Im Norden des Kantons Zürich ist der Widerstand gegen die Nutzung der Windkraft am grössten. Aber es gibt auch andere Stimmen.
In der Frage der Windenergie ist die südöstliche Ecke des Kantons Zürich am offensten. Auf beiden Seiten der Grenze von Wald und Rüti liegt das für einen Windpark geeignete Gebiet Batzberg. Die Gemeinden leiten bereits erste Schritte ein, um die Idee umzusetzen.
Die Bewilligung für einen Mast, um den Wind zu messen, sei eingegeben, alle Grundeigentümer habe man informiert, sagt Ernst Kocher, Gemeindepräsident von Wald, gegenüber der NZZ. Alles geschehe in Absprache mit dem Gemeinderat von Rüti. Auch der steht laut der Gemeindepräsidentin und Mitte-Nationalrätin Yvonne Bürgin der Windkraftnutzung grundsätzlich positiv gegenüber.
Auf dem Batzberg soll es möglich sein, mit drei Windrädern Strom für etwa 8500 Personen zu erzeugen. Wenn sie das höre, könne sie nicht einfach sagen: «Das machen wir nicht», sagt Bürgin. Das Potenzial wird auf 26 Gigawatt pro Jahr geschätzt. Das ist mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs von Rüti oder Wald mit je über 10 000 Einwohnern. Aber man will es noch genauer wissen, deshalb die Messung während mindestens eines Jahres.
Hürden gibt es noch genug. Eine Gemeinde stemme ein Windkraftwerk nicht alleine, sagt Kocher. Der Vorteil für Wald: Sein Elektrizitätswerk ist mit 7 Prozent am Energieversorger SN beteiligt, der in den Kanton Glarus und St. Gallen tätig ist. Beide Seiten sind daran, zusammen mit den St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken eine Vereinbarung abzuschliessen, um am Batzberg das Windkraftpotenzial zu eruieren.
Als SVP-Mitglied ist Kocher als Befürworter der Windenergie ein Exot. Aber mit klaren Standpunkten. «Wichtig ist, faktenbasiert zu argumentieren», sagt Kocher. «Und ich finde es wichtig, dass wir unsere Eigenverantwortung wahrnehmen und einen Beitrag zu einer sicheren Energieversorgung leisten.» Am nächsten Samstag besichtigt eine Delegation aus Wald und Rüti das deutsche Windkraftwerk Verenafohren jenseits der Grenze bei Schaffhausen.
In Rüti war zwar eine Initiative hängig für einen Mindestabstand von 1000 Metern zu bewohnten Gebäuden, was den Bau von Windrädern faktisch verunmöglicht hätte. Die Abstimmung ist jedoch hinfällig, weil der Einzelinitiant aus der Gemeinde weggezogen ist. Was Yvonne Bürgin fast etwas bedauert: Es wäre eine Gelegenheit gewesen, die notwendige Diskussion über Windkraft zu führen und den Puls der Bevölkerung zu fühlen, sagt sie. In der Nachbargemeinde Wald hat im Juni die Gemeindeversammlung eine gleichlautende Initiative abgelehnt.
Kritik an der Methodik
Wald und Rüti bilden eher die Ausnahme. Generell überwiegt Skepsis bis entschiedene Ablehnung in den 20 Eignungsgebieten für die Windkraft, die der Regierungsrat in den kantonalen Richtplan aufnehmen will. Das zeigt eine Bestandesaufnahme unter Standortgemeinden. Ende Oktober ist die Frist für die Vernehmlassung abgelaufen.
Am heftigsten ist der Widerstand im Norden des Kantons. Vor allem die Auswirkungen auf die Landschaft und die Ortsbilder durch die bis über 200 Meter hohen Turbinen werden ins Feld geführt. Ebenso die Folgen für die Natur, die Tierwelt und den Wald. Der betriebene Aufwand ist teilweise enorm. Das kleine Dägerlen mit 1100 Einwohnern hat allein fünf Dokumente mit insgesamt 97 Seiten Umfang an den Kanton geschickt.
Bevor der Gemeinderat die Streichung des Eignungsgebiets verlangt, fordert er ein korrektes Verfahren. Er kritisiert eine mangelhafte Abklärung und Verstösse gegen das Bundes- und das Waldrecht. Beigefügt sind den Stellungnahmen zwei Expertengutachten. Im Weinland unterstützt die Stiftung für Landschaftsschutz die Windkraftkritiker, die sich zum Verein Gegenwind Wyland zusammengeschlossen haben.
Am Stammerberg liegt mit acht Windturbinen der grösste mögliche Windpark im Kanton Zürich. Auch hier zerzaust der Gemeinderat Stammheim in 11 Einwendungen bis ins Detail die Methodik, mit der die Eignung des Gebiets hergeleitet worden ist. Er wirft der federführenden Baudirektion vor, mit willkürlichen Eingriffen eine «Lex Stammerberg» geschaffen zu haben. Es sei ein Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Natur- und Heimatschutz einzuholen.
