Die Gesundheitskommissionen beider Parlamentskammern wollen einen Lohndeckel in der Grundversicherung der Krankenkassen. Es geht um Symbolik.
Die Überbringer der schlechten Nachrichten gelten zuweilen als die Bösen. Im Gesundheitswesen bieten sich die Krankenkassen für diese Rolle an – mit ihren jährlichen Botschaften über Prämienerhöhungen. In Umfragen zu bevorzugten Sparschritten zeigen Bürger gerne auf die Verwaltungskosten der Krankenkassen. In diesem Jahr stiess in drei Umfragen der Gedanke für eine staatliche Monopolkrankenkasse kraft der Hoffnung auf Kostensenkungen mehrheitlich auf Zustimmung. Die Verwaltungskosten der Kassen betragen indes im Mittel nur rund 5 Prozent des Prämienvolumens – und nicht 22 Prozent, wie Befragte in einer anderen Umfrage durchschnittlich schätzten.
Doch die Verwaltungskosten sind Teil der politischen Agenda. Eine besonders beliebte Zielscheibe sind die Cheflöhne. Es kann doch nicht sein, so geht eine gängige These, dass die Chefs von sozialen Krankenversicherungen jährlich eine halbe Million Franken oder noch viel mehr kassieren.
Der Nationalrat hatte 2022 einen Vorstoss angenommen, der in der Grundversicherung der Krankenkassen einen Lohndeckel von 250 000 Franken pro Jahr verlangte. Im Ständerat fiel dieser Vorstoss zwar durch. Doch eine etwas flexiblere parlamentarische Initiative, die den Bundesrat zur Festlegung eines Lohndeckels verpflichten will, fand in den Gesundheitskommissionen beider Parlamentskammern eine Mehrheit.
Ausrichtung auf Bundestabelle
Die Gesundheitskommission des Nationalrats hat nun dank einer Allianz Links-SVP einen Vorschlag zur Umsetzung der Initiative beschlossen. Der Bundesrat soll in der Grundversicherung einen Lohndeckel für Mitglieder der Geschäftsleitungen und der Verwaltungsräte festlegen. Laut der Kommission sind die Höchstbeträge kassenspezifisch auf Basis des Versichertenbestands sowie der durchschnittlichen Gesamtkosten pro Versicherten in der betroffenen Kasse festzulegen. Je grösser und effizienter eine Kasse ist, desto höher darf der Cheflohn sein. Die Höchstbeträge haben sich zudem «an der Lohntabelle der Bundesverwaltung zu orientieren».
Das konkrete Gesetzesprojekt soll im zweiten Quartal 2025 in die Vernehmlassung kommen. Die detaillierte Umsetzung der vorgesehenen Gesetzesänderung wäre dann durch den Bundesrat via Verordnung zu regeln.
Gemäss Vorstellung der Kommission wäre der Maximallohn in der Branche faktisch vorgegeben durch den Maximallohn in der obersten Lohnklasse des Bundespersonals. Ein Krankenkassenchef solle nicht mehr verdienen als ein Staatssekretär, so ist zu hören. Der Bund unterscheidet 38 Lohnklassen. Gemäss der Lohntabelle des Bundes für 2024 reichen die maximalen Bruttobezüge pro Jahr von knapp 66 000 Franken (Lohnklasse 1) bis zu rund 401 000 Franken (Lohnklasse 38).
Im Prinzip schwebt der Kommission eine Art Formel vor, mit der sich für jede einzelne Kasse aufgrund von deren Grösse und deren Effizienz ein Lohndeckel ergibt. Zudem wäre dieser Lohndeckel über die Jahre an die allgemeine Teuerung anzupassen. Die Details dieser Formel wie zum Beispiel die Gewichtung der beiden genannten Kriterien müsste der Bundesrat regeln.
Eines der denkbaren Modelle könnte laut einem Beobachter etwa wie folgt aussehen: Beim Kriterium Versichertenbestand setzt man die grösste Kasse (zurzeit die CSS mit gut 1,5 Millionen Kunden in der Grundversicherung) mit der Bundeslohnklasse 38 gleich, und die anderen Kassen sind entsprechend ihrer Grösse eine oder diverse Lohnklassen tiefer eingestuft. Beim Effizienzkriterium kämen die besten in die oberste Lohnklasse, und danach gäbe es ebenfalls Abstufungen. Ist eine Kasse zum Beispiel nach Grösse in der obersten Lohnklasse 38, aber nach Effizienz in der Klasse 30, wäre bei gleicher Gewichtung der beiden Kriterien die Lohnklasse 34 der Massstab für den Lohndeckel – zurzeit gut 270 000 Franken.
Die pro Kasse betrachteten Gesamtkosten je versicherte Person umfassen vor allem die Kosten für medizinische Leistungen (welche die Versicherer etwa via Rechnungskontrollen beeinflussen können), die Verwaltungskosten sowie Zahlungen betreffend den Risikoausgleich (damit Kassen mit überdurchschnittlich vielen älteren und chronisch kranken Versicherten nicht benachteiligt wären).
Sanitas sticht heraus
Gemessen an der Gesamtvergütung für die Krankenkassenchefs sticht die Sanitas für 2023 wie schon in den Vorjahren mit einer Summe von fast einer Million Franken heraus. Mindestens acht weitere Kassenchefs brachten es ebenfalls auf deutlich über eine halbe Million Franken (vgl. Tabelle).
Ob der vorgeschlagene Lohndeckel die Gesamtvergütung der Kassenchefs reduzieren würde, ist unklar. Denn entscheidend für den Lohndeckel wäre nur jener Teil der Bezüge, welcher der Grundversicherung belastet wird. Bei manchen Grosskassen liegt dieser Anteil zurzeit bei 40 bis 60 Prozent. Mit Ausnahme der Sanitas lagen 2023 alle Kassenchefs in der Grundversicherung deutlich unter 400 000 Franken.
Verlagerung möglich
Bei der Aufteilung der Gesamtbezüge der Chefs auf Grund- und Zusatzversicherung haben die Kassen Spielräume. Doch sie müssen den Behörden plausible Aufteilungskonzepte liefern. Denkbar als Aufteilungsschlüssel ist zum Beispiel eine Mischung aus prozentualen Umsatzanteilen, Anteilen am Versichertenbestand und Anteilen am Arbeitsaufwand der Chefs.
Sollte der vorgeschlagene Lohndeckel bei einer Versicherung «beissen», könnte die betroffene Kasse unter Umständen einfach den Lohnanteil der Zusatzversicherung erhöhen und so faktisch die Grundversicherung subventionieren. Offen ist zudem, inwieweit der Deckel sogar lohnsteigernd wirken könnte – als Magnet für Kassenmanager, die deutlich weniger als das zulässige Maximum verdienen.
Die Prämienzahler würden jedenfalls nichts vom Lohndeckel merken. Selbst wenn zum Beispiel die 200 bestbezahlten Kassenmanager ab sofort gratis arbeiten würden, brächte dies in der Grundversicherung eine Ersparnis von vielleicht 0,1 bis 0,2 Prozent. Doch es geht hier um Symbolik: Politiker wollen dabei gesehen werden, wie sie etwas tun. Für die Krankenkassen könnte ein Lohndeckel vielleicht sogar sein Gutes haben – wenn er als politisches Ventil dient, eine beliebte Angriffsflanke zudeckt und im breiten Publikum die Lust auf eine staatliche Monopolkasse ein bisschen dämpft.