Avocados haben viele Vorteile, aber auch viele Kalorien. Ein Ernährungsforscher erklärt, was überwiegt.
Leserfrage: Sind Avocados so gesund, wie es oft behauptet wird?
Die Avocado tanzt aus der Reihe. Denn auch wenn wir sie gerne als Teil eines Salats essen, ist sie doch kein Gemüse, sondern eine Beere – und zählt damit zum Obst. Im Unterschied zu anderen Früchten ist die Avocado aber nicht süss, sondern zeichnet sich vor allem durch einen hohen Fettgehalt aus. 100 Gramm Avocado enthalten nämlich rund 24 Gramm Fett. Zum Vergleich: Bei Käse und Schokolade liegt der Anteil bei rund 30 Gramm.
«Das macht die Avocado aus gesundheitlicher Sicht natürlich erst mal verdächtig», sagt Ernährungsforscher Stefan Kabisch von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er gibt aber gleich Entwarnung: «Avocados enthalten überwiegend einfach und mehrfach ungesättigte pflanzliche Fettsäuren, die als gesund gelten.» Insofern passe die Avocado zu den derzeitigen Empfehlungen im Sinne einer traditionellen mediterranen Ernährung mit frischen Produkten und ohne viel Zucker.
Insofern bietet sich gemäss Kabisch etwa ein Guacamole-Aufstrich aus Avocado immer mal wieder als Teil eines kulinarisch herzhaften statt süssen Frühstücks an – das auch länger satt halte. Beliebt ist bei vielen auch, das Fruchtfleisch mit Salz, Pfeffer und Zitrone aus der Schale zu löffeln.
Olivenöl ist besser erforscht
Ob Avocados der Gesundheit aber wirklich zuträglich sind, das ist wissenschaftlich nicht eindeutig nachgewiesen. Die wenigen vorliegenden Studien enthalten gemäss Kabisch nur eine kleine Anzahl Teilnehmende und wurden nur über einen kurzen Zeitraum durchgeführt.
Der gesundheitliche Wert von ungesättigten pflanzlichen Fettsäuren sei dafür bei Olivenöl gut erforscht. Dort zeigten Studien, dass das Öl Blutdruck und Blutfette zu senken vermöge und dadurch das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall verringere. «Die Avocado besteht zwar nicht aus exakt denselben Inhaltsstoffen wie Olivenöl. Aber wir dürfen annehmen, dass sie mit ihrem Hauptbestandteil der ungesättigten Fettsäuren einen ähnlichen positiven gesundheitlichen Effekt hat», sagt Kabisch.
Kein Superfood
Ein Superfood, wie das manchmal dargestellt wird, ist die Avocado trotzdem nicht. So wird im Internet etwa behauptet, der Konsum von Avocados helfe präventiv oder therapeutisch gegen Krebs, verbessere die Gedächtnisleistung oder das Sehvermögen. Nichts davon ist gemäss Kabisch wissenschaftlich nachgewiesen.
Die Avocado enthalte zwar zusätzliche Inhaltsstoffe wie Vitamine, etwas Protein, Ballaststoffe und Kalium, die gesund seien. So wirkten Ballaststoffe und ungesättigte Fettsäuren etwa erwiesenermassen entzündungshemmend. Aber diese Stoffe stecken auch in anderen Lebensmitteln. Auch Kalium oder Folsäure seien in der Avocado nicht überdurchschnittlich vorhanden. «Mit einer ausgewogenen Ernährung decken wir den Bedarf an allen für uns nötigen Nährstoffen genügend ab», sagt Kabisch. Insofern gebe es keinen zwingenden Grund, die Avocado in den Speiseplan aufzunehmen.
Vorsicht bei den Kalorien
Wem der nussig-fettige Geschmack behagt, der möge ruhig zur Avocado greifen. Allerdings sollte man nicht auf die Idee kommen, den täglichen Bedarf etwa an Ballaststoffen hauptsächlich auf diese Weise zu decken. Dafür enthält die grüne Frucht zu viele Kalorien – nämlich mit rund 230 Kilokalorien pro 100 Gramm rund viermal so viel wie ein Apfel.
Der hohe Kaloriengehalt ist für Kabisch der ausschlaggebende Punkt, beim Konsum von Avocados masszuhalten. Um etwa den täglichen Bedarf an Protein zu decken, müsste man ein bis zwei Dutzend Avocados verspeisen. Da bieten sich eher Hülsenfrüchte, Eier, Fisch oder Fleisch an. Auch für die Ballaststoffe gibt es geeignetere Lebensmittel mit weniger Kalorien wie Salat und Gemüse.
Klar ist: Die Avocado hat an Beliebtheit gewonnen. So hat sich die Menge der eingeführten Avocados in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht. In der Schweiz hat sich die Menge innerhalb von zehn Jahren etwa verdreifacht. Ernährungsforscher Kabisch erklärt das vor allem mit dem Trend hin zu einer Ernährungsweise, bei der pflanzliche Fette als Ersatz für tierische Produkte hoch im Kurs stehen. Für ihn ist die Avocado aus gesundheitlicher Sicht ein sinnvoller möglicher Teil einer ausgewogenen Ernährung.
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