Dank dem US-Milliardär entwickelt sich der FC Lugano zu einem Schweizer Spitzenklub. Bei seinem Besuch in der Schweiz erklärt Joe Mansueto, weshalb er die Tessiner so grosszügig alimentiert.
In Lugano haben sie am Montagmorgen ein Podest aufgebaut, im LAC, dem Kulturzentrum der Stadt mit der eigenwilligen Architektur; ein Podest, ganz in Schwarz, vor einer Glasfront, hinter der sich der Luganersee ausbreitet, von der Herbstsonne beschienen. Es ist eine Kulisse, die etwas Erhabenes hat, etwas Ehrfürchtiges, Ehrerbietendes sogar.
Auf das Podest setzt sich dann Joe Mansueto, ein schwerreicher Mann aus Chicago. Ihm gehört der lokale Fussballklub. Etwas mehr als drei Jahre ist es nun her, dass der Amerikaner zum ersten Mal in der Stadt aufgetaucht ist – auf einem grossen Bildschirm im Kongresszentrum. Der Milliardär Mansueto erklärte damals aus dem fernen Chicago, weshalb er den FC Lugano gekauft hat.
Der Amerikaner sprach von der Freude, die er nach Lugano bringen wolle. Von den grossen Ambitionen, die er habe. Von der Zusammenarbeit, die ihm vorschwebe, zwischen Lugano und Chicago Fire, dem anderen Klub in seinem Besitz. Das klang alles gut, aber es blieben ein paar Fragen zurück, auch grosse, etwa: Klingt das nicht zu gut, um wahr zu sein? Und warum ausgerechnet Lugano?
Cari tifosi, Joe Mansueto, proprietario unico del nostro club, ha un messaggio per voi! 😉 ⚪️⚫️#fclugano #fcl #noibianconeri pic.twitter.com/3iGlDKilWi
— FC Lugano (@FCLugano1908) October 27, 2024
Am Sonntag sitzt Mansueto im Cornaredo, als sein FC Lugano dort gegen die Young Boys spielt, den Schweizer Meister. Die Tessiner gewinnen 2:0. Das gelingt ihnen ziemlich problemlos. Nur zwei Punkte trennen sie vom Leader Servette, und Stand jetzt, im Oktober 2024, machen die Tessiner zusammen mit den Genfern den Eindruck, als seien sie am besten gerüstet für das Rennen um den Meistertitel.
Lugano, ein Titelkandidat, dazu ein Cup-Sieg, zwei Cup-Finals und zwei Europacup-Gruppenphasen: Das ist in aller Knappheit das Zwischenfazit der Ära Mansueto. Bevor er den Klub im August 2021 übernommen hat, stand noch in den Sternen, wie es mit ihm weitergehen soll. Nein, es klang nicht zu gut, um wahr zu sein.
Vor Ort ist der Besitzer nur höchst selten
Der 68-Jährige ist ein vielbeschäftigter Mann. In all den Jahren hat er es nur einmal ins Tessin geschafft, im Mai 2022. Am Sonntag verfolgt er zum ersten Mal überhaupt ein Spiel seines Klubs live im Stadion. Der «Corriere del Ticino» hat Mansueto genau beobachtet, als er am Sonntag vor dem Spiel im Stadio di Cornaredo von Lugano steht; er hat beim Amerikaner «den enthusiastischen Blick des Kindes unter dem Weihnachtsbaum» ausgemacht.
Dazu muss man wissen, dass das Cornaredo in die Jahre gekommen und heute in Teilen ein Provisorium und in Teilen eine Grossbaustelle ist. Aber vielleicht schweiften Mansuetos Gedanken gerade in die Zukunft, als der Chronist ihn beobachtete. 2026 soll die neue Arena stehen. Ein exklusiver Neubau, auch dank seinen Millionen: Das ist Teil zwei der Zwischenbilanz der Ära Mansueto.
Der Amerikaner berichtet am Tag nach dem Spiel von einer «tollen Erfahrung», überhaupt schwärmt er viel, vom «grossen Sieg» und von «wundervollen Toren». Mansueto, dessen Vermögen von «Forbes» auf 7 Milliarden Dollar geschätzt wird, tritt bescheiden auf. Er trägt Hemd und Pullover und keinen Anzug. Bevor er Fragen beantwortet, verteilt er gerne ein kleines Lob, «good question». Und er zeigt, dass er dem FC Lugano auch aus der Ferne nahe ist. Lobt die Leistung der Aussenverteidiger Martim Marques und Zachary Brault-Guillard, «phänomenal», dabei seien sie ja keine Stammspieler.
