Der Pharmakonzern kann ein weiteres Mal operativ überzeugen. Dass die Aktien trotz einer erneuten Erhöhung der Jahresprognose negativ reagieren, erklärt sich nicht nur durch Gewinnmitnahmen.
Novartis liefert einmal mehr – und enttäuscht trotzdem. Seit dem ersten Quartal 2023 hat der Pharmakonzern bei jeder Zahlenpräsentation die Jahresprognose nach oben geschraubt. Einerseits ist das ein Erfolgsausweis für die gute Arbeit des Managements, andererseits legt dies gleichzeitig die Latte bei den Erwartungen immer höher. Das bekommen die Aktien von Novartis heute zu spüren.
Denn grundsätzlich sind die publizierten Ergebnisse für das dritte Quartal stark und durchs Band höher ausgefallen als die von Bloomberg erfassten Konsensschätzungen der Analysten.
- Der Umsatz stieg gegenüber der Vorjahresperiode 9% auf 12,8 Mrd. $ (Konsens: 12,7 Mrd.).
- Der von Analysten viel beachtete und um verschiedene Einflüsse bereinigte Kern-Betriebsgewinn stieg 17% auf 5,2 Mrd. $ (4,9 Mrd.).
- Besonders stark: Die operative Kerngewinnmarge erreichte mit 40,1% erstmals die mittelfristige Zielvorgabe von über 40%.
Angesichts der robusten Ergebnisse hebt Novartis zum dritten Mal in diesem Jahr die Prognose für das Gesamtjahr an.
- Für das laufende Geschäftsjahr wird zu konstanten Wechselkursen ein Wachstum im niedrigen zweistelligen Prozentbereich (zuvor: hoher einstelliger bis niedriger zweistelliger Prozentbereich) angestrebt.
- Gleichzeitig bekräftigt Konzernchef Vas Narasimhan die Mittelfristziele. Novartis peilt von 2023 bis 2028 ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 5% an.
- Die operative Kerngewinnmarge soll bis 2027 mehr als 40% betragen.
Aktien reagieren mit Gewinnmitnahmen
Doch an der Börse reichen diese Zahlen nicht aus, um dem Aktienkurs von Novartis weiteren Schub zu geben. Bis zum Mittag büssen die Titel mehr als 3% ein; das Plus seit Jahresanfang beträgt immerhin noch rund 17% – oder fast doppelt so viel wie der SMI in diesem Zeitraum gewonnen hat.
Dass sich die Aktien heute schwertun, hat mehrere Gründe. Zunächst waren die Erwartungen im Vorfeld verhältnismässig hoch. Verfolgte man in den vergangenen Tagen die Kommentare von Analysten und Marktbeobachtern war klar: Alles andere als eine erneute Prognoseerhöhung hätte für eine Enttäuschung gesorgt. Novartis hat das Image eines Pharmakonzerns auf der Suche nach sich selbst erfolgreich abgelegt. Seit einigen Quartalen überzeugen die Basler mit einer steigenden Rentabilität. Die in den letzten Jahren vollzogene Transformation trägt endlich Früchte.
Doch in den grundsätzlich guten Zahlen offenbaren sich bei näherer Betrachtung Details, die an der Börse teilweise für Zurückhaltung sorgen. So ist der Umsatz mit dem meistverkauften Medikament Entresto (gegen Herzinsuffizienz) zwar 26% auf 1,8 Mrd. $ gestiegen, hat damit jedoch die Erwartungen der Analysten leicht verfehlt. Auch die Verkäufe des Krebs-Hoffnungsträgers Pluvicto überzeugen nur auf den ersten Blick.
Zwar wuchs das Geschäft mit der neuartigen Radioligandentherapie um 50% auf 386 Mio. $, was die Erwartungen knapp schlagen konnte. Gemäss ZKB gab es im dritten Quartal jedoch einen einmaligen Sondereffekt durch eine positive Umsatzanpassung in Europa in Höhe von 36 Mio. $. Mit anderen Worten: Eigentlich hat Pluvicto die Erwartungen nicht erfüllt.
Antrag von Morphosys-Kandidat lässt auf sich warten
Zudem bemängeln Analysten durchs Band, dass sich das Management trotz der Bestätigung der Mittelfristziele in der Mitteilung kaum über das nächste Jahr äussert. 2025 drohen Generika für wichtige Medikamente wie dem Verkaufsschlager Entresto, aber auch Tasigna (gegen chronische myeloische Leukämie) und Promacta (Thrombozytopenie) auf den Markt zu kommen. Das dürfte an der Telefonkonferenz am Nachmittag einige Fragen aufwerfen.
Wenig hilfreich ist zudem, dass Novartis mit ihrem kniffligen Krebskandidaten Pelabresib, den sie sich im Rahmen der 2,7 Mrd. € teuren Acquisition der deutschen Morphosys einverleibt hat, weiterhin nicht voranzukommen scheint. Eigentlich sollte noch im zweiten Halbjahr 2024 ein Zulassungsantrag an die US-Gesundheitsbehörde FDA erfolgen. Doch bereits im Juni äusserte sich Novartis auf Anfrage von The Market eher vage, ob an diesem Ziel festgehalten werde.
Jetzt ist klar: Nach einer Überprüfung der 48-Wochen-Daten aus der Phase-III-Studie ist «eine längere Nachbeobachtungszeit erforderlich, um in Absprache mit den Gesundheitsbehörden den Zulassungsweg zu bestimmen», wie der Konzern heute mitteilt. Dem Medikament wird von Analysten Blockbuster-Potenzial zugetraut.
Die ordentlichen operativen Ergebnisse sowie der gute Lauf der Aktien in den vergangenen zwei Jahren haben die Latte bei Novartis höher gelegt. Historisch gesehen sind die Valoren des Pharmakonzerns nicht überteuert. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Sicht der nächsten zwölf Monate befindet sich mit knapp 15 unter dem Zehnjahreschnitt von 15,3.
Trotzdem wird Novartis auf die beschriebenen Herausforderungen, die den Kurs heute belasten, Antworten finden müssen, soll es an der Börse weiter nach oben gehen.