Eines der auffälligsten Accessoires dieser Saison war das gedruckte Wort. Bei Designern wie Del Core, Bottega Veneta und Stella McCartney wurde Literatur auf Kleidung und Taschen inszeniert.
Matthieu Blazys Kollektion für Bottega Veneta war eine Hommage an die Kindheit: Die Front Row nahm auf niedlichen und sündhaft teuren Sitzsäcken in Tierform Platz. Auf dem Laufsteg sah man Mode, die absichtlich zu gross geraten schien, als ob sie aus dem Kleiderschrank der Eltern stibitzt wurde. Hemden waren falsch geknöpft, Stoffe zerknittert – alles nebensächlich, wenn das nächste Abenteuer ruft.
Ein Accessoire symbolisierte einen der grössten Schlüsselmomente der Kindheit: das Lesenlernen. Blazy zeigte eine überdimensionale Ausgabe des Kinderbuch-Klassikers «Biggest Word Book Ever» von Richard Scarry, kunstvoll in leuchtend rotes Intrecciato-Leder gebunden.
Gedrucktes auf Kleidung oder unter den Arm geklemmt
Die Liebe zum geschriebenen Wort wurde bei Del Core weitererzählt. Das erste Model lief im puristischen All-White-Look mit einer Ausgabe von Mary Shelleys «Frankenstein» über den Laufsteg. Dieser literarische Faden zog sich durch die gesamte Kollektion, begleitet von Werken bedeutender weiblicher Autorinnen wie Virginia Woolfs «Die Fahrt zum Leuchtturm», Jane Austens «Stolz und Vorurteil» und Susan Sontags «Kunst und Antikunst».
Radclyffe Halls queere Romanfiguren aus «Quell der Einsamkeit» inspirierten Erdems Frühling/Sommer-Kollektion 2025. Der 1928 veröffentlichte Roman, der bis in die 1950er Jahre verboten war, gilt als Klassiker der lesbischen Literatur und beeinflusste Designs, die gekonnt mit maskulinen und femininen Elementen spielen. JW Anderson zitierte in seiner Kollektion für Frühling/Sommer 2025 den britischen Kunstkritiker Clive Bell. Passagen aus seinem Essay über Kunst und Design wurden grossflächig auf skulpturalen Minikleidern und dekonstruierten Strickpullovern inszeniert.
Stella McCartney setzte hingegen auf ihr eigenes Druckerzeugnis «The Stella Times», das als Statement-Piece zwischen Handtaschenhenkel geklemmt wurde und markante 1980er-Jahre-Business-Silhouetten abrundete. Die Zeitung enthielt Show Notes, Statistiken und bot zugleich Einblicke in McCartneys nachhaltige Vision.
Designer eröffnen Buchläden
Mode hat schon immer Geschichten erzählt – von der Vergangenheit und Zukunft, von Abenteuern, Philosophien, Fantasien und von der Person, die man in der Kleidung sein könnte. Kein Wunder also, dass Designer seit je Inspiration in der Literatur suchen und finden. Diese Idee ist längst nicht neu, trifft aber nach wie vor den Nerv der Zeit. Yves Saint Laurent war einer der ersten, der literarische Referenzen auf den Laufsteg brachte. 1983 stellte er seine berühmte «Proust Collection» vor, inspiriert von dem französischen Schriftsteller Marcel Proust und der Belle Époque.
Diese Kollektion verband Literatur und Mode auf eine Weise, die stilprägend für die kommenden Jahrzehnte war. In Fortsetzung dieser literarischen Inspiration eröffnete Saint Laurent im vergangenen April einen Buchladen im Herzen von Paris, kuratiert vom Chefdesigner Anthony Vaccarello. Marc Jacobs führt bereits seit 2010 seine Buchboutique «Bookmarc» in New York und teilt noch heute auf Instagram regelmässig seine gegenwärtige Lektüre. Auch Maison Valentino hat sich der Literatur verschrieben: Das Modehaus war Sponsor des diesjährigen International Booker Prize und arbeitete in der Vergangenheit mit Autorinnen wie Leila Mottley, Elif Shafak und Hanya Yanagihara zusammen. Zitate von Yanagiharas Bestseller «Ein wenig Leben» fanden sich sogar auf Valentinos Menswear-Kollektion für Frühling 2024 wieder.
Letzten Sommer verteilte Miu Miu im Rahmen des Engagements «Summer Reads» in mehreren Metropolen weltweit kostenlose Bücher visionärer feministischer Autorinnen wie Sibilla Aleramo und Alba de Céspedes – kuratiert von Miuccia Prada persönlich. Als charmantes Extra gab es gratis Eis am Stiel.
Bücher sind auch visuelle Statements
Im Zeitalter der übermässigen Screentime hat das Buch einen neuen Status erlangt: Es steht für Entschleunigung und bewusste Offline-Momente. Buchklubs boomen weltweit, und die Liste der Celebrity Book Clubs wächst stetig. Stars wie Dua Lipa, Natalie Portman, Kaia Gerber und Reese Witherspoon teilen regelmässig ihre Leseempfehlungen mit ihren Fans und zeigen sich immer wieder mit ihrer Lieblingslektüre. Immer häufiger sichtet man Prominente mit Büchern in der Hand.
Die «Vogue» widmete diesem Phänomen kürzlich einen Artikel, der die Lektüren auf Paparazzi-Fotos von Stars analysierte. Es gibt sogar einen Instagram-Account, der sich ganz den Lesetipps der Promis verschrieben hat: @celebbookrecs sammelt die Bücher, die Stars in Interviews oder auf Social Media empfehlen.
Sehen und gelesen werden: Bücher sind nicht mehr nur inhaltliche, sondern auch visuelle Statements. Lara Violetta, Chefredakteurin von der Print-Publikation «Violet Papers» und Beauty-Influencerin, hat ein cleveres To-Go-Accessoire für Fashion- und Leseliebhaber entworfen: The Paper Bag – ein verstellbarer Fransengurt aus Leder, der Bücher und Magazine stilvoll und sichtbar transportiert, inklusive Lipstick-Case und Schlüsselbund.
Die Verbindung von Mode und Literatur zeigt, was sie eint: Beide fangen den Zeitgeist ein, inspirieren zum Nachdenken, erzählen Geschichten über ihre Träger – und haben das Potenzial, zu Bestsellern zu werden.