Bei der Wahl in Georgien geht es um den zukünftigen Kurs des Landes. Schon vorab war ein heisser Kampf zwischen proeuropäischen und prorussischen Positionen erwartet worden.
(sda/dpa) Nach der Parlamentswahl in der Südkaukasusrepublik Georgien erkennt die prowestliche Opposition die vorläufigen Ergebnisse nicht an, denen zufolge die nationalkonservative Regierungspartei vorn liegt. Die Wahlleitung habe den «schmutzigen Befehl des Milliardärs Bidsina Iwanischwili» ausgeführt, sagte die Chefin der proeuropäischen Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung, Tinatin Bokutschawa, in der Hauptstadt Tiflis. Iwanischwili ist Gründer und Ehrenvorsitzender der Regierungspartei Georgischer Traum. In den nächsten Stunden werde ein Aktionsplan der Regierungsgegner abgestimmt, sagte Bokutschawa weiter.
Die Wahlkommission hatte der Regierungspartei nach Auszählung der meisten Stimmen die absolute Mehrheit zugesprochen. Der 68-jährige Iwanischwili hatte schon kurz nach Schliessung der Wahllokale den Sieg gefeiert.
Auch das prowestliche Oppositionsbündnis Koalition für den Wandel erklärte, die Ergebnisse nicht anzuerkennen. «Die Wahlen sind der Opposition gestohlen worden. Dies ist ein verfassungsrechtlicher Staatsstreich und ein Missbrauch der Macht», sagte der Politiker Nika Gwaramia bei einer Pressekonferenz. Die Wahlen seien gefälscht worden nach einem komplizierten technologischen Schema. Details nannte er nicht.
Die proeuropäische Opposition in Georgien war in mehreren Bündnissen angetreten, ist aber zerstritten. Das Wahlbündnis Einheit, in dem auch die bei der Parlamentswahl 2020 grösste Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung ist, erhielt laut Angaben rund 10 Prozent der Stimmen. Das Wahlbündnis Koalition für den Wandel ist demnach nun das stärkste Oppositionsbündnis mit rund 11 Prozent der ausgezählten Stimmen.
Die oppositionsnahe proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwli hatte nach der Veröffentlichung der ersten Prognosen via X mitgeteilt, dass die in die EU strebenden Parteien auf 52 Prozent der Stimmen gekommen seien. «Georgien hat Demokratie gezeigt, Europäertum und Reife… Ich bin stolz und überzeugt von unserer europäischen Zukunft!», schrieb sie.
Insgesamt waren rund 3,5 Millionen Menschen in dem Land zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei rund 59 Prozent. 2020 war die Wahlbeteiligung bei 56 Prozent.
Berichte über Zwischenfälle in Wahllokalen
Lokale Medien berichteten im Verlauf des Tages über einzelne Zwischenfälle und Konflikte in Wahllokalen. In der Kleinstadt Marneuli im Südosten des Landes warf ein Mann in einem Wahllokal mehrere Stimmzettel ein, teilte die zentrale Wahlkommission mit. Die Ergebnisse in dem Wahllokal würden nicht gezählt, hiess es. Opposition und Regierung gaben sich gegenseitig die Schuld für den Vorfall. Das Innenministerium leitete ein Strafverfahren ein.
Wegen der polarisierten Lage im Land und befürchteter Wahlfälschung hatten vor allem auch Nichtregierungsorganisationen viele Beobachter im Einsatz, um die Abstimmung zu kontrollieren. Wahlrechtsexperten hatten schon einen Missbrauch staatlicher Ressourcen durch die Regierungspartei beklagt. Auch rund 500 Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind im Einsatz. Sie geben an diesem Sonntag ihr Urteil über die Wahl ab.
Orban gratuliert Regierungspartei noch vor Veröffentlichung der Ergebnisse
Unterdessen gratulierte der ungarische Regierungschef Viktor Orban der Regierungspartei zum Wahlsieg – noch bevor die Wahlkommission erste Ergebnisse veröffentlicht hatte. Gratulation für Regierungschef Irakli Kobachidse von der Partei Georgischer Traum, schrieb Orban auf der Plattform X. Die Partei habe einen überwältigenden Sieg hingelegt.
Congratulations to Prime Minister @PM_Kobakhidze and the Georgian Dream party on their overwhelming victory at the parliamentary elections today. The people of #Georgia know what is best for their country, and made their voice heard today!
— Orbán Viktor (@PM_ViktorOrban) October 26, 2024
Einen Erfolg des Georgischen Traums halten viele für eine Abkehr des Landes von der EU hin zu mehr Zusammenarbeit mit dem grossen Nachbar Russland. Aufgerufen zur Abstimmung waren im In- und Ausland rund 3,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger.
Georgien ist EU-Beitrittskandidat, der Prozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis. Deshalb sprachen vor allem prowestliche Kräfte im Vorfeld von einer Schicksalswahl für das am Scheideweg stehende Land, in dem sowohl der Einfluss Russlands als auch der des Westens stark sind.