The Market zeigt monatlich die Schweizer Unternehmen, die im Fokus der Leerverkäufer stehen. Diese setzen darauf, dass die Aktienkurse sinken werden. Der Oktober bringt einen Neuzugang und eine Premiere.
Das ist eine Premiere: Die Titel der Swatch Group erscheinen im Oktober gleich doppelt in den Top Ten der grössten Schweizer Shorts – die Inhaberaktien auf Platz zwei und neu tauchen zudem die Namenaktien auf Rang acht auf.
An der Spitze residiert weiterhin DocMorris. Abgelassen haben die Leerverkäufe von Komax und Sensirion. Neu dabei ist Adecco.
Short-Seller leihen sich Aktien aus, verkaufen sie am Markt und hoffen, sich später günstiger mit den Titeln eindecken zu können, um sie dem Eigentümer zurückzugeben. Die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufskurs ist ihr Gewinn.
In der Schweiz werden die Short-Positionen nicht offiziell erfasst. The Market präsentiert deshalb im Monatsrhythmus die Erhebung von S&P Global Market Intelligence. Der Datenanbieter trägt das Volumen der ausgeliehenen Aktien zusammen.
DocMorris
DocMorris leidet weiterhin: Erst war da eine teure M&A-Strategie, die Refinanzierungssorgen aufkommen liess. Darauf folgte der Verkauf des Schweizer Geschäfts sowie die Konzentration auf den deutschen Markt, wo sich die Online-Apotheke von der Einführung des elektronischen Rezepts das grosse Geld versprach.
Mit Verzögerung ist das E-Rezept nun bundesweit eingeführt worden und DocMorris steht finanziell solide da. Doch das Wachstum beschleunigt sich nicht so rasant wie erhofft und vor allem langsamer als bei der deutschen Konkurrentin Redcare Pharmacy.
Seit dem Frühjahr verfügen sowohl die Schweizer als auch Redcare Pharmacy über praktikable Lösungen, damit Kunden das E-Rezept einfach einlösen können. Doch weil DocMorris die Marketingausgaben massiv gekürzt hatte, verlor sie schrittweise Marktanteile an die Konkurrentin.
Die Short-Seller haben auf dieser Basis ihre Wetten gegen die Online-Apotheke im September bis auf 45% aller von ihr ausstehenden Aktien erhöht. Im Oktober nun haben sie wieder etwas abgebaut. Mit 42,6% ausgeliehenen Aktien belegt die Versandapotheke damit weiterhin den Spitzenplatz.
DocMorris hat allerdings auch Wandelanleihen ausstehend. Damit gibt es ausser der Spekulation auf einen sinkenden Kurs noch einen technischen Grund, Leerverkaufspositionen in den Aktien einzugehen: Wandelanleihen enthalten neben dem Zinscoupon eine Aktienkomponente. Investoren, die diese angesichts der starken Kursausschläge neutralisieren wollen, verkaufen die Aktien leer – ohne dabei aus Überzeugung auf einen sinkenden Kurs zu setzen. Dieser Mechanismus gilt ebenfalls für Idorsia und Meyer Burger, deren Valoren auf den Plätzen drei und sechs der Rangliste liegen.
Swatch Group
Seit März befinden sich die Inhaberaktien der Swatch Group auf der Liste der zehn grössten Shorts – und sie sind diesen Monat auf den zweiten Platz vorgestossen. Gleichzeitig haben die Leerverkäufer auch bei den Namenaktien aufgestockt, sodass auch diese Titelkategorie neu auf dem achten Platz erscheint.
Der Uhrenkonzern leidet seit mehreren Quartalen unter der schwachen Nachfrage nach Luxusgütern, vor allem in China, wo Swatch einen erheblichen Teil ihres Umsatzes erwirtschaftet.
Schon die Mitte Juli publizierten Zahlen zum ersten Halbjahr fielen miserabel aus. Gleichwohl hat der Konzern die Fertigung von Uhren nicht gedrosselt, im Gegenteil. Das Unternehmen produzierte weiter munter auf Halde. Doch auch im September gingen die Uhrenexporte zurück, diejenigen nach China um volle 50% und global um 12,4%.