An anderen Orten wird darauf verwiesen, dass man schon Lasten trage, etwa im Rafzerfeld, wo das Eignungsgebiet den hübschen Namen Gnüll trägt. Sie hätten bereits Flugverkehr, Kiesabbau und in Zukunft noch ein Endlager für radioaktive Abfälle in der Nähe: Nun solle noch ein Windpark dazukommen, klagt der Gemeinderat von Wasterkingen.
Die Ausnahme im Norden ist Winterthur, wo im Westen der Stadt auf dem Berenberg ein Windpark vorgesehen ist. Der Stadtrat begrüsse generell den Ausbau lokaler erneuerbarer Energie – und somit auch die Nutzung lokaler Windkraft, lautet die Auskunft. Das ist nur folgerichtig, weil sich das Winterthurer Stadtwerk mit dem Stadtzürcher EWZ und den kantonalen EKZ zu Zürich Wind zusammenschloss, um gemeinsam Windparks zu realisieren.
Nachbarn teilweise uneinig
Nicht jede Exekutive ist so rigoros wie in Bubikon, für die ein Windrad auf dem Hombergchropf schlicht «nicht infrage kommt». Der Stadtrat von Wädenswil befasste sich derweil eingehend mit Vor- und Nachteilen des Eignungsgebiets Wädenswiler Berg. Er beantragt vor allem aus landschaftlichen Gründen, den Standort nochmals zu überprüfen.
Kommunen mit gemeinsamem Standort sind sich keineswegs immer einig. Hinwil, wo die Gemeinde bereits mit einem Mindestabstand in der Bauordnung Windräder verhindern will, wehrt sich erwartungsgemäss gegen den Standort im Grenzgebiet zu Wetzikon. Dessen Stadtrat stimmt dagegen unter Vorbehalten zu. Ähnlich im Knonauer Amt: Hedingen will vom Eignungsgebiet Birch nichts wissen, der Nachbar Bonstetten steht dessen Nutzung für Windenergie positiv gegenüber.
Die Vernehmlassung gilt auch für den Entwurf zu einer Änderung des Energiegesetzes. Die Straffung des Bewilligungsverfahrens, die keine Mitbestimmung der Gemeinde vorsieht, wird oft kritisiert, die mögliche Beteiligung an einem Projekt positiv beurteilt, die sich wirtschaftlich auszahlen kann.
In diesem Zusammenhang ist ein Blick in den Kanton Thurgau interessant. Er nahm bereits 2020 Gebiete für Windkraft in seinen Richtplan auf, weshalb die Diskussion hier weiter gediehen ist. So in Thundorf östlich von Frauenfeld: Am 24. November findet hier aufgrund des Thurgauer Verfahrens eine Urnenabstimmung über drei Windräder statt, welche die EKZ zusammen mit dem Energieversorger EKT planen.
Ein Punkt ist im Kanton Zürich noch kaum Thema: wie Standorte finanziell profitieren können. Der Gemeinderat Thundorf, der den Windpark unterstützt, rechnet mit jährlich bis 450 000 Franken Zusatzeinnahmen aus dem Verkauf von Strom und durch Steuern. Für eine Kommune mit gut 1600 Einwohnern und einem Budget (ohne Schule) von knapp 5 Millionen Franken ist das mehr als ein Zustupf.
Flut von Einwendungen
Die erwähnten Stellungnahmen ergeben nur ein unvollständiges Bild. Die 20 Eignungsgebiete verteilen sich auf insgesamt 46 Zürcher Gemeinden. Dazu kommen 15 weitere solche Gebiete, die vorläufig in den Zürcher Richtplan aufgenommen werden sollen. Selbstverständlich konnten nicht nur die Standorte an der Vernehmlassung teilnehmen, sondern alle Gemeinden, Regionen, Nachbarkantone, Verbände und Parteien.
Auch Einzelpersonen: Die knapp 500 Einwendungen, welche die Windenergiekritiker von Freie Landschaft Zürich diese Woche einreichten, sind wohl nur die Spitze des Eisbergs. Einzelne Gemeinden wie Dägerlen forderten ihre Einwohner auf, Einwendungen abzuschicken. Bubikon bot auf der Website gleich eine ausformulierte Version an.
Allerdings kommt es auf die Argumente an, nicht die Anzahl Teilnehmer. Das zeigte das Beispiel der Jagdschiessanlage Widstud bei Bülach. Allein gegen diesen Richtplaneintrag gingen vor über zehn Jahren mehr als 4000 Einwendungen ein, was eher den Charakter einer Petition hatte. Immerhin hat man die Pläne angepasst, die Schiessanlage aber wurde gebaut und im letzten Jahr eröffnet.
In den letzten Tagen und Wochen ging sehr viel Post ein im kantonalen Amt für Raumentwicklung. Es wird wohl ein Jahr dauern, bis sie gesichtet ist. Die überarbeitete Richtplanvorlage geht dann an den Kantonsrat, der abschliessend darüber entscheidet. Die geplante Änderung des Energiegesetzes jedoch untersteht dem fakultativen Referendum.