Ultras der Zürcher Klubs sind im schweizweiten Vergleich besonders oft an Gewaltausbrüchen beteiligt.
Gewaltausbrüche während und nach Fussballspielen werden landesweit zum Dauerproblem. Gerade in Zürich ist es in den vergangenen Wochen zu etlichen Gewalttaten von Fussballfans gekommen.
Besonders um die Zürcher Fussballderbys sind die Klubs und Behörden mit einer Vielzahl von Vergehen konfrontiert. Einige Vorfälle allein vom Derby diesen Oktober: Fans überfallen andere Fans, Chaoten versprühen Pfefferspray in der S-Bahn, Vermummte werfen Flaschen gegen Einsatzkräfte.
Dass die Fangewalt rund um Spiele der Zürcher im schweizweiten Vergleich am gravierendsten ist, zeigen neue Zahlen des Bundesamtes für Polizei, die der NZZ vorliegen.
In der vergangenen Saison 2023/2024 zählte die Bundespolizei 26 Spiele mit Zürcher Beteiligung, an denen es zu gewalttätigen Ereignissen kam. Mit je 13 Partien sind Spiele des FC Zürich sowie der Grasshoppers gleichermassen betroffen. Mitgezählt wurden sowohl Heim- wie Auswärtsspiele.
Zu den gewalttätigen Ereignissen zählt die Bundespolizei beispielsweise Gäste-Fans, die im Extrazug Sachbeschädigungen begehen und dazu auf dem Fanmarsch Pyros und Böller zünden. Wenn «bloss» verbotenerweise Fackeln abgebrannt werden, wie dies in Schweizer Stadien während der Saison 643 Mal der Fall war, zählt dies nicht als gewalttätiges Ereignis.
Gravierender ist die Kategorie gewalttätige Ereignisse mit besonderer Schwere. Darunter versteht die Bundespolizei etwa, wenn Fans vor dem Spiel aneinandergeraten und die Polizei Reizmittel einsetzen muss. Auch tätliche Angriffe gegen das Begleitpersonal der Extrazüge fallen in diese Kategorie.
Diesbezüglich sind die Zürcher Vereine übervertreten. Bei Spielen mit Beteiligung der Grasshoppers kam es in der vergangenen Saison zu 14 schwerwiegenden Ereignissen (vgl. Grafik). Dies ist im schweizweiten Vergleich der höchste Wert. In sieben Fällen waren GC-Fans an Auswärtsspielen in Gewalttaten involviert, bei vier Ereignissen fielen GC-Fans an Heimspielen negativ auf.
Das Bundesamt für Polizei rechnet auch Gewalttaten der Gästefans mit ein. Wenn beispielsweise YB-Fans als Gäste von GC in Zürich gewalttätig werden, bekommen beide Klubs einen Eintrag.
Bei Spielen des FC Zürich kam es zu 10 schwerwiegenden Ereignissen in der vergangenen Saison. FCZ-Fans waren an 6 Auswärtsspielen sowie an 3 Heimspielen in solche Ereignisse involviert.
Keine Hooligans in Winterthur
Auch St. Gallen fällt negativ auf. Bei 11 Partien der Ostschweizer wurden schwerwiegende Ereignisse verzeichnet. Gerade als Gästefans sorgten die Ostschweizer in fünf Fällen für eine Gewalteskalation. Ebenfalls fünf Ereignisse gehen zulasten von Fans aus Bern und Basel, die in anderen Städten gewalttätig wurden.
Am anderen Ende der Skala rangiert Winterthur. Die Winterthurer Fans waren vergangene Saison in keine Gewalttaten rund um Matches der höchsten Spielklasse involviert.
Mitgezählt wurden nur Vorfälle, die unmittelbar an einem Spiel stattgefunden haben. Auch die Anreise mit Extrazügen oder die Fanmärsche gehörten dazu. Gewaltexzesse spielen sich heute oft fern dem Stadion ab. Manchmal eskaliert die Gewalt bereits Tage vor dem Spiel. Zu den Zahlen des Bundesamtes für Polizei kommt also eine hohe Dunkelziffer von Vorfällen, die nicht mitgezählt werden.
Um die Gewalt einzudämmen, können Behörden und Vereine Massnahmen aussprechen. In der Regel sind das Rayon- und Stadionverbote, aber auch Meldeauflagen oder sogar Polizeigewahrsam wären möglich.
Zürich hat am meisten Massnahmen verhängt. So sprach die Zürcher Stadtpolizei vergangene Saison 30 Rayonverbote aus. Zum Vergleich: In St. Gallen wurden 8, in Winterthur 6 und in Bern 4 solche Rayonverbote ausgesprochen.
Bei den Stadionverboten das gleiche Bild: Der FCZ sprach gegen 16 Personen, die Grasshoppers gegen 13 Personen ein Stadionverbot aus. In St. Gallen kam es zu 10 Stadionverboten, in Winterthur zu 4.
Wie soll es weitergehen?
Über die Frage, wie Gewalt verhindert werden soll, wurde vergangene Saison viel debattiert. Das vor einem Jahr vorgestellte Kaskadenmodell gilt mittlerweile als gescheitert. Die Swiss Football League (SFL) und die Behörden sind zerstritten, die Liga ist aus dem Modell ausgestiegen.
Die Kantone wollten mit abgestuften Massnahmen auf Ausschreitungen reagieren, etwa mit der Schliessung der Fankurven. Viele Fans hielten dies für Kollektivstrafen. Manche Massnahme, die einem präventiven Zweck hätte dienen sollen, wurde als Strafe für Ausschreitungen angewendet. Der FC Zürich hat aus diesem Grund sogar einen Rekurs gegen die Schliessung der Südkurve eingereicht, die nach Ausschreitungen bei einem früheren Spiel ausgesprochen worden war.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Einführung von personalisierten Tickets, gegen die sich die Klubs wehren. Ausschreitungen ausserhalb des Stadions würden damit kaum verhindert, aber personalisierte Tickets dürften auf potenzielle Unruhestifter abschreckend wirken. Wenn man wüsste, wer sich im Stadion aufhält, würde auch die Identifikation von Randalierern einfacher.