Ivan Buhajeruk ist ein Social-Media-Star. Plötzlich steht er in der Startformation eines argentinischen Erstligaklubs. Wo soll das noch enden?
59 Sekunden Spielzeit in einer Fussballpartie der höchsten argentinischen Liga sind richtig mies. Wenn man dann noch bedenkt, dass Ivan Buhajeruk keinen einzigen Ballkontakt hatte, bevor er ausgewechselt wurde, muss man seinen Einsatz eigentlich als Debakel bezeichnen. Wäre Buhajeruk ein echter Spieler und kein Influencer.
Buhajeruk alias «Spreen», wie er auf den sozialen Plattformen heisst, filmt sich hauptberuflich beim Spielen von Videogames, eine Tätigkeit, die ihm ein Millionenpublikum eingebracht hat. Dass der 24-Jährige am vergangenen Montag in der Partie Deportivo Riestra gegen Vélez Sarsfield in der Startformation stand, ist eine neue Eskalationsstufe der Fussball-Kommerzialisierung. Buhajeruk arbeitet mit einem Hersteller von Energydrinks zusammen, der auch Sponsor des Klubs ist. «Unser Ziel war (und ist) es, neue Zielgruppen für den Fussball zu gewinnen, Brücken zwischen verschiedenen Welten und Plattformen zu schlagen», schrieb Deportivo Riestra in einer Mitteilung.
Nicht alle fanden das gut: Der gegnerische Stürmer Braian Romero etwa bemängelte einen Mangel von Respekt am Fussball. Er sagte nach dem Spiel: «Es ist die falsche Botschaft an die Gesellschaft und an all die Kinder da draussen, die hart für ihren Fussballtraum arbeiten.» Tatsächlich wäre es keinem Kind zu verdenken, dass es angesichts der Möglichkeit, mit Streamen Fussballer zu werden, Mathe sinnlos findet.
Eine etwas andere Sicht hatte der Captain von Deportivo Riestra, Milton Céliz, der «Spreen», der auf dessen Vertrag verwies. «Jeder würde gerne in der ersten Liga spielen», sagte Céliz treuherzig, was wohl zumindest für die Jungs aus dem Land des Weltmeisters stimmt. Jeder muss dafür aber eigentlich viele Jahre Gras fressen, bis er Profifussballer ist. Wahr ist, dass Riestra seit zwei Monaten einen Vertrag hatte, einmal trainierte er vor dem Spiel sogar mit der Mannschaft.
Möglicherweise droht dem Verein nun Ungemach. Der argentinische Fussballverband hat seine Ethikkommission angerufen, «mögliches Verhalten zu untersuchen, das dem Ruf der Integrität des argentinischen Fussballs schaden könnte». Zudem leitete die auf Glücksspiele spezialisierte Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein, weil ein Online-Anbieter Wetten angeboten hatte, ob Buhajeruk in der Startformation stehen würde.
Die juristischen Händel werden den Verein kaltlassen. Die Aufmerksamkeit, die er mit der Aktion generiert hat, entschädigt für alles. Und die Aktion wird auch nicht die letzte ihrer Art gewesen sein. Sowieso verwischt die Grenze zwischen Fussballer und Influencer je länger, je mehr. Die Schweizerin Alisha Lehmann verdient als Influencerin ein Vielfaches ihres Gehalts bei Juve.
Und es ist längst nicht mehr bei allen klar, wo die Prioritäten sind. Etwa bei Nader El-Jindaoui, einem Social-Media-Star, der im zweiten Team von Hertha BSC spielte. Einmal musste ein Testspiel abgebrochen werden, weil ständig Fans für ein Selfie auf den Rasen rannten. Das passierte «Spreen» nicht. Dafür war seine Einsatzzeit dann doch zu kurz.
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