Swatch Group leidet unter der schwachen Führung. Konzernchef Nick Hayek schaltet und waltet in Biel, wie er will. Einen effektiven, unabhängigen Verwaltungsrat gibt es nicht. Auch das belastet die ohnehin gedrückte Bewertung der Swatch-Group-Papiere.
Im Vormonat ging das Spektakel zwar ausnahmsweise in die andere Richtung: In einem Interview sprach Hayek einen möglichen Rückzug von der Börse an – wobei dann eine Prämie von 30 bis 40% winken würde. Gleichentags dementierte er jedoch: «reine Spekulation». Quittiert hat der Aktienkurs dieses Hin und Her mit einem Sprung um fast 20% nach oben. Diese Gelegenheit haben die Short-Seller genutzt, um ihren Wetteinsatz gegen Swatch Group weiter zu erhöhen.
Idorsia
Auf den dritten Platz zurückgeglitten ist Idorsia; beim Biotechnologieunternehmen sind derzeit knapp 15% der ausstehenden Aktien ausgeliehen.
Die Basler befinden sich seit rund einem Jahr in finanzieller Schieflage. Hauptgrund ist der unerwartet schleppende Verkauf des Schlafmittels Quviviq, das sich bisher nicht als erhoffter Umsatzbringer erwiesen hat. 2024 werden Einnahmen von lediglich 55 Mio. Fr. erwartet.
Ende September verfügte das Unternehmen über liquide Mittel von 92 Mio. Fr., Ende März waren es noch 335 Mio. Fr. Gemäss für das Gesamtjahr budgetierten Ausgaben von rund 400 Mio. Fr. kann das Unternehmen mit dem Geld den operativen Betrieb noch knapp bis zum Jahresende aufrechterhalten. (Finanzierungs-)Lösungen müssen also her.
Idorsia hat mit dem Blutdrucksenker Aprocitentan, der im Frühjahr die US-Zulassung erhalten hat, zwar einen weiteren Pfeil im Köcher. Verhandlungen über einen Deal sind am Laufen, deren Ergebnis ist aber noch offen – womit die Finanzierungsfrage immer dringlicher wird.
SIG Group
Einen Platz zugelegt hat SIG Group. Die Titel sind seit Mai 2023 im Abwärtstrend, zeigten jüngst jedoch eine leichte Gegenbewegung.
Nachdem SIG auch im ersten Quartal 2024 noch enttäuscht hatte, überraschte das Unternehmen mit den Zahlen für das zweite Quartal positiv. Der Gewinn auf Stufe Ebitda fiel besser aus als erwartet. Zwar wurde die Jahresprognose leicht nach unten angepasst, jedoch hatte bereits zuvor eine Gewinnwarnung in der Luft gelegen. Die Zahlen zum dritten Quartal entsprachen nun den gesenkten Erwartungen, ebenso der bestätigte Ausblick auf das Gesamtjahr.
Locker lassen die Short-Seller dennoch nicht, sie haben ihre Positionen im Monatsverlauf um 9% aufgestockt und wetten mit 12% der ausstehenden Aktien weiterhin auf einen sinkenden Kurs.
AMS Osram
Seit vergangenem Monat sind die Aktien von AMS Osram zurück in den Top Ten der grössten Schweizer Shorts. Vor einem Jahr hatten sie vor einer Kapitalerhöhung gar die Spitzenposition belegt. Danach verschwanden sie vorübergehend aus der Liste – obwohl die Talfahrt der Aktien anhielt.
Ende Februar kam ein Schock für die Aktionäre: Der Licht- und Sensorenspezialist gab bekannt, das Schlüsselprojekt der MicroLED-Strategie sei «unerwartet storniert» worden. Dass es sich beim Grosskunden um Apple handelte, ist ein offenes Geheimnis.
Verwundbar macht AMS nun, dass rund die Hälfte des Umsatzes auf den Automobilsektor entfällt und dieser steht derzeit unter enormen Druck. In Kombination mit hohen Schulden von 2 Mrd. € sind das keine erbaulichen Aussichten – ausser für Short-Seller.
