Erstmals werde sich die Erde um mehr als 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmen, kündigt der europäische Erdbeobachtungsdienst Copernicus für 2024 an. Dabei war schon 2023 ein Rekordjahr.
Das Jahr 2024 wird aller Voraussicht nach einen neuen Temperaturrekord aufstellen. Das gab der europäische Erdbeobachtungsdienst Copernicus am Donnerstag in einer Medienmitteilung bekannt.
Die Temperaturen in den ersten zehn Monaten des Jahres lagen laut den Fachleuten auf Rekordniveau. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich die Erdatmosphäre im November und Dezember schlagartig abkühlen wird. Darum sagen sie voraus, dass die globale Durchschnittstemperatur des Gesamtjahres ungefähr um 1,59 Grad Celsius über dem vorindustriellen Temperaturniveau liegen wird. Wenn es so kommt, wird der letzte Temperaturrekord, der 2023 aufgestellt worden war, um 0,11 Grad übertroffen.
Dass die Temperaturmarke von 1,5 Grad voraussichtlich überschritten wird, wirkt auf den ersten Blick so, als ob der strenge Grenzwert aus dem Pariser Klimaabkommen gebrochen würde. Im Jahr 2015 hatte sich die internationale Staatengemeinschaft zum Abschluss der Uno-Klimakonferenz in Paris dafür ausgesprochen, die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen.
Doch in Wirklichkeit wird der Grenzwert des Pariser Abkommens in dem laufenden Jahr eindeutig noch nicht verletzt werden. Denn in diesem politischen Zusammenhang gilt der Grenzwert erst dann als überschritten, wenn der 20- bis 30-jährige Durchschnitt über der 1,5-Grad-Marke liegt.
Klimaforscher rechnen allerdings in der Tat damit, dass der Grenzwert irgendwann in den kommenden beiden Jahrzehnten überschritten wird. Über Fortschritte im Zusammenhang mit dem Pariser Klimaabkommen wird ab kommendem Montag in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, verhandelt werden.
Das Meereis hat nur eine geringe Fläche
Angesichts der globalen Rekordtemperaturen überrascht es nicht, dass die Fläche des Meereises gegenwärtig sehr gering ist. Das arktische Meereis hatte im Oktober laut Copernicus die viertniedrigste Ausdehnung seit Beginn der Aufzeichnungen, das antarktische Meereis sogar die zweitniedrigste.
Als Ursache für den Rückgang des Meereises und für den langfristigen Anstieg der Temperaturen sehen Klimaforscher den anhaltenden Ausstoss von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas, der die Konzentrationen dieser Gase in der Erdatmosphäre immer weiter steigen lässt.
Die kurzfristigen Temperaturschwankungen von Jahr zu Jahr (siehe Grafik) erklären Fachleute hingegen vorwiegend mit einem natürlichen Mechanismus im Pazifik – mit dem Wechselspiel zwischen El Niño und La Niña.
In den vergangenen Monaten ist El Niño, so nennt man die unregelmässig wiederkehrende Erwärmung des tropischen Pazifiks, zu Ende gegangen. El Niño hat normalerweise in den Monaten danach zur Folge, dass die globale Mitteltemperatur ansteigt. Das war auch diesmal der Fall. La Niña hingegen führt zu einer zeitweiligen Abkühlung – sowohl im tropischen Pazifik als auch anschliessend global. Bis jetzt hat sich der tropische Pazifik allerdings weniger stark abgekühlt, als zuvor erwartet worden war.
Die globale Mitteltemperatur verharrt weiterhin auf Rekordniveau: Laut Copernicus waren 15 der vergangenen 16 Monate um mindestens 1,5 Grad wärmer als in vorindustrieller Zeit. Selbst wenn die Temperatur in den kommenden Monaten voraussichtlich um ein paar Zehntelgrad sinken dürfte: An dem langfristigen Erwärmungstrend ändert dies nichts.