser Welt, wobei die Schlaumeier unter uns jetzt natürlich aufschreien: «Schwarz ist gar keine richtige Farbe!» Richtig. Schwarz ist viel mehr als das.
Wie wäre es sonst zu erklären, dass bei den gerade zu Ende gegangenen Modeschauen – für nächstes Frühjahr wohlgemerkt – wieder einmal kaum ein Ton präsenter war? Bei Dior: fast nur Schwarz, bei Rick Owens und Yamamoto sowieso, aber auch bei Courrèges, Dolce & Gabbana oder Bally geht es unbunt zu. Das passt zu den Zahlen, die der Schweizer Online-Retailer Galaxus im Mai veröffentlichte. Bei den unter 30-Jährigen seien sechs von zehn gekauften Kleidungsstücken schwarz, das entspreche einer Steigerung von 30 bis 40 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Im Frühjahr 2024 lag der Anteil insgesamt bei 43 Prozent. Heisst: Von 100 Kleidungsstücken, die online gekauft wurden, waren 45 schwarz.
In einer Mittelschule in El Paso, Texas, wurde deshalb kürzlich versucht, «all black», Schwarz von Kopf bis Fuss, zu verbieten. Weil Schüler und Schülerinnen damit nicht den Eindruck von «glücklichen Kindern» machten, die gerne lernten, sondern Dunkles eher mit «Depressionen, psychischen Krankheiten und Kriminalität» assoziiert werde. Ob all die Menschen, die mit schwarzen Autos durch die Gegend fahren, ebenfalls zu ihrer eigenen Sicherheit zum Umlackieren bewegt werden sollten? Der Antrag schlug solche Wellen, dass er schnell wieder aufgegeben wurde.
Schwarz kam nie aus der Mode
Warum zieht Schwarz uns so an? Karl Lagerfeld trug fast nie etwas anderes, auch Rei Kawakubo von Comme des Garçons sieht man nie in Farben, der Atlético-Madrid-Trainer Diego Simeone zieht zum schwarzen Anzug immer noch ein schwarzes Hemd und eine schwarze Krawatte an. Die einfache Antwort lautet: Es ist praktisch. Man sieht nicht jeden Fleck darauf. Es steht jedem und lässt sich einfach kombinieren, am besten mit Weiss oder gleich mit noch mehr Schwarz. Im Gegensatz zu Senffarben oder Fuchsia feiert es nie ein Comeback, weil es gar nicht erst aus der Mode verschwindet. Nachhaltig ist es also auch noch.
Spätestens seit dem kleinen Schwarzen gilt Schwarz ausserdem als «todschick», also elegant, weshalb nachts nicht mehr nur alle Katzen schwarz sind, sondern auch sehr viele Menschen bei Abendveranstaltungen dunkle Sachen tragen.
Schon in Tolstois Roman «Anna Karenina» hatte die Heldin auf dem Ball, auf dem Graf Wronski ihr verfiel, ein schwarzes Kleid an. Ihre junge Verwandte Kitty dagegen, selbst in den Mann verliebt, erschien in blassem Pink – und wartete vergeblich auf seinen Heiratsantrag. Ein sehr dämlicher, aber wahrscheinlich effektiver Werbespruch des New Yorker Kaufhauses Neiman Marcus lautete einmal: «Frauen, die Schwarz tragen, führen ein farbenfrohes Leben.»
Darüber hinaus wurde Schwarz im Laufe der Geschichte mit allerlei Bedeutung aufgeladen. Trauer, Enthaltsamkeit, Satanismus. Im Kino läuft gerade «Beetlejuice Beetlejuice», und die Geisterseherin Winona Ryder trägt darin nichts anderes als Gothic-Montur, allenfalls sind die Lippen noch rot. Dunkle Mächte gleich dunkle Sachen. Deshalb gilt Schwarz traditionell auch als besonders geheimnisvoll.
Jungs im schwarzen Jogginganzug
Das funktioniert in der Theorie allerdings besser als in der Realität, zumindest wenn man sich die Horden von Jugendlichen in schwarzen Jogginganzügen mit dem Aufdruck einer grossen Sport- oder Designermarke in den Fussgängerzonen anschaut. Mysteriös ist hier allenfalls, warum das Zeug ohne nennenswertes Design trotzdem dreistellige Beträge kostet. Und besonders freundlich oder streberhaft sieht der Look nicht aus. Trotzdem sind die meisten Träger weder depressiv noch kriminell, sondern folgen dem allgemeinen Gruppenzwang, während Gangster vor allem aus praktischen Gründen kein Zitronengelb bei der Arbeit tragen.
Dass Schwarz in den letzten Jahren womöglich noch präsenter gewesen ist, als es ohnehin schon war, könnte an unserer gegenwärtigen Weltlage liegen – welche auch in der Mode wie für sonst vieles als Erklärung herhalten muss. Man wählt Schwarz nicht wegen der finsteren Stimmung und der düsteren Aussichten, sondern weil das Leben für viele Menschen immer komplexer wird und Schwarz so unbunt wie unkompliziert ist. Man kann damit viel richtig, aber wenig falsch machen.
Knallorange fällt sofort auf, Giftgrün war diesen Sommer plötzlich «brat», also görenhaft, Pink ist entweder Barbie oder woke. Schwarz dagegen kann mittlerweile alles und nichts sein, man eckt damit nirgendwo an, abgesehen von Taufen in konservativen Kreisen vielleicht.