Der bayrische Handelskonzern kämpft aufgrund selbstverschuldeter Finanzprobleme ums Überleben. Derzeit wird mit den Gläubigern verhandelt, der Konzernchef musste jüngst gehen. Am Montagabend wurde bekannt, dass die Bafin die Bilanz 2023 überprüfen will.
Deutschlands grösster Agrar- und Baustoffhändler kämpft seit Monaten ums Überleben. Jetzt kommen auch noch unangenehme Nachrichten aus Frankfurt hinzu: Die Finanzaufsicht Bafin hat mitgeteilt, den Konzernabschluss von Baywa für das Jahr 2023 und den zugehörigen Lagebericht einer Bilanzkontrolle zu unterziehen.
Die Behörde hat nach eigenen Angaben konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Darstellung der Finanzlage und der Risiken aus der Finanzierung des Konzerns fehlerhaft war. Auch an der Darstellung der Ziele und Methoden des Risikomanagements gibt es Zweifel. An der Börse gaben die Aktien des genossenschaftlich geprägten Konzerns daraufhin am Dienstag weiter nach und notierten knapp über dem Rekordtief. Die Titel haben 2023 rund 70 Prozent an Wert verloren.
Abschreibungen über 222 Millionen Euro
Baywa ist nach einem enormen Wachstum in den vergangenen Jahren in eine existenzielle Krise gerutscht. Bereits für das Jahr 2023 hatte der Konzern erstmals in der hundertjährigen Geschichte einen Verlust ausgewiesen. In diesem Jahr verschlimmerte dann die Entwicklung bei der Energietochter Baywa r. e. die Lage.
Das Unternehmen ist unter anderem ein wichtiger Dienstleister für die Landwirtschaft in Bayern und ein sehr bedeutender Akteur im Obst- und Gemüsehandel. Baywa nimmt Bauern im Herbst ihre Produkte ab und verkauft sie weiter. In den vergangenen Jahren hat der Konzern jedoch global Zukäufe getätigt. Ende der 2000er Jahre war das Management ferner über die Tochter Baywa r. e. ins Geschäft mit Wind- und Solarparks eingestiegen und vermarktet teilweise auch die erzeugte Energie. Diese Einheit steht derzeit im Zentrum der Probleme.
Ende September hatte der Konzern nach einem Bewertungstest eine Abschreibung über 222,2 Millionen Euro bekanntgegeben. Davon entfiel der Löwenanteil mit 171,5 Millionen auf Baywa r. e. An dieser hält der Mutterkonzern noch 51 Prozent, die anderen 49 Prozent sind im Besitz der Zürcher Investmentgesellschaft Energy Infrastructure Partners (EIP).
Baywa r. e. ist im Prinzip ein Projektentwickler für Solar- und Windparks, womit das Geschäftsmodell jenem von Immobilienentwicklern gleicht, von denen in den vergangenen Jahren ebenfalls viele durch die stark gestiegenen Zinsen und schlechtes Management in die Krise gerieten.
Konzern- und Finanzchef müssen Unternehmen verlassen
Durch die Fokussierung auf starkes Wachstum drücken das Unternehmen inzwischen hohe Schulden über insgesamt rund 5,5 Milliarden Euro. Zugleich sind die Zinsen in den vergangenen beiden Jahren erheblich gestiegen. Mitte August hatten sich Anteilseigner und Gläubigerbanken auf einen Überbrückungskredit und Liquiditätshilfen in Höhe von 547 Millionen Euro geeinigt, Ende September wurde der Überbrückungskredit schliesslich um weitere 500 Millionen Euro bis Jahresende erhöht.
Zeitgleich mit der angelaufenen Restrukturierung stellt sich der Konzern inzwischen auch personell neu auf. Mitte Oktober hatte Baywa mitgeteilt, sich auf Ende des Monats vom Konzernchef Marcus Pöllinger zu trennen. Der Finanzvorstand Andreas Helber wird Ende März das Unternehmen verlassen.
Der starke Mann im Konzern war ohnehin bereits Michael Baur, ein Restrukturierungsexperte der Unternehmensberatung Alix Partners. Er agierte bis Mitte Oktober als Generalbevollmächtigter sowie oberster Restrukturierer und rückte dann auch als neues Mitglied in den Vorstand auf. Er bleibt aber auch in Diensten von Alix Partners.
Dem Vernehmen nach hatten vor allem Banken in den Verhandlungen über die Rettung des Konzerns auf einen Austausch verschiedener Führungskräfte gedrängt. Der langjährige Vorstandsvorsitzende Klaus Josef Lutz, der 2023 an die Spitze des Aufsichtsrates gewechselt war, musste das Unternehmen bereits in diesem Frühjahr im Streit verlassen. Er gilt als Treiber der Wachstumsstrategie.
Bisher ohne Schaden davongekommen ist hingegen Matthias Taft, Chef von Baywa r. e. Er hatte selbst ebenfalls einen enormen Wachstumspfad verfolgt, was in den Jahren des Booms von Solar- und Windkraftanlagen sowie niedriger Zinsen auch geglückt war. Allerdings wurde sowohl bei der Konzernmutter als auch bei der Tochter offenbar das Risikomanagement stark vernachlässigt.
Verhandlungen über Verkauf von Anteilen
Bis zum Jahresende muss der Konzern nun ein neues mittelfristiges Restrukturierungskonzept vorlegen. Derzeit scheinen noch nicht alle Gläubiger an Bord. Um selbst Gelder zu generieren, soll wohl die Mehrheit an Baywa r. e. an den Minderheitseigner aus Zürich verkauft werden. In der Branche ist zu vernehmen, dass EIP sogar offen dafür sei, das Unternehmen ganz zu übernehmen. Bei Baywa fürchtet man jedoch, die Anteile in der derzeitigen Not zu einem zu schlechten Preis verkaufen zu müssen, und ist deshalb vorsichtig.
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