Der S&P 500 hat seit Anfang Jahr mehr als 22% zugelegt. Der US-Aktienmarkt ist damit auf Kurs, sein bestes Wahljahr seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu erreichen. Nur 1980 schnitt bislang besser ab.
Amerika ist tief gespalten. In weniger als drei Wochen, am 5. November, werden die Bürgerinnen und Bürger der USA zu den Wahlurnen gerufen. Sie bestimmen, wer am 20. Januar 2025 ins Weisse Haus einziehen und welche Partei die beiden Kongresskammern beherrschen soll.
Donald Trump, der die Republikanische Partei fest im Griff hat, gibt sich in seinen Äusserungen im Wahlkampf wie gewohnt erratisch und droht je nach Laune mit einer Eskalation des Handelskrieges gegen China oder mit Importzöllen von bis zu 200% auf Autos aus Mexiko.
Kamala Harris, die amtierende Vizepräsidentin, erwähnt in ihrem wirtschaftspolitischen Programm derweil unter anderem eine Erhöhung der Unternehmensgewinnsteuern von 21% auf 28% und liebäugelt mit Preiskontrollen, um die Inflation zu bändigen.
Beides, Handelskrieg und höhere Steuern, entspricht nicht gerade dem, was sich Wallstreet aus Washington wünschen würde. Was die beiden Kandidaten überdies gemeinsam haben: Weder Trump noch Harris verlieren im Wahlkampf auch nur ein Wort darüber, wieder eine vernünftige Fiskalpolitik einzuführen. Das Haushaltsdefizit beläuft sich gegenwärtig trotz einer boomenden Wirtschaft und einer historisch betrachtet geringen Arbeitslosenquote auf mehr als 6% der Wirtschaftsleistung. Tendenz steigend.
Wallstreet ist das Wahlkampftheater egal
Wie geht der Aktienmarkt damit um?
Dem ist der Wahlkampf ebenso egal wie der Zustand der Staatsfinanzen oder der Krieg im Namen Osten. Das zumindest lässt der Blick auf die Avancen des S&P 500 vermuten.
Seit Beginn des Jahres hat der amerikanische Leitindex 22,5% gewonnen (rote Kurve in untenstehender Grafik). Wie der Blick in die Historie zeigt, ist das deutlich mehr als die «typische» Performance des US-Aktienmarktes in einem Wahljahr. In den bisher 19 Wahljahren seit Ende des Zweiten Weltkrieges – 1948, 1952, 1956 und so weiter bis 2020 – hat der S&P 500 im Durchschnitt 6,7% zugelegt (blau):
Der Durchschnitt hat allerdings nur eine bedingte Aussagekraft, denn die Unterschiede sind von Wahljahr zu Wahljahr erheblich. Doch auch beim Blick auf die einzelnen der 19 vergangenen Wahljahre zeigt sich, wie abnormal gut 2024 bislang abschneidet. Die blauen Kurven in der folgenden Grafik zeigen die Performance des S&P 500 in jedem der 19 Wahljahre von 1948 bis 2020 (sie lassen sich mit dem Mauszeiger einzeln identifizieren):
Das beste Wahljahr der Nachkriegszeit war bisher 1980, als Ronald Reagan den glücklosen Amtsinhaber Jimmy Carter aus dem Weissen Haus bugsierte. Dem S&P 500 gelang damals eine Avance von 28,4%.
Das mit Abstand schlechteste Wahljahr war 2008 (–37,6%), als ab September mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers die Finanzkrise eskalierte und der Demokrat Barack Obama im November mit seinem «Hope»-Programm gegen John McCain gewann.
2024 (rote Kurve) ist gegenwärtig auf Kurs, das bisherige Rekordjahr 1980 zu egalisieren oder sogar zu schlagen.
Parallelen und Unterschiede zwischen 2024 und 1980
Auf den ersten Blick zeigen 2024 und 1980 durchaus einige Gemeinsamkeiten. Die US-Notenbank – damals unter Paul Volcker, heute unter Jerome Powell – musste einen hartnäckigen Inflationsschub bekämpfen, die Krise der Lebenshaltungskosten war ein dominierendes Thema im Wahlkampf. Der Kandidat der Republikanischen Partei versprach, Amerika aus der Misere zu führen und wieder gross zu machen. Die Bevölkerung des Landes war tief gespalten. Und im Nahen Osten herrschte nach der Revolution in Iran unter Ayatollah Khomeini Krisenstimmung.
Doch damit enden die Gemeinsamkeiten. Als Reagan Anfang 1981 ins Weisse Haus einzog, lagen die Staatsschulden der USA auf 31% des BIP. Heute sind es mehr als 100%. Nach einer mehrjährigen, zähen Baisse war der Aktienmarkt damals historisch günstig bewertet; das zyklisch adjustierte Kurs-Gewinn-Verhältnis (Shiller P/E) des S&P 500 lag Ende 1980 auf wenig mehr als 8. Heute liegt es auf über 36.
Eine Gemeinsamkeit vieler Wahljahre ist, dass der S&P 500 im November und Dezember zu einer Jahresendrally ansetzt. Die historische Ausnahme zu diesem Muster bildet das Jahr 2000, als das Rennen zwischen George W. Bush und Al Gore nach dem Urnengang in einen fast sechswöchigen Rechtsstreit mündete, der erst endete, als Gore am 13. Dezember 2000 seine Niederlage eingestand. In den sechs Wochen politischer Ungewissheit verlor der S&P 500 etwas mehr als 6%.
Sollte nach den Wahlen vom 5. November also rasch und zweifelsfrei feststehen, wer gewonnen hat, stehen die Chancen für eine Jahresendrally gut.
Wie es danach weitergeht, steht auf einem anderen Blatt. 1981, im ersten Amtsjahr von Ronald Reagan, verlor der S&P 500 übrigens 9,7%. Wenn das bloss kein schlechtes Omen ist.