Der Kanzlerkandidat der Union muss im Bundestagswahlkampf mehr weibliche Unterstützung gewinnen. Daran haperte es bisher. Die Partei will das nun ändern.
Friedrich Merz hat ein Problem, das seine einstige Rivalin Angela Merkel nicht hatte: Frauen wählen den CDU-Chef eher nicht. Während die ehemalige Kanzlerin über alle Altersgruppen hinweg hohe Zustimmungswerte bei Wählerinnen erzielte, schneidet Merz insbesondere bei jungen Frauen schlecht ab. Laut einer Forsa-Umfrage würden nur 9 Prozent der Frauen im Alter von 18 bis 29 Jahren dem 68-Jährigen ihre Stimme geben.
Das Problem ist sowohl dem Parteichef als auch seinen innerparteilichen und externen Gegenspielern bewusst. Der Zeitschrift «Bunte» sagte Merz im vergangenen Jahr: «Ohne die Frauen gewinnen wir keine Wahl mehr.» Was er meint, ist: Frauen sind eine wichtige Wählergruppe, sie können ihm zur Kanzlerschaft verhelfen – oder diese verhindern.
Um ihr Ziel zu erreichen, setzen Merz und sein Team aber nicht auf eine Imagekorrektur des konservativen Sauerländers, um seine Beliebtheitswerte zu steigern. Stattdessen verfolgen sie eine andere Strategie. Die Parteiführung möchte die CDU insgesamt weiblicher machen, von der Bundes- bis zur Kommunalebene.
Merz verteidigt Einführung der Frauenquote
Die Einführung der Frauenquote auf dem Parteitag 2022 verteidigt Merz deshalb mit Klauen und Zähnen. Die Quote soll sicherstellen, dass Frauen bei der Vergabe von Parteiämtern berücksichtigt und gegebenenfalls bevorzugt werden. Nur rund ein Viertel der CDU-Bundestagsabgeordneten sind Frauen, bei den Parteimitgliedern sieht es ähnlich aus.
Das ist allerdings kein Merz-induziertes Problem. Der Anteil weiblicher Mitglieder bei der CDU/CSU hat sich seit den 1990er Jahren kaum erhöht. Auch die SPD kam im vergangenen Jahr auf einen Anteil von gut 30 Prozent. Seit 1949 ist der Anteil an weiblichen Abgeordneten kontinuierlich gestiegen, mittlerweile liegt er bei gut einem Drittel.
Wer sich am Donnerstagabend im Konrad-Adenauer-Haus, der Bundesgeschäftsstelle der CDU in Berlin, aufhielt, bekam ohnehin nicht den Eindruck, dass Merz ein Frauenproblem hätte. Dort hatten sich CDU-Politikerinnen und Parteimitglieder aus ganz Deutschland zur zweiten Jahresveranstaltung des «Netzwerkes der Kommunalpolitikerinnen» eingefunden.
CDU-Mitglied kritisiert «halbgare Frauenstrategie»
Nachdem Merz seine Begrüssungsrede gehalten hatte, reihten sich die Anwesenden eifrig in eine lange Schlange ein – für ein Foto mit dem Parteivorsitzenden. Fragte man bei den Anwesen nach, hörte man fast nur Positives. «Ich mag ihn schon seit über 20 Jahren», sagte eine freudestrahlende Frau um die 60 Jahre aus Nordrhein-Westfalen, nachdem sie ein Foto ergattert hatte.
Doch ob die «halbgare Frauenstrategie», wie ein prominentes Parteimitglied sie abfällig nennt, aufgeht, bleibt fraglich. «Ich glaube, das bringt ihm nichts», sagte eine Christlichdemokratin der NZZ. Stattdessen solle Merz seinen «Stiefel durchziehen» und so sein, wie weibliche Mitglieder ihn in persönlichen Gesprächen erlebten: nahbar und humorvoll.
Exemplarisch für diese unterschiedliche Bewertung von innen und von aussen steht ein Gesprächsschnipsel, das kürzlich in den sozialen Netzwerken kursierte. Im Interview mit der «Bild» wurde Merz gefragt, ob er, wie die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, in ein Taxi gestiegen wäre, dessen Fahrer ein Palästinensertuch trägt. Von der Grünen-Chefin, die inzwischen ihren Rückzug angekündigt hat, kursierte ein dementsprechendes Foto im Netz. Merz antwortete: «Als Mann wahrscheinlich ja, als Frau wahrscheinlich nein.»
Auf Nachfrage erklärte Merz, dass dies daran liege, dass er «als Mann ein anderes Selbstbewusstsein habe, aber vielleicht auch einen anderen Respekt in Anspruch nehmen kann. Die Art und Weise, wie Frauen hier von Taxifahrern behandelt werden, ist inakzeptabel.»
Grünen-Politikerin betont gutes Verhältnis zu Merz
Die Reaktionen im Netz waren von Häme geprägt; einige urteilten, Merz habe sich erneut als reaktionärer Chauvinist zu erkennen gegeben, der Frauen als das schwache Geschlecht betrachte. In CDU-Kreisen heisst es dazu, er habe sich zwar «unklug» ausgedrückt, aber dass Frauen nun einmal andere Erfahrungen im öffentlichen Leben machten, sei nicht von der Hand zu weisen.
Lang reagierte auf ihrem X-Account: «Lieber Friedrich Merz, keine Sorge, ich habe das notwendige Selbstbewusstsein, um in ein Taxi zu steigen. Und auch wenn es Sie überraschen mag: Frauen können sich ganz gut Respekt verschaffen. Willkommen im 21. Jahrhundert!»
Doch in einer ARD-Dokumentation, in der die Grünenpolitikerin auf den CDU-Chef angesprochen wurde, betonte sie, dass ihr Verhältnis von Respekt geprägt sei. Sie hatte nie das Gefühl, dass ihr Alter oder Geschlecht eine Rolle gespielt hätten, wenn sie mit ihm sprach. Zudem würde ich sagen, dass er im Vergleich zu Markus Söder Werte vertritt, zu denen er steht.» Der CSU-Chef Söder würde seine «Oma verkaufen», wenn es ihm politisch nützen würde, scherzt Lang. Solche Bedenken scheint sie bei Merz nicht zu haben.