Einmal reiht Mansueto Zahlen aneinander: 4, 3, 2, es sind die letzten Rangierungen des FC Lugano am Saisonende. Man sehe den Fortschritt, sagt Mansueto. Und fügt an, man habe nun die Ambition, den Titel zu gewinnen, «definitiv».
Derart forsche Sätze hört man im Schweizer Fussball sonst selten, und vielleicht wurde den Männern, die am Montagmorgen im Kulturzentrum zu Lugano im Hintergrund zuhörten, etwas mulmig zumute. Sie heissen Carlos da Silva, Martin Blaser und Georg Heitz; sind Sportchef, CEO und Verwaltungsrat des FC Lugano.
Heitz ist der wichtigste der drei Namen, weil Mansueto ohne ihn den Weg nach Lugano nicht gefunden hätte. Der Baselbieter hat einst als Sportchef an der Seite von Präsident Bernhard Heusler die dominanten Jahre des FC Basel mitgeprägt. Später wurde er Sportdirektor im MLS-Klub Chicago Fire. Dort legte er dem Besitzer Mansueto den Kauf des FC Lugano nahe.
Im Tessin installierte Heitz dann Leute, die den Schweizer Fussball kennen, den FC Lugano oder beides – da Silva, Blaser, dazu Mattia Croci-Torti, den Trainer. Im August wurde bekannt, das Heitz seine Zelte in Chicago abbricht. In Lugano wird er aber im Verwaltungsrat bleiben, das bekräftigte Mansueto am Montag. Er soll, so Mansueto, «die Brücke» zwischen Lugano und Chicago sein.
Heitz sagte der NZZ im Jahr 2021, kurz nach der Übernahme durch Mansueto, dass den FC Lugano «Galaxien» trennten von den Young Boys und dem FC Basel. Seither hat Lugano zwei von drei Saisons vor dem FC Basel beendet. Auf YB hat der Klub gerade zwölf Punkte Vorsprung.
Dutzende Millionen aus Mansuetos Tasche
Das erzählt einiges darüber, wie es insbesondere dem FC Basel in den letzten Jahren erging. Und es erzählt einiges darüber, wie im FC Lugano gearbeitet, auch: mit welch grosser Kelle angerichtet worden ist. Zwischen 40 und 50 Millionen Franken hat der Amerikaner in den Klub gepumpt, seit er ihn übernommen hat. Und da sind die 16 Millionen für die Veredelung des neuen Stadions noch nicht eingerechnet. Kein anderer Schweizer Verein wird auch nur annähernd so grosszügig alimentiert.
Mansueto hat sein Vermögen in der Finanzindustrie gemacht. Es ist eine Welt, in der es um Investitionen geht und darum, was dabei herausspringt. Im Sport wendet er andere Massstäbe an. Er sagt, der FC Lugano befinde sich gerade im «growth mode», im Wachstumsmodus, es werde jetzt in das Fundament investiert, und später solle etwas zurückkommen, dank dem neuen Stadion, dank Spielerverkäufen.
Aber seine Klubs sind für ihn auch einfach ein Hobby, eine Leidenschaft. Fussball, sagt er, bringe Menschen zusammen. «Es gibt eine geschäftliche Seite, aber ich mag es auch, Dinge zu tun, die gut sind für die Welt», sagt Mansueto, der Philanthrop.
Seit der Amerikaner im FC Lugano das Sagen hat, wächst dort alles. Einzig die Zuschauerzahlen bleiben enttäuschend, sie bewegen sich nur langsam nach oben. Gegen die Young Boys meldet die Fussballliga zuerst 3248 Zuschauer, doch es sind rund 4900 gewesen, das ist den Verantwortlichen wichtig, man spürt: Das ist ein wunder Punkt.
Das ist kein Wunder, denn was bringen all die Siege, wenn sie kaum jemanden interessieren? In Lugano hoffen sie, dass das neue Stadion Abhilfe schafft, so wie andernorts auch. Ein Boutique-Stadion soll es werden, «das beste Europas», wie Mansueto sagt. Darunter macht es sein FC Lugano nicht.