Die australischen Streitkräfte sollen schlagkräftiger werden. Dazu investiert die Regierung im grossen Stil in die heimische Rüstungsindustrie.
Australien will die Abhängigkeit von importierter Munition und Raketen verringern und baut selber entsprechende Kapazitäten auf. Bis zu 18 Milliarden australische Dollar, umgerechnet gut 10 Milliarden Franken, will das Land in den nächsten zehn Jahren unter anderem dafür ausgeben, dass moderne Lenkwaffen in Australien selber hergestellt werden können. Das gab der Minister für die Rüstungsindustrie, Pat Conroy, am Mittwoch in Canberra bekannt.
Erstmals Raketen für Himars ausserhalb der USA produzieren
In Kooperation mit dem amerikanischen Rüstungsunternehmen Lockheed Martin sollen ab 2029 in Australien Raketen hergestellt werden, welche mit dem Mehrfachraketenwerfersystem Himars abgefeuert werden können. Australien hat bei Lockheed Martin 42 Himars-Systeme bestellt, die zwischen 2025 und 2027 ausgeliefert werden sollen.
Die neue Anlage werde die erste ausserhalb der USA sein, welche Himars-Raketen produziere, sagte Conroy. Die angestrebte Jahresproduktion von 4000 Stück werde einem Viertel der heutigen globalen Produktion entsprechen.
Der Aufbau einer eigenen Raketenproduktion folgt der Logik der Strategic Defence Review, nach der Canberra seit letztem Jahr seine Verteidigungspolitik neu ausrichtet. Dort heisst es: «Wir befinden uns in einem ‹Raketenzeitalter›; die moderne Kriegsführung ist geprägt durch die Verbreitung von Präzisionswaffen mit grosser Reichweite.» Dadurch habe sich Australiens natürlicher Vorteil bei der Verteidigung, seine geografische Abgelegenheit, verringert.
Langstreckenraketen seien für die Abschreckung eines Gegners von entscheidender Bedeutung, schreibt Conroy in einem Meinungsbeitrag in der Zeitung «The Australian»: «Sie ermöglichen, die Streitkräfte des Gegners über grössere Entfernungen hinweg in Gefahr zu bringen. Die Beschaffung dieser Waffen hat jedoch lange Vorlaufzeiten. Die weltweiten Produktionskapazitäten sind begrenzt und können nicht schnell erhöht werden. Australien war bisher nicht in der Lage, diese Waffen im eigenen Land herzustellen.»
Treiber für die australische Aufrüstung ist die wahrgenommene Bedrohung durch China. Australien ist besorgt darüber, dass Peking Seewege zu kontrollieren versucht, die für seine wirtschaftliche Prosperität ebenso wichtig sind wie für die Verbindung zu seinem Sicherheitspartner USA. «Der strategische Wettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und China ist ein Hauptmerkmal des australischen Sicherheitsumfelds», sagte Conroy bei der Vorstellung der neuen Pläne vor Journalisten.
Australien baut seine Rüstungsindustrie stark aus
Parallel zu den Raketen will Australien künftig selber Artilleriemunition des Kalibers 155 mm produzieren, welches von Haubitzen des amerikanischen Typs M777 verschossen wird. Die australische Armee hat 48 solche Geschütze in ihrem Arsenal, nachdem 6 der Ukraine gespendet worden sind.
Das französische Rüstungsunternehmen Thales wird in einer staatlichen Munitionsfabrik im Gliedstaat Victoria die Produktionslinie aufbauen. 2028 sollen 15 000 Granaten vom Band laufen. Ziel ist, die Produktion auf 100 000 Stück pro Jahr zu erhöhen.
Bereits heute produziert die deutsche Rheinmetall in Kooperation mit der lokalen Firma NIOA Granathülsen der Grösse 155 mm in Australien. Diese werden nach Deutschland verfrachtet und von Rheinmetall mit Sprengstoff gefüllt. Von dort gehen sie zum grössten Teil in die Ukraine.
Laut Angaben von Conroy unterscheiden sich diese Granaten von denen, die künftig in Australien hergestellt werden. Den für Europa produzierten Granatentyp verwende Australien selber nicht, sagte der Minister für Rüstungsindustrie.
Australien ist auf ausländisches Know-how angewiesen
Die aktuell verkündeten neuen Rüstungsprogramme sind ein weiterer Schritt in den Anstrengungen der australischen Regierung, die eigenen Streitkräfte schlagkräftiger zu machen. Dazu gehört der Aufbau einer Rüstungsindustrie. Das Land ist stark auf ausländisches Know-how angewiesen, weil die industriellen Kapazitäten Australiens über lange Zeit geschrumpft sind. So ist die frühere Autoindustrie komplett verschwunden.
In der jüngeren Vergangenheit konnte Canberra aber einige internationale Rüstungskonzerne zu Investitionen bewegen. Im August wurde zum Beispiel bekannt, dass die norwegische Firma Kongsberg mit Unterstützung der australischen Regierung eine Fabrik zur Produktion von Raketen aufbauen wird.
Ab 2026 sollen dort die Naval Strike Missile (NSM) und Joint Strike Missile (JSM) hergestellt werden. Die erste Rakete wird auf Schiffen eingesetzt, um andere Schiffe und Landziele zu bekämpfen. Der zweite Typ wird von Kampfjets gegen Ziele an Land und auf See eingesetzt. Beide haben eine Reichweite von mehreren hundert Kilometern. Die australische Marine setzt bereits NSM ein, die Luftwaffe prüft den Einsatz der JSM. Sie fliegt verschiedene Flugzeugtypen, welche mit JSM bewaffnet werden können.