Vor vier Jahren wurde der Südstaat Georgia zum zentralen Brennpunkt für Trumps Wahllüge. Fragwürdige neue Regeln der Wahlbehörde schürten die Angst vor einer Wiederholung in diesem Jahr. Doch ein Gericht erklärte diese nun für verfassungswidrig.
Nach Donald Trumps Wahlniederlage im November 2020 stand der Gliedstaat Georgia besonders im Rampenlicht. Einerseits war Joe Biden der erste demokratische Präsidentschaftskandidat seit fast dreissig Jahren, der den Südstaat gewinnen konnte. Anderseits sorgte ein aufgezeichnetes Telefonat zwischen Trump und Georgias republikanischem Staatssekretär Brad Raffensperger für grosse Schlagzeilen. Der damalige Präsident forderte den für die Organisation der Wahl zuständigen Politiker auf, ihm die fehlenden 11 780 Stimmen für einen Sieg «zu finden». Raffensperger lehnte ab. Es habe keinen Wahlbetrug gegeben: «Herr Präsident, Ihre Informationen sind falsch.»
Der Anruf war indes nur ein Teil eines umfangreichen Versuchs, das Wahlresultat in mehreren Swing States umzustürzen. Auch in Georgia versuchten Trumps Mitstreiter sogenannte «falsche Wahlmänner» zu rekrutieren, um letztlich die Listen mit den echten Wahlmännern für Biden auszutauschen. Die Bezirksstaatsanwältin in Atlantas Fulton County hat Trump und 18 weitere Personen deshalb angeklagt. Das Verfahren ist ins Stocken geraten, aber es läuft immer noch.
«Fehlgeleitete» Regeln in letzter Minute
Vor allem die Demokraten waren deshalb alarmiert, als die republikanisch kontrollierte Wahlbehörde in Georgia in den vergangenen Wochen und Monaten fragwürdige neue Regeln aufstellte. Unter anderem erhielten die lokalen Wahlbehörden auf Bezirksebene das Recht, eine «angemessene Untersuchung» durchzuführen, bevor sie ein Wahlresultat zertifizieren. Im September entschied die gliedstaatliche Wahlbehörde zudem, dass die Zahl der Wahlzettel auch von Hand nachgeprüft werden sollte. Dieser Wert sollte dann mit der von den Scannern errechneten Zahl verglichen werden.
Bei einem Rally lobte Trump die drei Republikaner in der Wahlbehörde namentlich für die von ihnen durchgesetzten Neuerungen. Umso grösser wurde die Befürchtung, dass loyale Trump-Anhänger in lokalen Wahlbehörden die Zertifizierung der Wahl im November behindern könnten. Auch Raffensperger kritisierte die neuen Regeln als «fehlgeleitet». Sie würden das Vertrauen der Bürger in das Wahlsystem untergraben.
Doch so gross die Angst vor einer parteiischen Wahlbehörde in Georgia war, die Justiz konnte sie am Montag weitgehend ausräumen. Zwei Richter erklärten die Neuerungen in unterschiedlichen Urteilen am Dienstag und am Mittwoch unter anderem für «illegal, verfassungswidrig und ungültig». Der Vorsitzende der Republikanischen Partei in Georgia, Josh McKoon, bezeichnete das zweite Urteil jedoch als «total unsinnig». Seine Partei werde die Entscheidung vor der nächsten Instanz anfechten, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst X.
Während noch über die Regeln gestritten wird, hat die Wahl in Georgia am Dienstag bereits begonnen. An insgesamt 16 Tagen vor dem eigentlichen Wahltag können die Bürger in dem Südstaat ihre Wahlzettel bereits in dafür vorgesehenen Wahllokalen einwerfen. Gemäss den ersten Zahlen könnte es eine rekordhohe Wahlbeteiligung geben. Am ersten Tag seien 328 000 Wahlzettel eingegangen, schrieb Gabriel Sterling, ein leitender Mitarbeiter von Staatssekretär Raffensperger, auf X. «Der bisherige Rekord am ersten Tag lag 2020 bei 136 000 Stimmen.»
Grosser Andrang von Frauen
Gemäss laufend aktualisierten Zahlen des «Atlanta Journal-Constitution» stimmten bis am Donnerstag bereits rund 585 000 Bürger in Georgia ab. Das wären bereits etwa 8 Prozent der aktiven Stimmbevölkerung in Georgia. Interessant dabei ist, dass es sich bei der Mehrheit der frühen Wähler um Frauen (knapp 58 Prozent) handelt. Dies wäre ein gutes Zeichen für die Demokraten. Kamala Harris spricht vor allem mit ihrem Kampf für das Recht auf Abtreibung viele Frauen an. Je mehr Amerikanerinnen an die Urnen gehen, desto wahrscheinlicher dürfte deshalb ein Sieg der Demokraten sein.
In Bezug auf die Parteizugehörigkeit scheint die frühe Wählerschaft in Georgia jedoch ziemlich ausgeglichen zu sein. Gemäss dem Fernsehsender NBC handelte es sich bei diesen Wählern bisher bei 48 Prozent um Demokraten und bei 47 Prozent um Republikaner.
Zaghaft läuft in Georgia bis jetzt indes die Briefwahl. Erst rund 35 000 Wahlzettel sind per Post eingegangen. Der Vorteil scheint hier aber immer noch bei den Demokraten zu liegen. Trump und die Republikaner warnen ihre Wähler zwar nicht mehr inständig davor, auf die Briefwahl zu verzichten, weil sie anfällig für Betrügereien sei. Aber in Georgia haben bisher viel mehr Demokraten briefliche Wahlunterlagen zu sich nach Hause bestellt. So dürfte es sich bei den Briefwählern in Georgia bei 58 Prozent um Demokraten und bei 34 Prozent um Republikaner handeln.
Um Georgia zu gewinnen, muss Harris vor allem die afroamerikanischen Wähler mobilisieren können. Sie stellen rund ein Drittel der gesamten Wählerschaft und stimmen gewöhnlich überwiegend für die Demokraten. Bei den frühen Wählern handelt es sich bis jetzt bei 29 Prozent um Afroamerikaner. Das ist für Harris womöglich nicht ausreichend.
Allerdings wirbt die Demokratin in Georgia auch um die Stimmen moderater Republikaner, die sich besonders nach dem Sturm auf das Capitol von Trump entfremdet haben. Trump bemühte sich in den vergangenen Wochen deshalb um eine Versöhnung mit dem republikanischen Gouverneur Brian Kemp. Wie Raffensperger hatte auch Kemp das Wahlresultat vor vier Jahren zertifiziert und sich damit zu Trumps Feind gemacht. Vor zwei Wochen trafen sie sich erstmals wieder öffentlich, als Trump die vom Hurrikan «Helene» zerstörten Regionen in Georgia besuchte. Kemp hat selbst ein Interesse an der Versöhnung. Mit Blick auf eine mögliche Präsidentschaftskandidatur 2028 wird er auch die Stimmen von Trump-Anhängern brauchen.
In Georgia wird sich deshalb in dieser Wahl besonders zeigen, wie tief die Gräben in der Republikanischen Partei noch immer sind, die Trump vor vier Jahren aufgerissen hat.