On hat es in den USA geschafft, eine angesagte Marke zu werden. Es braucht aber viel Arbeit, um den Erfolg zu halten: an den eigenen Läden, den Produkten und vor allem am Markenauftritt.
Der Schweizer Schuhhersteller On ist weiterhin auf strammem Wachstumskurs. Im abgelaufenen Quartal hat er seinen Umsatz um 32 Prozent auf 636 Millionen Franken gesteigert, wie der Konzern am Dienstag mitteilte. Die Bruttogewinnmarge betrug erstmals mehr als 60 Prozent – mehr als je zuvor seit dem Börsengang in New York 2021.
Die Analysten gratulierten der On-Führung zwar reihenweise, als sie an einer Konferenzschaltung Rückfragen zu den Zahlen stellten. Die Anleger reagierten aber etwas enttäuscht, weil On die Gewinnerwartungen im Markt knapp verfehlt hatte. An der Börse verlor die On-Aktie etwas an Boden. Es ist der Beleg dafür, dass der wirtschaftliche Erfolg in Amerika stets neu verdient werden muss.
Amerika bleibt der wichtigste Absatzmarkt
In der mittel- und langfristigen Betrachtung hellt sich das Bild deutlich auf, haben die On-Titel doch ein starkes Rally hinter sich. Seit Jahresbeginn hat sich der Wert der Aktien fast verdoppelt, seit vergangener Woche weisen sie ein Plus von über 6 Prozent auf.
On wurde erst 2010 gegründet und weist dennoch bereits eine Marktbewertung von über 16 Milliarden Dollar auf. Kein anderes Schweizer Jungunternehmen ist in jüngerer Zeit derart schnell zu einer reifen Firma herangewachsen; dass sich On an der New Yorker Börse kotieren liess, wo die Investoren mehr Erfahrung mit Modeunternehmen aufweisen, hat sich ausbezahlt.
Um weiter zu wachsen, investiert der Schuhhersteller derzeit viel in die Markenpflege, die Verbreiterung der Produktepalette und neue eigene Läden, die in den vergangenen Monaten einen Grossteil zum Wachstum beigetragen haben. Die Märkte China und Japan sollen dazu beitragen, dass Asien zum zweiten Standbein für On heranreift, noch vor Europa. Das Wachstum der Verkäufe ist mit 79 Prozent im Vorjahresvergleich enorm hoch, der Umsatz aus Asien trägt aber erst etwas mehr als einen Zehntel zum Total bei.
Amerika ist und bleibt der wichtigste Markt für On. Der Kontinent hat in diesem Quartal mit 396 Millionen Franken fast zwei Drittel des Konzernumsatzes beigesteuert; ein Plus von immerhin 34 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahr. Und während der Schuhhersteller in Kanada und Brasilien gemäss eigenen Angaben rasch wächst, entscheiden noch immer die USA über den Erfolg oder Misserfolg von On.
Sport als Zugpferd
Einerseits hat sich On in den Vereinigten Staaten als Marke für ambitionierte (und zahlungskräftige) Läufer etabliert. Die Olympischen Spiele in Paris halfen dabei, dieses Image als Innovationstreiber zu stärken. On stellte damals die neuen «Lightspray»-Technologie vor, die es Anfang November auch neugierigen New Yorker Kunden in einem Showroom vorgeführt hat. Ein Grossteil des Materials der Schuhe wird direkt aufgesprüht, es müssen keine Teile mehr vernäht werden. Langfristig könnten die Schuhe somit viel lokaler und stärker personalisiert hergestellt werden als bisher.
Die Marathonläuferin Hellen Obiri, eine On-Markenbotschafterin, gewann mit Lightspray-Schuhen die Bronzemedaille in Paris. Bereits im Frühling hatte sie damit zum zweiten Mal den Boston-Marathon gewonnen, was auch ihrem Schuh- und Kleidersponsor einen positiven Auftritt bescherte.
Andererseits gelingt es On in den USA aber auch noch besser als in Europa, ein modebewusstes junges Publikum anzusprechen. Die Zusammenarbeit mit der Star-Schauspielerin Zendaya, die langfristig angelegt ist, soll diese Kunden noch enger an die Marke binden. On ist dabei nicht der erste Hersteller von Sportbekleidung, der mit Lifestyle-Produkten Erfolg haben will; der Yoga-Marke Lululemon oder dem grossen Konkurrenten Nike ist der Schritt bereits einmal gelungen.