Sie haben bereits im Vormonat ihren Einsatz gegen AMS Osram verdoppelt – und diesen Monat um zusätzliche 80% aufgestockt. Das bedeutet Rang fünf.
Meyer Burger
Bei Meyer Burger haben die Short-Seller im Oktober ihre Position um fast 30% weiter deutlich reduziert. Gut 8% der Aktien des Herstellers von Solarmodulen befinden sich derzeit noch in ihren Händen, was einen Abstieg auf Platz sechs bedeutet.
Die Börsenperformance von Meyer Burger gibt den Leerverkäufern schon lange recht. Allein seit Anfang Jahr haben die Aktien mehr als 95% eingebüsst.
Die geplante Verlagerung der Modulproduktion in die USA ist wegen finanzieller Klammheit teilweise gescheitert. Statt zwei Fabriken soll nur eine und diese in abgespeckter Form realisiert werden. Damit ist auch ein angestrebter Deal mit einem US-Grosskunden geplatzt.
Seit mehr als zehn Jahren schreibt das Unternehmen Verluste, und erneut ist der Weg zur Profitabilität damit in weite Ferne gerückt.
Im September hat das Unternehmen nun sowohl den Konzern- als auch den Finanzchef ausgewechselt. Zudem gab es bekannt, dass sich der Umsatz im ersten Halbjahr halbiert hat. Dass die Veröffentlichung des vollständigen Halbjahresberichts seither dreimal verschoben wurde, verunsichert zusätzlich.
Die liquiden Mittel sanken per Ende Juni unter 160 Mio. Fr. Bei einem Cash-Verbrauch von etwa 30 Mio. pro Monat droht diese Reserve im November 2024 zu versiegen.
Addex
Auf Platz sieben steht Addex Therapeutics. Das Biotechunternehmen meldete Ende August eine Forschungszusammenarbeit, die im Erfolgsfall theoretisch bis zu 330 Mio. $ einbringen könnte.
Der Kurs sprang daraufhin rund 40% in die Höhe – von fast gar nichts (0.056 Fr.) auf fast nichts (0.084 Fr.). Short-Seller begegnen dem Ganzen offensichtlich mit Skepsis und haben ihre Positionen gegen Addex im September in Richtung 6% verdoppelt und halten seither an dieser Wette fest.
Barry Callebaut
Bei Barry Callebaut hat der Druck der Leerverkäufer im Oktober um 20% nachgelassen. Mit einer Short-Quote von leicht unter 6% bedeutet das Rang neun.
Der weltgrösste Schokoladenproduzent muss mehrere Herausforderungen bewältigen: Unberechenbare Kakaopreise und die schwächelnde Konsumlaune belasten das Geschäft. Zudem steckt das Unternehmen in einer kostspieligen Restrukturierung, deren Erfolg sich erst im Laufe der nächsten Quartale abschätzen lässt.
The Market sieht Barry Callebaut derzeit im perfekten Sturm – deutet das mit Blick auf die lange Frist aber als Chance. Auch die Börse hat wieder Mut gefasst: Seit dem Tief im April sind die Aktien vorübergehend um 30% avanciert. Mitte Juli zeigte sich jedoch, dass das etwas vorschnell war. Inzwischen ist dieses Kursniveau aber wieder nahezu erreicht. Barry hat noch einen langen Weg vor sich, aber The Market ist zuversichtlich, dass der Konzern gestärkt aus dieser Krise hervorgeht.
Adecco
Obwohl die Titel von Adecco diesen Herbst beinahe ihr Allzeittief erreicht haben, haben die Short-Seller ihre Wetten auf einen noch niedrigeren Kurs im Oktober um nahezu 40% ausgebaut. Der Personaldienstleister erscheint damit neu auf Rang zehn.
Im Jahresverlauf haben die Analysten ihre Gewinnschätzungen bereits um 30% nach unten korrigiert. Sie veranschlagen nun den nächsten Jahresgewinn je Aktie auf weniger als 2 €. Das liegt unter der Dividendenschätzung, die weiterhin bei mehr als 2.50 € liegt. Short-Seller glauben offenbar nicht, dass das aufgehen wird und wetten darauf, dass der Kurs unter Druck bleibt.