So manches Vorhaben, schon bald mit senkrecht startenden und landenden Elektrofluggeräten kommerzielle Erfolge einzufliegen, ist eine teure Luftnummer. Investoren sollten genauer hinsehen.
Lilium, der bayrische Entwickler von Flugtaxis, kurz eVTOL genannt (für electric vertical take-off and landing vehicle), kündigt einen Insolvenzantrag an. Die erhoffte Staatshilfe kam nicht. Für viele Luftfahrtexperten kommt die Pleite nicht überraschend. Zu unausgegoren war die Idee und zu hochtrabend die Vision.
Versprechungen von Flugtaxi-Start-ups wie Lilium, Volocopter und anderen zu einer staufreien neuen Mobilität der dritten Dimension sind vor dem Hintergrund der jüngsten Insolvenz oft überzogen und dienen in erster Linie der Beschaffung von Investitionsgeldern. Die sind in hohem Masse nötig, um die aufwendigen Entwicklungen und langwierigen Prüfverfahren finanzieren zu können.
Die Insolvenz von Lilium zeigt auf, wie risikoreich die oft vollmundigen Versprechungen der Flugtaxi-Hersteller über eine Zukunft staufreier Mobilität durch fliegende Taxis sind. Die eVTOL unterliegen besonders strengen Sicherheitsnormen. Der Kapitalbedarf bis zur Erfüllung der oft ambitiösen Projektziele ist enorm, der Zeitaufwand nicht minder.
Die rigorosen Zulassungsvorschriften der Behörden sind keine überflüssige Überregulierung, sondern nötig: Es stehen nicht nur Flugunfälle im Raum, sondern auch Abstürze auf den Verkehr in urbanen Ballungsräumen, wo die Flugtaxis vor allem fliegen sollen. Personenschäden wären die Folge.
Bestellungen gibt es bis heute nicht
Der siebensitzige Lilium-Jet hat bisher nicht bewiesen, dass er tatsächlich eines Tages die vollmundig versprochenen Flugleistungen liefern kann. Zudem hat das Unternehmen bis heute nicht belegen können, dass es ein tragfähiges Geschäftsmodell für den Flugtaxi-Betrieb geben kann. Die vielen Bestellungen aus aller Welt, die Lilium oft als Nachweis seines angeblich visionären Geschäftskonzepts präsentiert, sind de facto lediglich Absichtserklärungen.
Bereits in technischer Hinsicht fehlten bei Lilium die Grundvoraussetzungen. Die im Prototyp eingebaute Batterie konnte nicht genügend elektrische Energie für den Betrieb des Fluggeräts liefern. Die Firma verwies auf die Hoffnung, dass schon bald bessere Akkus verfügbar sein würden.
Hinzu kommt das laute Geräusch der Antriebsdüsen, die ein umweltverträgliches Starten und Landen mitten in städtischen Ballungsräumen verhindert hätten. Auf den jüngsten Lilium-Flugvideos ist das unangenehme Triebwerksgeräusch der Motoren deutlich zu hören. Hier hätte noch deutlich optimiert werden müssen, was mehr Zeit und Kapital erfordert hätte, als der Hersteller vorgesehen hatte.
Der Antrieb erweist sich als wenig praktikabel
Anders als bei anderen senkrecht startenden und landenden Fluggeräten mit Elektroantrieb ist der Antrieb bei Lilium mit vielen kleinen Düsen ausgelegt, die sich vertikal und horizontal ausrichten lassen. Andere Hersteller wie Volocopter setzen stattdessen auf kleine Helikopterrotoren, wie sie bei Drohnen üblich sind.
Am Boden nimmt die mobile Zukunft mit hochautomatisierten Fahrzeugen mittlerweile Fahrt auf. In verschiedenen Ballungsräumen Nordamerikas und Asiens sind Robotaxis bereits Realität. Warum also sollte eine rasche Einführung von Flugtaxis nicht ebenfalls vor der Tür stehen?
Es ist deutlich komplizierter in der Luft als am Boden – der Weg zur Flugzulassung ist für eVTOL deutlich beschwerlicher als bei Robotaxis auf der Strasse. Nur wenn das Fluggerät auch die offizielle Musterzulassung sowohl der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (Easa) als auch der amerikanischen Flugsicherheitsbehörde FAA vorweisen kann, ist ein Flugbetrieb möglich.
Lilium konnte von einer derartigen Zulassung bisher nur träumen. Der kritische Übergangsflugzustand des Lilium-Jets, also das Schwenken der an den Tragflächen und sogenannten Canards befestigten zahlreichen Elektromotoren, um nach dem senkrechten Start in den Reiseflug zu gehen und vor der Landung aus diesem wieder zurück in den Schwebeflug zu kommen, ist mit grossen technischen und auch aerodynamischen Risiken behaftet.
Die Hersteller von Flugtaxis sollten ehrlicher kommunizieren und die kostspielige Wette auf die Zukunft transparenter machen. Investoren sollten skeptischer gegenüber solchen Utopien werden. Sonst dürften weitere Konkurse in der eVTOL-Branche folgen. Und damit verkommen die Start-ups zu Luftnummern und Bauernfängern.