Den Erfolg muss man sich bei dieser wählerischen Kundengruppe aber stets neu verdienen. Nike etwa hatte in den vergangenen Jahren das Potenzial seiner Klassiker zu sehr ausgereizt. Die Leuten haben nun genug Air Jordans zu Hause, und der Hersteller bleibt auf immer grösseren Lagerbeständen sitzen. Ein neuer CEO soll die Vertriebs- und Markenprobleme von Nike jetzt lösen, doch hat er früh klargemacht, dass dies einige Quartale Zeit beanspruchen werde.
On will jedenfalls auch in Zukunft nicht bloss darauf hoffen, jeden Lifestyle-Trend zu erwischen. Das Sortiment wird um Schuhe für weitere Sportarten erweitert. Der Finanzchef Martin Hoffmann betonte auf Anfrage einer Analystin, dass sich das Wachstum von On auf immer mehr Produkte abstütze. «Wir sind jetzt ein Seven oder Eight Trick Pony, kein One Trick Pony mehr.» Auf noch tiefem Niveau haben etwa die Verkäufe von Tennisschuhen besonders stark zugelegt. On will sich zudem vermehrt auch als Outdoor-Marke präsentieren und im Geschäft mit Trail-Running-Schuhen dazugewinnen.
Die Verkäufe von Sportbekleidung, die derzeit erst gut 4 Prozent an den Konzernumsatz beitragen, hinken weiterhin dem Schuhgeschäft hinterher. Doch ergänzen Jogginghosen und -shirts das Sortiment grundsätzlich gut. Idealerweise können die Marketing-Dollar, die On für seine Laufschuhe einsetzt, im Schlepptau auch die eigenen Kleiderlinien bekannter machen.
Mehr eigene Läden
Um den Kunden den Premium-Anspruch zu vermitteln – der letztlich die im Vergleich hohen Preise für die Schuhe rechtfertigt –, setzt On auch in den USA zusehends auf eigene Verkaufsläden. Acht sind es bereits, jüngst kamen Lokalitäten in Austin und Chicago dazu.
Anfang November hat On in New York City zudem bereits den dritten Laden eröffnet. Er soll der neue Flagship-Store werden und befindet sich in der Nähe des ikonischen Flatiron Building an der Fifth Avenue, der wichtigsten Einkaufsstrasse der Stadt.
On ist hier in guter Gesellschaft – einen Block weiter, an derselben Strasse, betreibt auch der Konkurrent Hoka einen Laden. Die beiden aufstrebenden Schuhhersteller haben es nicht ganz in die «luxury row» geschafft: den bekanntesten Abschnitt der Fifth Avenue, weiter nördlich zwischen der 49. und der 60. Strasse, wo Chanel, Tiffany und Co. um die Aufmerksamkeit der Kundschaft buhlen.
Aber während die Fifth Avenue dort von Touristen und Uber-Fahrern chronisch verstopft wird, haben die Besucher des On-Ladens auf der Höhe der 21. Strasse noch etwas mehr Platz auf dem Trottoir. Das Geschäft kann durchaus als Werbefenster in die Welt dienen; auch das Gebiet um das Flatiron-Gebäude ist auf der To-do-Liste vieler Touristen zu finden.
Automatisierung des Vertriebs
Im Frühling hat On in den USA indes noch mit einem Luxusproblem gekämpft. Die Nachfrage wuchs so schnell, dass der Vertrieb nicht mitkam. Dieses Problem wurde kurzfristig gelindert, indem On sein Lager an der Westküste stärker auslastete und öfter auf Luftfracht setzte, um seine Kleidung rechtzeitig in die Läden zu bringen. Das ist aber eine Übergangslösung, die auf Dauer wohl zu teuer wäre.
Im bestehenden Lager an der Ostküste, in Atlanta, will On nun eine stark automatisierte Lagerhaltung aufbauen. Martin Hoffmann sagte, dass dies zwar höhere Fixkosten mit sich bringe. Aber je mehr Volumen Atlanta abwickeln kann, desto weniger fallen diese Kosten ins Gewicht. Wenn die Tests erfolgreich verlaufen, kann der Schuhhersteller ab 2025 hier zunehmend mehr Volumen abfertigen und das hohe Wachstum stemmen, das sowohl die Firmenspitze als auch die Investoren von On erwarten.