Der Niederländer Slot legt mit dem 4:0-Sieg am Dienstag gegen Leverkusen in der Champions League den besten Start aller Trainer hin, die je einen Premier-League-Klub übernommen haben.
Kurz vor Matchende fingen die Fans des FC Liverpool an, ihren Trainer Arne Slot zu würdigen. Sie sangen: «Arne Slot! Na-na, na-na-na!» Den Lobgesang hatte Jürgen Klopp zum Ende der letzten Saison auf seiner Abschiedsfeier im ausverkauften Anfield-Stadion am Mittelkreis kreiert, indem er den Namen von Slot in den eigentlich auf ihn getexteten Schlachtruf einfügte, um die Ära seines Nachfolgers einzuläuten.
Klopp trällerte das Liedchen damals so lange, bis alle Liverpool-Sympathisanten eingestimmt hatten. Von dieser Geste zeigte sich Slot nun berührt, er sagte, es sei «immer speziell», wenn die Leute seinen Namen riefen. Dafür müsse er sich bei Klopp bedanken, der die Idee dazu hatte.
Nach fast neun Klopp-Dienstjahren galt eine erfolgreiche Übernahme des Trainerjobs an der Merseyside wegen der Beliebtheit des Deutschen als genauso aussichtslos, wie gegen Liverpools Fans anzusingen. Doch Slot hat es geschafft, dass der Verein nicht in den Tränen des Abschiedsschmerzes versunken ist.
Der Niederländer legte mit dem 4:0-Sieg am Dienstag gegen Leverkusen in der Champions League sogar den besten Start aller Trainer hin, die je einen Premier-League-Klub übernommen haben: Slot gewann mit seiner Mannschaft 14 der ersten 16 Pflichtspiele, lediglich das Heimspiel gegen Nottingham Forest im September ging verloren. Liverpool führt die Premier League an und liegt auch im Mammutklassement der Champions League vorn, dort ohne Punktverlust.
Alonso hatte für den Match eine spezielle Taktik entworfen – aber nach der Pause nützte alles nichts mehr
Slots Bilanz sorgt dafür, dass in England in Vergessenheit geriet, dass sich der Verein nach dem Rücktritt Klopps angeblich für Xabi Alonso als seinen Nachfolger interessiert hatte – der jedoch entschied, in Leverkusen zu bleiben. Ohne Alonsos Absage wäre Slot jetzt vielleicht nicht Trainer in Liverpool.
Die BBC bilanzierte nach dem Spiel vom Dienstag angesichts dieser Konstellation, dass Slot Alonso «in den Schatten gestellt» habe. Die Niederlage in Liverpool war für Alonso – neben einem 1:5 in Frankfurt im Oktober 2022 – die höchste in seiner Profitrainer-Laufbahn, ebenso schmerzlich wohl wie der verlorene Europa-League-Final gegen Atalanta Bergamo in der letzten Saison. Denn für den Spanier war das Gastspiel in Anfield von besonderer Bedeutung.
Alonso war einst, von 2004 bis 2009, für den FC Liverpool als Spieler aufgelaufen. In dieser Zeit reifte er zum Weltstar, gewann mit den Reds 2005 die Champions League, als diese einen 0:3-Rückstand im berühmten Final von Istanbul gegen die AC Milan aufholten und im Elfmeterschiessen siegten. Damals erzielte der Mittelfeldstratege Alonso den kaum mehr für möglich gehaltenen Ausgleich, er traf mit dem Nachschuss von seinem verschossenen Elfmeter. Weil Alonso den Reds durch seine Nahbarkeit und Bescheidenheit das Gefühl vermittelte, er gehöre zu ihnen, besitzt er in Liverpool so etwas wie Heldenstatus.
Die Anhänger des FC Liverpool versuchten am Dienstag, als Alonso auf dem Weg zum Stadionausgang war, den geknickten Coach aufzubauen, sie applaudierten ihm und riefen seinen Namen. Alonso sagte, er trage ein bitteres Gefühl in sich, weil er durch das schlechte Resultat den Empfang nicht habe geniessen können. Leverkusens Goalie Lukas Hradecky sagte, sein Trainer habe unter der misslungenen Rückkehr gelitten.
Für den Match hatte Alonso eine spezielle Taktik entworfen; er agierte mit fünf Mittelfeldspielern und ohne Mittelstürmer. Der Torjäger Victor Boniface etwa spielte auf der linken Seite. Zunächst konnte der deutsche Meister damit den Gegner überraschen und das Spiel ausgeglichen gestalten – aber den in der Pause vorgenommenen Anpassungen von Slot hatte Leverkusen nichts entgegenzusetzen. Liverpool erhöhte die Schlagzahl, attackierte früher und setzte den Gegner durch Manndeckung unter Druck. Liverpools in der Angriffsmitte agierender Luis Díaz erzielte drei Tore, dazu traf Cody Gakpo.
Slot steht wie Klopp für Angriffsfussball und Pressing – fordert aber mehr Spielkontrolle ein
Liverpools Spielweise demonstrierte die Entwicklung des Teams unter Slot, sie gleicht mehr einer Evolution als einer Revolution. Slot vertraut der Arbeit von Klopp, er setzt auf die gleichen Spieler und die gleiche Formation. Andere Trainer hätten wohl zuerst einmal aus Eitelkeit den Ball weit zurückgespielt.
Lob gebührt auch der Fenway Sports Group, die dem Klub seit 2010 vorsteht. Mit derselben Detailversessenheit, wie der aufs Geld achtende Sportkonzern seine Spieler verpflichten lässt, suchten die Verantwortlichen nach einer Alternative für Klopp. Fündig wurden sie bei Slot, der in der letzten Saison Feyenoord Rotterdam trainierte und wie Klopp für Angriffsfussball und Pressing steht.
Trotzdem gibt es Unterschiede: Slot misst der Spielkontrolle eine höhere Bedeutung bei als sein Vorgänger, der 45-Jährige lässt nicht ausschliesslich Hochgeschwindigkeits-Fussball praktizieren. Unter Klopp habe Liverpool jeden Moment genutzt, um den Ball hinter die gegnerische Abwehr zu spielen, erklärte Slot kürzlich. Er hingegen verlange, Risiko und Ertrag besser einzuschätzen.
Seine Mannschaft tritt ausgewogener und defensiv kompakter auf, spielt ökonomischer. Dass sich die Spieler für seine Ideen begeisterten, liege an seinen moderaten Anpassungen, denkt Slot. Er trägt bereits viel dazu bei, dass sich der Klub von der Überfigur Klopp lösen kann. Die Liverpool-Fans betrachten ihn zunehmend als Arne Slot – und nicht mehr als Nachfolger Klopps.