Aktionäre von Schweiter Technologies hatten in den letzten Jahren wenig zu lachen. Doch kürzlich konnte der Schweizer Spezialist für Verbundwerkstoffe am Kapitalmarkttag Analysten und Investoren überzeugen. Warum die Trendwende bevorstehen könnte.
Manchmal sagt ein Chart mehr als tausend Worte. Blickt man auf die Aktienkursentwicklung von Schweiter Technologies, zeigt sich ein desaströses Bild. Seit dem Allzeithoch vom Frühjahr 2021 haben die Titel rund drei Viertel ihres Werts verloren. Das ist der grösste Drawdown seit Beginn der 2000er-Jahre – damals war der heutige Spezialist für Verbundwerkstoffe noch ein Industrieunternehmen, das sich primär auf den Maschinenbau und mechanische Technologien konzentrierte.
Obwohl das nicht gerade High-Tech klingt, war Schweiter damals eines von vielen Opfern der Dotcom-Blase.
Der starke Kursverlust der letzten Jahre liegt nicht nur in der derzeitigen operativen Schwäche begründet, sondern auch in der übertriebenen Euphorie über das florierende Geschäft während der Coronakrise. Das auf Leichtbauwerkstoffe und Displayprodukte spezialisierte Unternehmen hat während der Pandemie davon profitiert, dass Restaurants und andere Geschäfte wegen Hygienevorschriften plötzlich massenweise Trennwände und Schutzschilder aufstellen mussten. Diese bestehen in der Regel aus transparenten Materialien wie Acrylglas – ein Kerngeschäft von Schweiter.
Probleme bei Schweiter häuften sich
Auch dass viele Detailhändler während der Pandemie ihre Informations- und Werbematerialien anpassen mussten – etwa, um die Kunden über Abstandsregeln zu informieren –, erhöhte die Nachfrage nach Schweiters Materialien für Displaysysteme. Heute ist Pandemie längst vorbei, der Kater bei den Aktien ist jedoch immer noch zu spüren. Immerhin: Seit einigen Monaten scheint der Abwärtsdruck nachzulassen, mit gutem Willen lässt sich sogar eine vorsichtige Bodenbildung beobachten.
«In den letzten beiden Jahren haben die Analysten – nicht zu Unrecht – aus Schweiter einen Bear Case gemacht und die langfristigen Schätzungen schrittweise nach unten korrigiert», sagen Manuel Bottinelli und Adrian Lechthaler von der Vermögensverwaltungsboutique Peter J. Lehner & Partner AG – sie haben zuletzt ihre Position in den Aktien von Schweiter nun jedoch ausgebaut. Das Problem neben der Normalisierung des Corona-Sondereffekts: Während der Krise offenbarten sich operative Schwächen, die in den guten Zeiten einfacher verkraftbar waren.
«Das Beschaffungsmanagement war lange Zeit zu wenig stringent. Die Prozesse wurden zu wenig an die veränderte Grösse des Unternehmens und dem Marktumfeld angepasst», sagen die Portfoliomanager. Ein Punkt, den auch die Helvetische Bank in einer jüngsten Notiz unterstreicht. Die Materialkosten von Schweiter machen 50 bis 55% des Umsatzes aus. «Diese wichtige Thematik scheint uns in der Vergangenheit zu wenig Beachtung gefunden zu haben.»
Es gibt Grund zur Hoffnung
Die gute Nachricht: Es gibt berechtigte Hoffnung auf Besserung. Vor knapp drei Wochen fand im süddeutschen Singen der erste Kapitalmarkttag von Schweiter seit fünfzehn Jahren statt. Teilnehmende berichten von einem äusserst professionell durchgeführten Anlass. Aber auch inhaltlich konnten die Ziele und die Vision des relativ neuen Managements um CEO Roman Sonderegger (seit Oktober 2022 im Amt) und CFO Urs Scheidegger (seit Oktober 2023) überzeugen.
Erstmals kommuniziert das Unternehmen konkrete Mittelfristziele. So will es über die Zyklen schneller als seine Kernmärkte wachsen, deren Wachstum das Management auf 1 bis 2% pro Jahr schätzt. Erreicht werden soll dies sowohl über Marktanteilsgewinne als auch über kleinere Akquisitionen.
Hinsichtlich der Profitabilität soll sich die Ebit-Marge in schlechten Zeiten künftig auf mindestens 7% belaufen, in guten Phasen sollen 9% möglich sein. Zum Vergleich: 2023 und auch in der ersten Hälfte des laufenden Jahres beliefen sich die Margen auf weniger als 5%, der Analystenkonsens geht für 2026 von 6,3% aus.
Um das Margenziel zu erreichen, setzt Schweiter auf verschiedene Profitabilitätstreiber. So soll das bereits laufende «Accelerate-Programm» das Beschaffungswesen effizienter machen, u.a. durch eine Reduktion der Personalkosten. Zudem soll neben einem verbesserten Produktmix und höheren Skalenerträgen auch die Optimierung der Lieferantenkette die Ertragskraft steigern.
Vier Treiber für die Margenerholung
Darüber hinaus will das Unternehmen eine Kapitalrendite (Return on Invested Capital, ROIC) zwischen 11 und 13% erzielen. Neben einem steigenden Gewinn sollen ein tieferes Netto-Umlaufvermögen sowie künftig sinkende Kapitalinvestitionen dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Zuletzt haben Investitionen, die u.a. durch das «Accelerate-Programm» entstanden sind, die Kapitalrendite belastet. 2022 ist sie sogar ins Negative gefallen.
