Für die Modernisierung der Luftwaffe setzt Ankara auch auf den Eurofighter. Deutschland hat das Kampfflugzeug zusammen mit anderen europäischen Staaten entwickelt, sträubte sich aber bislang gegen einen Verkauf an die Türkei.
Die Türkei ist einem wichtigen rüstungspolitischen Ziel einen Schritt näher gekommen: Laut dem Verteidigungsminister Yasar Güler ist die wichtigste Hürde zur Lieferung von 40 Eurofightern Typhoon aus dem Weg geräumt. Diese sollen zur Modernisierung der in die Jahre gekommenen türkischen Luftwaffenflotte beitragen. Mit der zweitgrössten Armee der Nato trägt die Türkei massgeblich zum Schutz der Südostflanke der Allianz bei. Das Land verfolgt aber auch eigene sicherheitspolitische Interessen, etwa in Syrien. Letzteres ist ein Grund, warum Deutschland die Lieferung der Eurofighter bislang abgelehnt hatte.
Zustimmung der beteiligten Staaten
Jetzt erklärte Güler in einem Fernsehinterview, dass die Bundesrepublik nun doch ihre Zustimmung gegeben habe. Das Kampfflugzeug wird von einem Konsortium aus britischen, spanischen, italienischen und deutschen Unternehmen hergestellt. Dem Verkauf müssen alle Staaten zustimmen.
Am Donnerstag präzisierten Quellen in Ankara gegenüber Reuters, dass Berlin die zuständige Behörde mit der Bearbeitung des Ausfuhrgesuchs beauftragt habe. Damit dürfte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gemeint sein, das deutsche Rüstungsexporte bewilligen muss. Der Prozess sei aber noch nicht abgeschlossen, berichtete Reuters.
Das deutsche Verteidigungsministerium und der federführende Hersteller, der britische Rüstungskonzern BAE, haben auf Anfrage der NZZ die Information weder bestätigt noch dementiert. Das Ministerium in Berlin verweist auf die britische Regierung. BAE schreibt, nur Berlin oder Ankara seien in der Lage, zur Sache Auskunft zu geben.
Dass sich die beteiligten Akteure die Verantwortung gegenseitig zuschieben, zeigt, wie heikel das Geschäft ist und wie sehr sich die Positionen der beteiligten Staaten unterscheiden. Doch der Reihe nach.
Übergangslösung für die Luftwaffe
Für Ankara hat die Modernisierung der Luftwaffe eine hohe Priorität. Im Jahr 2019 hatten alle türkischen Firmen das Konsortium für das zurzeit modernste Kampfflugzeug, F-35, verlassen müssen – als Strafmassnahme für den Kauf des russischen Flugabwehrsystems S400. Der Erzrivale Griechenland erhält aber weiterhin den modernen F-35.
Mit dem Modell Kaan treibt die Türkei die Entwicklung eines eigenen Kampfflugzeugs voran, das ähnliche Eigenschaften wie der F-35 hat. Im vergangenen Jahr fand der Jungfernflug statt. Bis zur Serienreife dauert es aber mindestens noch ein Jahrzehnt.
Deshalb setzt Ankara übergangsweise auf die Nachrüstung der bestehenden F-16-Flotte sowie den Kauf zusätzlicher Flugzeuge dieses Typs. Doch auch gegen dieses Geschäft gab es in Washington Widerstand. Beim Streit um Schwedens Nato-Mitgliedschaft ging es am Ende vor allem um diese Frage.
Parallel dazu bemüht sich Ankara seit vergangenem Jahr auch um den Eurofighter. Die Verhandlungen wurden fortgeführt, als Washington Anfang des Jahres grünes Licht für den F-16 gab. So will man die Abhängigkeit von einem Lieferanten verringern.
Deutsche Bedenken
Doch Deutschland sträubte sich gegen das Geschäft. Seit der türkischen Militäroperation in Syrien 2019 hat Berlin die Ausfuhr von Rüstungsgütern an die Türkei stark eingeschränkt. Bereits bei früheren türkischen Offensiven in Syrien waren auch deutsche Leopard-Panzer zum Einsatz gekommen.
Verteidigungsminister Yasar Güler sagte im Interview diese Woche, die Fürsprache aus London, Rom und Madrid sei wichtig gewesen, um auch Deutschland an Bord zu holen. Die türkischen Beziehungen zu den drei genannten Staaten sind relativ unbelastet.
London hatte sich bereits über das deutsche Veto bei den Verhandlungen über Eurofighter für Saudiarabien geärgert. Der Verteidigungsminister John Healey war diese Woche in Ankara, unter anderem um Rüstungsgeschäfte zu besprechen. In Spanien stellen auch der Krieg in Gaza und Erdogans ätzende Rhetorik gegenüber Israel keine Belastungsprobe für das bilaterale Verhältnis dar. Eher das Gegenteil ist der Fall. Madrid ist innerhalb der EU einer der lautesten Kritiker der israelischen Kriegsführung.
Sicherheitspolitische Zusammenarbeit
Völlig überraschend kommt die angedeutete Lockerung der deutschen Haltung also nicht. Anfang Oktober berichtete der «Spiegel», dass Berlin erstmals seit Jahren wieder eine grosse Rüstungslieferung im Wert von mehreren hundert Millionen Euro an die Türkei bewilligt habe.
Beim kurz danach erfolgten Arbeitsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Präsident Recep Tayyip Erdogan war der Eurofighter ein wichtiges Thema. Bei der Pressekonferenz sagte Scholz, man wolle die Verhandlungen vorantreiben. Dies ist nun offensichtlich geschehen.
Die Kursänderung zeugt von einem stärker realpolitisch oder auch transaktional geprägten Umgang mit der Türkei. Deutschland ist in Migrationsfragen auf die Zusammenarbeit mit Ankara angewiesen. Gleichzeitig erfüllt die Türkei an der Südostflanke eine wichtige sicherheitspolitische Funktion. Das Entgegenkommen in der Rüstungspolitik wird diesem Umstand gerecht.
An die grosse Glocke hängt Berlin dies freilich nicht, erst recht nicht in Zeiten des Wahlkampfs. Die Stärkung der türkischen Streitkräfte ist kein Thema, mit dem in der deutschen Innenpolitik Punkte zu holen sind. Der türkische Verteidigungsminister Yasar Güler gab sich im Interview dennoch zuversichtlich, dass sich die Regierungskrise in Berlin nicht negativ auf das Eurofighter-Geschäft auswirke.
Mitarbeit Marco Seliger, Berlin.