Der Hersteller intelligenter Stromzähler will sich auf die rentable Region Americas konzentrieren und erwägt eine Kotierung in den USA. Das Emea-Geschäft steht zur Disposition. Für Investoren dürfte sich die Neuausrichtung auszahlen.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Schon lange haben es die Spatzen von den Dächern gepfiffen: In der derzeitigen, breiten Aufstellung kann Landis + Gyr (L+G) keine befriedigende Rentabilität erwirtschaften. Die Diskrepanz zwischen der Region Americas (USA, Kanada, Brasilien, Japan), wo das Unternehmen seit Jahren überdurchschnittlich hohe Margen erzielt und der Region Emea (Europa, Nahost, Afrika), ist nicht nur enorm, sondern auch beständig.
Heute gibt der führende Hersteller von Strom-, Gas- und Wärmezählern bekannt, dass er eine radikale Neuorientierung anstrebt. Priorität wird künftig das Americas-Geschäft geniessen, das mittelfristig auch separat kotiert werden soll. Dieses Geschäft bestreitet rund 60% des Gruppenumsatzes, aber 80% des Betriebsgewinns. Für die Aktivitäten in der Region Emea wird ein besserer Eigentümer gesucht.
Rote Zahlen in der Region Emea
Ein solcher Schritt lag schon seit einiger Zeit in der Luft, denn die Probleme sind alles andere als neu. The Market hat jüngst darüber berichtet. Vor allem in den USA – die mit Abstand den grössten Beitrag in der Region Americas leisten – kann L+G seine Trümpfe ausspielen. Das überalterte Stromnetz, eine allgemein vernachlässigte Infrastruktur sowie jüngst grosszügige, staatliche Subventionsprogramme schaffen ideale Verhältnisse. Softwarelösungen für das Energiemanagement und die Steuerung des überlasteten Stromnetzes sind in den USA ein grosses Bedürfnis.
Das heute publizierte Halbjahresergebnis belegt diese (alte) Tatsache. Während die Gruppe im Berichtszeitraum auf eine bereinigte Ebitda-Marge von 11,7% oder knapp im prognostizierten Zielkorridor von 11 bis 13% kam, wurde in den Americas eine Marge von 17,2% erzielt. Der Umsatz konnte dort immerhin knapp gehalten werden, wie auch der Auftragseingang. Wird jedoch der einmalige Gewinnbeitrag aus einem Liegenschaftenverkauf in Indien herausgerechnet, lag die adjustierte Ebitda-Marge im ersten Semester gesamthaft nur bei 10,7% bzw. unterhalb der Prognose.
In den vergangenen drei Jahren zum Beispiel hat das Unternehmen nur in den Americas eine attraktive Kapitalrendite erwirtschaftet. Laut Konzernchef Werner Lieberherr sei dort der Roce (Return on Capital Employed) bei über 40% gelegen. In der Region Emea sei die Rendite auf das gebundene Kapital wesentlich niedriger ausgefallen.
Weil sich in einigen wichtigen Ländern Projekte zeitlich verschoben haben, sank der Umsatz um 11,4% und es resultierte ein Verlust von 5,6 Mio. $. Das Book-to-bill-Ratio, das Verhältnis zwischen Auftragseingang und Umsatz, sank auf schwache 0,6. Der Auftragsbestand lag um gut 18% unter Vorjahr.
Mittlerweile hat L+G seine Marktführerschaft in Europa verloren (Marktanteil 17%).
Mit Blick auf das schwache Halbjahresergebnis muss die zweite Hälfte deutlich besser ausfallen, um die bestätigten Prognosen für das laufende Geschäftsjahr (per März 2025) zu erfüllen. Ein niedriges einstelliges Prozentwachstum sowie eine Ebitda-Marge von 11 bis 13% sollen es sein. Viel Zuversicht besteht im Markt nicht. Im Tagesverlauf notierten die L+G-Aktien nur knapp höher.
Unhaltbare Zustände
Eine Separierung des Americas-Geschäft ist sinnvoll und machbar. Laut Lieberherr sei bereits eine Investmentbank damit beauftragt worden. In welcher Form, als Spin-off oder als Doppelkotierung, sei noch nicht entschieden. Ein solcher Schritt würde 12 bis 18 Monate Zeit beanspruchen, sagte er an der Telefonkonferenz. «Ein Dual Listing ergebe wenig Sinn, weil dies die Liquidität an beiden Börsenstandorten beschränken würde», sagte er. «Vor 2026 wird sich für unsere Aktionäre jedoch nichts ändern.» Es dürfte wohl ein Spin-off in Erwägung gezogen werden.
Eine US-Kotierung würde auch den Vergleich mit dem grossen US-Konkurrenten Itron sichtbarer machen. Seine Aktien werden von der Börse deutlich höher eingestuft als diejenigen von L+G, obwohl die Schweizer meist rentabler geschäften.
Ob das Traditionsunternehmen L+G seine Zelte in der Schweiz ganz abreissen wird, ist noch ungewiss. Aus steuerlichen Überlegungen könnte auch mit einer US-Kotierung der Hauptsitz in der Schweiz verbleiben. Die Produktion in der Schweiz wurde schon vor Jahren eingestellt. Mittlerweile sind noch 200 Mitarbeitende hier angestellt, 90 davon im Bereich Corporate.
Die alte L+G, die in den Köpfen vieler Schweizer Investoren noch präsent sein mag, gibt es schon lange nicht mehr. Die Handänderungen zu ausländischen Private-Equity-Firmen sowie die Jahre unter dem japanischen Konglomerat Toshiba haben Spuren hinterlassen.
Noch offen bleibt, was mit den Aktivitäten in der Region Asien-Pazifik geschehen soll. In der Berichtsperiode kamen lediglich 8,6% des Umsatzes aus dieser Region, allerdings war sie ausserordentlich rentabel (Ebitda-Marge von 25,1%). Für einen Alleingang ist das dortige Geschäft zu klein. Es dürfte wohl in anderen Händen besser aufgehoben sein oder dann Teil einer in den USA kotierten L+G werden.
Die richtigen Schritte
Ich halte die strategische Neuorientierung für richtig, auch wenn sie sehr spät kommt. Die nun aufgeführten Gründe einer Separierung der geografischen Gebiete bestanden schon beim Börsengang vor sieben Jahren. Aber besser spät als nie.
Ich gehe davon aus, dass sich eine Kotierung in den USA für die Aktionäre auszahlen wird. Viel hängt natürlich davon ab, wie viel L+G für das Emea-Geschäft lösen kann.
Bis aus den Plänen Tatsachen werden, wird es noch einige Zeit dauern. Deshalb kann es in diesem Prozess auch zu Rückschlägen kommen. Aus meiner Sicht entscheidend ist jedoch, dass die strategische Richtung stimmt, die das L+G-Management einschlägt.
So gut hat sich die Zukunft für die gebeutelten L+G-Aktionäre schon lange nicht mehr präsentiert.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Giorgio Müller