Der Kanton habe nicht sorgfältig genug abgeklärt, wie tief die Verschmutzungen reichten, lautet das Verdikt des Gerichts.
Keine hundert Jahre ist es her, dass Abfälle aus Siedlungen, Gewerbe und Industrie ungefiltert in Gewässer geleitet wurden. So tat das auch die Chemiefabrik, welche einst in Uetikon Schwefelsäure herstellte. Hier wurden Produktionsabfälle gar dazu genutzt, zusätzliches Land aufzuschütten, um mehr Platz für den Betrieb zu gewinnen.
Bis heute schlummern Altlasten aus dieser Zeit auf dem Seegrund vor Uetikon, darunter Schwermetalle und radioaktives Material. Ursprünglich hatte der Kanton vorgesehen, die belasteten Sedimente auf einer Fläche von 77 000 Quadratmetern zu entfernen.
Das Amt für Wasser, Energie und Luft (Awel) war im Rahmen seiner Abklärungen zum Schluss gekommen, dass die verschmutzten Sedimentschichten nicht klar von den unverschmutzten trennbar seien. Darum müssten bis zu sieben Meter des Grunds abgetragen werden.
Nur so sei sicherzustellen, dass sämtliches belastetes Material entfernt und nicht im Zuge der Sanierung freigesetzt werde. Im Uferbereich hätte dadurch aber das Risiko bestanden, dass die Ufermauer destabilisiert und Teile der ebenfalls belasteten landseitigen Aufschüttungen in den See hätten gelangen können.
Die Baudirektion entschied, rund 9800 Kubikmeter des verschmutzten Seegrunds an Ort und Stelle zu belassen. Eine darübergelegte Schicht von 60 000 Tonnen eines Kies-Sand-Gemischs hätte dafür sorgen sollen, dass die giftigen Stoffe auch in Zukunft nicht an die Oberfläche gelangen.
Die Datenbasis sei «offensichtlich zu klein»
Schnell gab es Widerstand gegen diesen Plan. Ein von der Mitte, der SP, den Grünen und der Alternativen Liste getragener Verein, der sich Lobby für Uetikon nennt, sowie elf Privatpersonen gingen gerichtlich gegen das Vorhaben der Baudirektion vor. Sie bezweifeln, dass der Seegrund bis in tiefe Schichten belastet ist, und fordern, dass die verschmutzten Sedimente vollständig entfernt werden.
Nun konnten die Rekurrenten vor Gericht einen Teilerfolg verbuchen.
Das Baurekursgericht kommt in seinem 164-seitigen Urteil von Ende Oktober zum Schluss, dass das Amt für Wasser, Energie und Luft (Awel) nicht genau genug abgeklärt habe, ob es tatsächlich nötig sei, im Uferbereich so tief zu graben, um sämtliche Altlasten zu entfernen.
Das Awel berufe sich in seiner Einschätzung auf die Analyse zweier Stellen. Diese habe ergeben, dass die Belastung des Seegrunds in der Tiefe die definierten Grenzwerte überschreite, ist im Urteil zu lesen. Diese Datenbasis sei «offensichtlich zu klein» für eine entsprechende Schlussfolgerung.
Das Baurekursgericht weist die Baudirektion an, den Sachverhalt nochmals abzuklären. Danach soll sie die für die Sanierung des Seegrunds in Ufernähe zur Verfügung stehenden Varianten nochmals prüfen.
Den Löwenanteil der Verfahrenskosten von total gut 40 000 Franken belastet das Gericht dem Kanton und der Baudirektion.
80 Prozent des verschmutzten Seegrunds entfernt
Markus Pfanner, Sprecher der Baudirektion, sagt auf Anfrage der NZZ, man nehme das «sehr umfassende Urteil» des Baurekursgerichts zur Kenntnis und werde dieses nun genau prüfen. Erst dann könne der Kanton über einen allfälligen Weiterzug an das Verwaltungsgericht entscheiden. Die Baudirektion hat 30 Tage Zeit dafür.
Grundsätzlich sei festzuhalten, dass Menschen und das Trinkwasser durch die Altlasten der Chemiefabrik nicht gefährdet seien. «Das belastete Material liegt seit bis zu 200 Jahren tief im Seegrund.»
Bis Mitte dieses Jahres seien «80 Prozent der belasteten Fläche vor Uetikon im See saniert worden», fährt Pfanner fort. Im Bereich des Ufers hatte sich die Baudirektion indes für eine Aufschüttung entschieden.
Wie sich der Rechtsstreit um die Altlasten im See auf die Pläne auswirke, welche der Kanton für das Chemie-Areal Uetikon habe, lasse sich noch nicht im Detail abschätzen, sagt Pfanner. Sicher verzögere sich die Realisierung eines Teils des öffentlichen Seeuferparks auf unbestimmte Zeit. Ebenso könnte es beim Bau der geplanten Schulgebäude für rund 2000 Schülerinnen und Schüler zu Terminverschiebungen kommen.
Gemäss ursprünglichem Zeitplan sollen auf dem Areal bis 2031 bebaut sein. Der Kanton plant einen Park und eine Kantonsschule, die Gemeinde will zudem fast 200 Wohnungen erstellen.