Risikobehaftete Anlagen reagieren mit kräftigen Kursavancen auf den klaren Wahlsieg von Donald Trump. Das The Market Risk Barometer steigt deutlich und ist kurz davor, ein Warnsignal zu senden.
«Keep partying, but dance by the door.»
Michael Howell von CrossBorder Capital
In der abgelaufenen Woche standen die Finanzmärkte ganz im Banne von Donald Trump. Entgegen der Erwartung vieler Kommentatoren hat der ehemalige Präsident der USA das Rennen erneut für sich entschieden – und zwar mit deutlichem Vorsprung.
Donald Trump gewann 312 Elektorenstimmen (die Herausforderin Kamala Harris kam auf 226), die Republikaner haben den Senat erobert und sind auf Kurs, im Repräsentantenhaus die Mehrheit zu verteidigen. Zudem hat Trump – anders als noch 2016 – nach derzeitigem Stand auch die Mehrheit der Wählerstimmen erhalten (Popular Vote).
Börsianer sind entzückt
Die Finanzmärkte reagierten euphorisch auf den Wahlsieg und zeigten sich erleichtert, dass der Ausgang der Wahlen so eindeutig ausfiel. Der US-Leitindex S&P 500 machte am Mittwoch einen Sprung um 2,5% nach oben und schloss auf einem Rekordhoch. Der Nasdaq preschte ebenfalls vor. Die US-Aktien zogen auch den Weltaktienindex und den Industrieländerindex von MSCI mit nach oben. Beide Barometer beendeten die Woche auf einem neuen Höchst.
Beim Bitcoin hiess es ebenfalls «Risk-on». Hatte die Kryptowährung in den vergangenen Wochen Mühe bekundet, die Marke von 70’000 $ zu überwinden, setzte nach den US-Wahlen der Höhenflug ein. Innerhalb weniger Tage schoss der Bitcoinpreis auf rund 82’000 $.
Angesichts des Rummels um die Rückkehr Trumps ging das Treffen der US-Notenbank (Fed) beinahe etwas unter. Wie erwartet senkten die Währungshüter den Leitzins um 25 Basispunkte auf ein Zielband von 4,5 bis 4,75%. Befürchtungen, das Fed könnte unter Trump zum Spielball der Politik werden, trat Fed-Chef Jerome Powell entschieden entgegen und erklärte, dass die Notenbank politischem Druck nicht nachgeben werde. Die Renditen auf zehnjährige US-Staatsanleihen, die zur Wochenmitte bis auf 4,43% geklettert waren, sanken zum Ausklang der Woche auf 4,3%.
Peking enttäuscht
Peking sorgte am Freitag allerdings für eine Enttäuschung unter den Marktakteuren: Die Regierung stellte Massnahmen im Umfang von 10 Bio. Yuan (ca. 1,4 Bio. $) in Aussicht, um die Verschuldung der Lokalregierungen zu refinanzieren. Auf eine Ankündigung direkter Stimulusprogramme, die den Binnenkonsum ankurbeln würden, warteten die Anleger vergebens. Das führte bei Unternehmen mit grosser Abhängigkeit von China mitunter zu heftigen Kurseinbussen.
Global war die Börsenstimmung indes ausgezeichnet. Der Weltaktienindex von MSCI beendete die Woche, wie erwähnt angetrieben von US-Aktien, 3,3% höher. Der Nasdaq 100 rückte 5,4% vor, der S&P 500 gewann 4,7%. China (+1,8%), der breite Schwellenländerindex (+1,2%) und Japan (+1,1%) profitierten ebenfalls von der aufgeräumten Stimmung.
Deutlich weniger erfreulich reagierten die Börsen auf dem Alten Kontinent, die alle Kursverluste einstecken mussten. Der Euro Stoxx 50 büsste 1,5% ein, der Swiss Market Index 1,4%, während der Londoner FTSE 100 1,3% tiefer schloss. Die Angst vor zunehmendem Protektionismus und die wohl zu wenig aggressiven Massnahmen Chinas belasteten die europäischen Aktienmärkte.
Bei den Sektoren gaben die Zykliker und die Technologiebranche den Takt vor: IT-Aktien verteuerten sich um 5,4%, Aktien des zyklischen Konsums kletterten um 5,3% nach oben, aber auch Finanz- (+4,3%) und Industrievaloren (+4,2%) profitierten von der Hoffnung auf weniger Regulierung und eine Re-Industrialisierung in den USA.
Defensive Branchen waren derweil nicht gefragt. Versorger (–0,2%) büssten im Wochenverlauf sogar leicht an Wert ein, während Basiskonsumunternehmen (+0,1%) und Gesundheitskonzerne (+0,5%) abgeschlagen zurückblieben.
Markante Stimmungsaufhellung
Nach zwei Wochen, in denen das Risk Barometer gefallen war, zeigte es nun eine eindrückliche Gegenbewegung: Es schoss von 56 auf 74 Zähler nach oben, womit es nur noch um Haaresbreite unter der Schwelle zur Euphorie notiert. Beim Anstieg um 18 Punkte handelt es sich um den zweitstärksten Anstieg überhaupt – einzig im Januar 2024 fiel der Zuwachs leicht stärker aus.
Von den neun Indikatoren, die in das Barometer einfliessen, haben sich alle aufgehellt.
Besonders eindrücklich war der Rückgang des Volatilitätsindex Vix, der die erwarteten Kursausschläge des S&P 500 misst: Er ist von klar über 20 auf rund 15 abgesackt, womit er die Erleichterung der Marktteilnehmer spiegelt.
Auch die Sektorperformance war massgeblich für den Anstieg des Risk Barometers verantwortlich. So gaben in den vergangenen Tagen nämlich vor allem besonders stark dem konjunkturellen Auf und Ab ausgesetzte Sektoren den Ton an, während defensive Werte auffällig zurückblieben. Small Caps zeigten ebenfalls eine eindrückliche Aufwärtsbewegung, womit sie ebenfalls einen signifikanten Beitrag zum Anstiegs des Barometers leisteten.
Gefährlich gute Stimmung
In der Summe hat sich die Stimmung spürbar aufgehellt, die Euphorie nach den US-Wahlen ist beträchtlich – und damit auch die Gefahr von Enttäuschungen. Die Börsen feiern zwar die wachstumsfreundlichen Pläne Trumps, übersehen aber die potenziellen Nebenwirkungen wie z.B. den erhöhten Inflationsdruck oder mögliche Rückschläge beim Welthandel.
«Die Aussicht auf einen neuen Handelskrieg machen die anderen wirtschaftsfreundlichen Teile von Trumps Agenda mehr als wett», warnen etwa die Strategen des kanadischen Analysehauses BCA Research. Der erhöhte Stand des Risk Barometers mahnt ebenfalls zur Vorsicht.
Obwohl sie zuletzt etwas weniger im Rampenlicht stand, ist die Berichtssaison noch immer am laufen. In den kommenden Tagen legen unter anderem folgende Unternehmen ihr Ergebnis vor: Bridgestone und Lem (Montag), Alcon, On, Shopify, Spotify und The Home Depot (Dienstag), Cisco (Mittwoch), Applied Materials, JD.com, Swiss Re und Walt Disney (Donnerstag) sowie Alibaba (Freitag).