Die Nachfrageschwäche in China setzt den Herstellern von Hautcrèmes und Lippenstiften zu. Aktien von Kosmetikfirmen waren im bisherigen Jahresverlauf ein Reinfall.
Beim Thema China gerieten Manager von Kosmetikfirmen ähnlich wie Führungskräfte von Uhren- und Schmuckfirmen jahrelang ins Schwärmen. Chinesische Konsumentinnen und Konsumenten leisteten sich laufend mehr Luxusprodukte, nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf Reisen in alle Teile der Welt. Steigende Löhne sowie Kapitalgewinne mit Aktien und Immobilien verliehen ihnen grosse Zuversicht und liessen sie bei Kosmetikprodukten auch zu den teuersten Hautcrèmes, Shampoos und Lipsticks greifen.
Flaute in Hongkong und auf der Ferieninsel Hainan
Doch aus dem langjährigen Absatzparadies China ist für die Branche ein Markt voller Fallgruben geworden. Wegen der schwachen Konjunkturentwicklung, eines scharfen Einbruchs bei den Immobilienpreisen sowie steigender Arbeitslosigkeit vor allem unter Jungen üben viele chinesische Konsumenten Zurückhaltung und kaufen teilweise nur noch das Nötigste.
Auch die Reiselust der Chinesen hat deutlich nachgelassen. Dies bekommen nicht nur Kaufhäuser und Duty-free-Geschäfte in Europa und Nordamerika schmerzhaft zu spüren, sondern auch Läden auf der chinesischen Ferieninsel Hainan sowie in Hongkong.
Besonders gute Geschäfte mit Chinesen machte lange Zeit der US-Kosmetikkonzern Estée Lauder. Im zurückliegenden dritten Jahresviertel sank der Umsatz des Unternehmens in der Verkaufsregion Asien-Pazifik aber um 11 Prozent. Das Management machte dafür die schwache Nachfrage in China und Hongkong verantwortlich.
Estée Lauder halbiert Dividende
Wie bei vielen Konzernen mit starker Abhängigkeit von China hofft man auch bei Estée Lauder darauf, dass die vor kurzem angekündigten staatlichen Massnahmen zur Ankurbelung der chinesischen Wirtschaft Konsumenten neues Vertrauen schenken werden. Allerdings, so glaubt man in der New Yorker Konzernzentrale, dürfte eine Besserung erst auf mittlere bis längere Sicht eintreten. Vorerst sei mit «weiteren starken Rückgängen» bei der Nachfrage nach Kosmetika in China sowie in asiatischen Läden für Reisende zu rechnen, teilte Estée Lauder diese Woche mit.
Wegen der grossen Unsicherheit beschloss das Unternehmen, keine Prognose mehr für das laufende Geschäftsjahr (per Ende Juni 2025) zu wagen sowie künftig nur noch eine ungefähr halb so hohe Dividende wie bisher zu bezahlen. All diese Hiobsbotschaften führten dazu, dass der Aktienkurs von Estée Lauder am Donnerstag um fast 21 Prozent einbrach. Seit Anfang Jahr summieren sich die Verluste auf über 50 Prozent.
Damit haben die Papiere des Traditionskonzerns besonders stark nachgegeben, doch präsentiert sich die Bilanz im bisherigen Jahresverlauf auch für die Aktionäre der meisten anderen Kosmetikproduzenten düster. So hat der amerikanische Parfumhersteller Coty fast 40 Prozent an Wert verloren, während es für Shiseido aus Japan um 27 Prozent nach unten ging. Sogar die Nummer eins im Geschäft mit der Schönheit, L’Oréal, wurde an der Börse seit Jahresbeginn um 22 Prozent abgestraft.
L’Oréal verfehlt Markterwartungen
L’Oréal wird in der Branche weitherum wegen der hohen Innovationskraft, einer üppig ausgestatteten Bilanz sowie eines Produktportfolios bewundert, dessen Breite seinesgleichen sucht. Doch auch der französische Grosskonzern hat sich in eine deutlich gestiegene Abhängigkeit von China begeben.
Wegen der Schwäche des chinesischen Marktes fiel das organische Wachstum im dritten Quartal unter den Markterwartungen aus. Im vergangenen Jahr dürfte L’Oréal laut Schätzungen des Brokers Morgan Stanley noch rund ein Fünftel des Umsatzes im Reich der Mitte erwirtschaftet haben.
Was wird aus dem Boom im Geschäft mit Parfums?
Derweil bereiten der Kosmetikbranche nicht nur chinesische Konsumenten Probleme. Auch in den USA und in Europa ist das Umfeld für die Branche rauer geworden. Wie andere Konsumgüter erfreuten sich Kosmetikprodukte, als Geschäfte nach der Aufhebung von Lockdown-Massnahmen wieder zugänglich waren, zunächst einer hohen Nachfrage. Noch ist offen, auf welchem neuen Niveau sich der Markt nach diesem Boom einpendeln wird.
Jüngst sorgte das – vorab unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen – stark gestiegene Interesse an teuren Parfums für einen Nachfrageschub. Bei Morgan Stanley hegt man indes die Befürchtung, dass das Phänomen schon bald vorbei sein könnte. In der Kosmetikbranche sind Trends oft nicht besonders langlebig.