Ziele nicht überambitioniert
Lechthaler und Bottinelli von Peter J. Lehner & Partner weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Ziele in ihren Augen alles andere als überambitioniert sind. «Die Vorgaben sind absolut realistisch und gut zu erreichen». Ein Punkt, den auch Marc Possa, CEO der VV Vermögensverwaltung, betont. Für ihn könnten die Ziele sogar ambitionierter sein. «Dass das Management nach der negativen Entwicklung in den letzten Jahren lieber vorsichtige Ziele formuliert, ist aber verständlich und wohl auch sinnvoll», sagt der Fondsmanager, der die Aktien auf dem gegenwärtigen Niveau attraktiv findet.
Ein wichtiger Grund für die Zuversicht von Lechthaler und Bottinelli ist die Tatsache, dass es Schweiter selbst in der Hand habe, die operative Leistung zu verbessern und damit Mehrwert für Aktionäre zu schaffen. «Wichtig ist für uns, dass die Mittelfristziele aus eigener Kraft und damit ohne konjunkturelle Belebung erreichbar sind.» Der Investment Case ergibt sich also in erster Linie aus einer Verbesserung der operativen Leistung, was die Aktien selbst vor dem Hintergrund einer unsicheren Konjunkturlage interessant macht.
Für die Portfoliomanager ist eine etwaige Markterholung keine notwendige Bedingung für den Turnaround der Aktien, sondern wäre vielmehr ein zusätzlicher Treiber für die Aktien. Und auch in dieser Hinsicht sind sie zumindest vorsichtig optimistisch. «Die Verschärfung des Marktumfelds nach der Coronakrise hat sich entspannt. Die für Schweiter bedeutende Materialquote vom Umsatz, die sich zuletzt zwischen 50-55% bewegte, entwickelt sich wieder vorteilhafter und ist nicht mehr exorbitant hoch.»
Bewertung niedrig, aber…
Auch die Bewertung spricht grundsätzlich für einen Einstieg in die Aktien von Schweiter. Das vorausschauende Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 15 – auf Basis der geschätzten Gewinne der nächsten zwölf Monate – befindet sich klar unter dem langjährigen Schnitt von 20.
Zudem handeln die Titel unter ihrem Buchwert (0,8). Das spiegelt natürlich immer auch die negative Markterwartungen wider, zeigt aber auch: Teuer sind die Aktien nicht mehr.
Dennoch warnt die Helvetische Bank davor, auf eine Bewertungsexpansion zu setzen. «Dafür sind die angestrebten ROIC-Ziele von 9 bis 11% einfach nicht hoch genug – und die Kapitalintensität zu hoch.» Dennoch sehen die Analysten in den Aktien aufgrund der operativen Verbesserungsmöglichkeiten und ihres positiven Eindrucks am Kapitalmarkttag ein «interessantes mittelfristiges Kurspotenzial – auch ohne Bewertungsexpansion.»
Auch Bottinelli und Lechthaler rechnen mit keiner signifikanten Steigerung der Bewertung. «Neben der überschaubaren Kapitalrendite spricht das eher niedrige Wachstumspotenzial in den Endmärkten dagegen.» Dennoch sind die Portfoliomanager überzeugt, mit ihrer Schweiter-Position mittelfristig eine Überrendite erzielen zu können. «Wenn die am Kapitalmarkttag verkündeten Massnahmen erfolgreich implementiert werden, dürften sich die Aktien auf Sicht von drei Jahren besser als der breite Schweizer Markt entwickeln.»
Grossaktionär steigt aus
Auch aus Sicht von The Market könnte es sich mit einer mittel- bis langfristigen Perspektive lohnen, erste Positionen in Schweiter aufzubauen. Schweiter verfügt über ein grundsolides Geschäft, und die Titel sind mittlerweile zu stark abgestraft. Auch das neue Management um CEO Sonderegger konnte zuletzt mit dem Strategie-Update anhand konkreter Ziele glaubhaft darlegen, warum nicht nur das Wachstum, sondern auch (und vor allem) die Profitabilität des Unternehmens wieder steigen dürfte.
Zudem spricht die Bilanz mit einer Eigenkapitalquote von 66% und einer Verschuldungsquote (Ebitda/Nettoschulden) von 0,2 für eine hohe finanzielle Solidität von Schweiter. Das spiegelt sich auch in einer attraktiven Dividendenrendite (3,7%) wieder. Sonderegger stellte im Rahmen des Kapitalmarkttags eine «aktionärsfreundliche» Dividendenpolitik in Aussicht, ohne jedoch konkret zu werden.
Kurzfristig bleiben allerdings die Aktienverkäufe des Fondshauses 1832 Asset Management ein Belastungsfaktor. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich der kanadische Grossaktionär seiner Anteile entledigen möchte. Derzeit hält er noch knapp 5%. Nach Informationen von The Market scheiterte zuletzt ein Blockhandel mit interessierten Investoren an zu hohen Preisvorstellungen. Die Kanadier werden ihre restlichen Anteile in den nächsten Wochen also am Markt platzieren. Das könnte die Aktien kurzfristig belasten – und damit eine Gelegenheit für erste Engagements eröffnen.