Am 6. November ist die deutsche Regierungskoalition zerbrochen, der Wahlkampf hat begonnen. Bereits am 23. Februar kommt es zu Neuwahlen. Wie geht es bis dahin weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten
Als Ampelkoalition wird das Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und FDP bezeichnet. Die Koalition, angeführt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), startete im Dezember 2021. Doch die Zusammenarbeit der drei Parteien galt von Beginn an als schwierig, die ideologischen Differenzen zeigten sich vor allem bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Zunächst überdeckte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die folgende Energiekrise die Probleme. Doch ein Streit um den Bundeshaushalt und die notwendigen Massnahmen gegen die schlechte deutsche Wirtschaftslage brachten die Gegensätze innerhalb der Koalition an die Öffentlichkeit.
Im November 2023 stoppte das Bundesverfassungsgericht einen Buchhaltungstrick, mit dem die Ampelregierung die Sozialpolitik der SPD, die Forderungen der Grünen nach Klima- und Industriesubventionen und das Pochen der Liberalen auf die Schuldenbremse unter einen Hut bringen wollte. Der Koalition gelang es immer weniger, produktiv zusammenzuarbeiten. Sie verhedderte sich in teilweise heftig geführten, öffentlichen Streitigkeiten, und Vertreter der Regierungsparteien hielten Gipfeltreffen ab, zu denen die Koalitionspartner nicht eingeladen waren.
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Trotz den Schwierigkeiten sollte die «Ampel» noch ein Jahr weiterregieren. Doch Ende Oktober 2024, als die Debatten um den Haushalt für das kommende Jahr immer hitziger wurden, schien ein weiterer Kompromiss unerreichbar. Die wirtschaftliche Lage Deutschlands hat sich weiter verschlechtert, und im Haushalt für das Jahr 2025 droht ein Milliardenloch.
Die SPD mit Bundeskanzler Olaf Scholz und die Grünen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck wollten an der Schuldenbremse rütteln. Die FDP und ihr Chef, Finanzminister Christian Lindner, wollten an der Schuldenbremse festhalten. Lindner präsentierte derweil ein Sparkonzept für eine Wirtschaftswende, mit dem er die Klimapolitik der Grünen und die Sozialpolitik der SPD weitgehend abräumen wollte.
Am Mittwochabend, dem 6. November 2024, versuchten die Spitzen der Regierungsparteien in einer Sitzung, doch noch Wege aus der «Ampel»-Krise zu finden. Das Vorhaben scheiterte. Wenige Stunden später entliess Bundeskanzler Scholz seinen Finanzminister Lindner und kündigte Neuwahlen an. Die für den Herbst 2025 vorgesehene Bundestagswahl findet nun bereits im Frühjahr statt.
Bundeskanzler Scholz muss für vorgezogene Neuwahlen erst im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Erst wenn die Mehrheit der Mitglieder dem Bundeskanzler nicht das Vertrauen aussprechen, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Vorschlag des Kanzlers den Bundestag auflösen.
In der gegenwärtigen Situation ist die Vertrauensfrage wohl eine reine Formsache. Scholz regiert seit der Entlassung der FDP-Minister aus der Koalition mit einer Minderheit. Kontroversen gab es allerdings bei der Frage, wann die Neuwahlen stattfinden sollten.
Kanzler Scholz kündigte erst an, die Vertrauensfrage Mitte Januar zu stellen. Neuwahlen hätte es dann erst Ende März gegeben. Bis dahin wollte Scholz mit den Grünen in einer Minderheitsregierung weitermachen.
Doch die Opposition unter der Führung des CDU-Chefs Friedrich Merz forderte, dass Scholz die Vertrauensfrage sofort stellt. Sie drohte damit, sämtliche Tagesordnungspunkte des Bundestags zu blockieren. Also auch die Verabschiedung des Haushaltes. Die Regierung von Scholz drohte deswegen in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten.
Schliesslich beugte sich Scholz dem Druck. Gemeinsam einigten sich SPD und die Unionsfraktionen auf einen Zeitplan für Neuwahlen. Am 16. Dezember will Scholz im Parlament die Vertrauensfrage stellen, am 23. Februar soll dann ein neuer Bundestag gewählt werden. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stimmte dem Zeitplan zu.
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Bis eine neue Regierung steht, bleibt die alte geschäftsführend im Amt. Sie kann jedoch nur noch im Rahmen bestehender Gesetze handeln. Bundeskanzler Scholz will aber dennoch bis Weihnachten noch mehrere Gesetzesvorhaben zur Abstimmung bringen. Für Mehrheiten ist die Regierung dabei auf Stimmen der Opposition angewiesen.
Den Parteien bleiben für den Wahlkampf nur wenige Monate Zeit. Zudem haben sie weniger Zeit als bei einer regulären Wahl, um sich auf Landeslisten zu einigen. Auch für die Behörden ist die kurze Zeit eine Herausforderung. Die Bundeswahlleiterin Ruth Brand versicherte, dass eine Neuwahl im Februar «rechtssicher» durchgeführt werden könne. Da dazwischen noch die Weihnachtsfeiertage liegen, sprach sie jedoch auch von «Herausforderungen» bei der Organisation.
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Bei der kommenden Wahl werden wohl erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik vier Kandidaten antreten. CDU und CSU haben sich für den Unionsfraktionschef Friedrich Merz als Kandidaten entschieden. Die Grünen werden auf ihrem Parteitag am 16. November wohl Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten küren. Und der AfD-Vorstand will voraussichtlich am 7. Dezember die Parteichefin Alice Weidel ins Rennen schicken.
Nur beim amtierenden Kanzler Olaf Scholz ist noch nicht klar, wann er sich offiziell Kanzlerkandidat nennen darf. Die Parteispitze beteuert zwar, dass er es zweifellos werde. Der Vorstand verzichtete aber in seiner ersten Sitzung nach dem «Ampel»-Aus darauf, ihn formell zu nominieren – und liess damit die innerparteiliche Debatte weiterlaufen, ob er der richtige Kandidat ist.
Als aussichtsreiche Alternative wird Verteidigungsminister Boris Pistorius gehandelt. Er hat in Umfragen weit bessere Popularitätswerte als der Bundeskanzler. In der Partei gibt es daher einzelne Stimmen, Pistorius statt Scholz zum Kanzlerkandidaten der SPD zu machen.
Mit Agenturmaterial.