Der Zürcher SVP-Nationalrat und HEV-Schweiz-Präsident kritisiert das Staatswachstum – und die zunehmende Steuerlast für Hauseigentümer.
Herr Rutz, der Kanton Zürich wird bürgerlich regiert. Finanzpolitisch merkt man davon nicht viel. Bei den Unternehmenssteuern ist Zürich so teuer wie kaum ein anderer Kanton, bei den Privaten gibt es ebenfalls Verbesserungspotenzial. Was läuft schief?
Diese Entwicklung sehe ich nicht nur im Kanton Zürich, sondern auch beim Bund. Auch dort war die politische Mehrheit in den letzten Jahren immer bürgerlich, trotzdem haben sich die Staatsaufgaben vervielfacht.
Im Kanton Zürich wie beim Bund lautet das Standardargument, dass die Ausgaben zum grössten Teil gebunden seien. Sie seien gesetzlich vorgeschrieben, das Parlament habe sie so gewollt, da könne man nichts machen.
Diese Aussage ist besorgniserregend. Stellen sie sich einmal ein Unternehmen vor, das jeden finanziellen Handlungsspielraum verloren hat – es ginge rasch in Konkurs. Doch beim Staat fehlt der Wille zum Sparen – möglich und auch nötig wäre es. Wir dürfen nie vergessen: Der Staat besitzt kein eigenes Geld. Er muss sich dieses vom Einkommen und vom Vermögen der Steuerzahler und Unternehmen holen. Denen fehlt es dann für Investitionen und für den Konsum.
SVP-Nationalrat und HEV-Präsident
zge. Gregor Rutz ist Zürcher SVP-Nationalrat und Präsident des nationalen und des Stadtzürcher Hauseigentümerverbands. Der 52-jährige Jurist ist Inhaber einer Kommunikationsagentur und Teilhaber eines Weinhandels. Er ist verheiratet und lebt in Zürich.
Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler, er ist wie Sie in der SVP, hat in einem NZZ-Interview den grossen Nachbarn kritisiert. Von unternehmerischem Denken spüre man im Kanton Zürich nicht mehr viel.
Er mag teilweise recht haben, aber man kann Zug und Zürich natürlich nicht direkt vergleichen. Der Kanton Zürich muss gerade mit den Grossstädten noch ein paar andere Herausforderungen mehr bewältigen als Zug. Finanzdirektor Ernst Stocker kann nicht schalten und walten, wie er will. Er braucht Mehrheiten im Parlament und in der Regierung. Das ist nicht immer einfach.
Zürich hat nicht nur Mühe damit, die Steuern zu senken, der Kanton erhöht sie sogar. Jüngstes Beispiel ist die Neubewertung der Liegenschaften. Hausbesitzer müssen künftig pro Jahr rund 170 Millionen Franken mehr Steuern bezahlen.
Das ist verheerend und muss gerichtlich geklärt werden. Deshalb geht der HEV Kanton Zürich rechtlich gegen diese geplante Neuregelung vor. Die Leute, die es jetzt mit der Neubewertung der Liegenschaften trifft, sind auch ein bisschen Opfer des Erfolgs unseres Kantons.
«Opfer»? Zeigen Sie nicht etwas gar viel Mitleid mit Hauseigentümern, deren Liegenschaft doppelt so viel wert ist wie vor zehn Jahren?
Wenn sich ein Paar vor dreissig, vierzig Jahren ein Häuschen zusammengespart hat, ist diese Liegenschaft heute auch ohne Umbau oder Sanierung zwei- oder dreimal so viel wert. An den finanziellen Verhältnissen des Paars hat sich derweil nicht viel geändert. Trotzdem soll es nun höhere Steuern bezahlen. Und zwar für das gleiche Gut, das es seit Jahrzehnten besitzt. Das ist nicht in Ordnung und widerspricht auch dem Grundsatz von Treu und Glauben. So zerstören wir den Mittelstand.
Aber ist es nicht angemessen, dass Vermögenswerte und somit auch Liegenschaften zu ihrem wahren Wert in der Steuererklärung abgebildet werden?
Diese Leute haben trotz Wertsteigerung keinen Rappen mehr auf ihrem Konto als vorher. Auf dem Papier ist ihre Liegenschaft zwar mehr wert, aber das wirkt sich erst bei einem Verkauf aus. Es kann nicht sein, dass jemand sein Haus verkaufen muss, nur weil die Steuern zu hoch sind.
Wobei eine Härtefallregelung geplant ist.
Dennoch ist die Situation unbefriedigend. Denn die Verfassung sieht vor, dass das Wohneigentum gefördert wird, und nicht, dass Hausbesitzer bestraft werden.
Sind Sie als Verband der richtige Absender für eine Klage?
Selbstverständlich. Auch Private haben geklagt. Aber es ist auch die Aufgabe von Verbänden, sich für ihre Mitglieder einzusetzen.
Das sagen Sie jetzt, weil Sie mit Ihrem Hauseigentümerverband im Fokus stehen.
Nein. Es muss auch Verkehrsverbände, Gewerkschaften und auch den Mieterverband geben, es braucht sie. Diese Interessenverbände, die sich für ihre Mitglieder einsetzen, sind einzigartig in der Schweiz und eine Errungenschaft.
Sie kritisieren die Pläne des Kantons auch aus einem anderen Grund: Sie betonen, dass der Eigenmietwert auf Bundesebene kurz vor der Abschaffung stehe, deshalb brauche es jetzt nicht noch Anpassungen auf kantonaler Ebene.
Der Zeitpunkt ist tatsächlich sehr unglücklich gewählt. In Bern wird seit sieben, acht Jahren über den Eigenmietwert verhandelt. Ende 2024 werden die Beratungen zu einem Abschluss kommen. Danach kommt es möglicherweise zu einer Volksabstimmung. In so einer Situation, in der sich die Ausgangslage fundamental ändern kann, sollte der Kanton mit seinen Anpassungen zuwarten, bis klar ist, was national gilt.
Die Erfahrung zeigt, dass die Abschaffung des Eigenmietwerts an der Urne nur wenig Chancen hat.
Nur weil es schwierig ist, ungerechtfertigte Steuern abzuschaffen, heisst das nicht, dass man es nicht versuchen sollte. Wir zahlen auf allen Staatsebenen zu viel. Wir müssen den Staat zur Mässigung zwingen. Im Übrigen ist es grossartig, dass das Volk über eine solche Frage an der Urne entscheiden kann.
Das Problem ist doch, dass 60 Prozent der Schweizer Mieter sind, sie haben nichts von der Abschaffung des Eigenmietwerts.
Mir macht es Bauchweh, dass es nicht mehr Eigentümer gibt, denn Eigentum ist die Basis jeder Marktwirtschaft und eines liberalen Staatswesens. Aber in der Region Zürich ist es für den Mittelstand fast unmöglich, noch Eigentum zu erwerben. Anzumerken bleibt: Es müssen natürlich nicht alle im Kreis 1 wohnen. Auch in Egg oder Mönchaltorf gibt es schöne Wohnlagen.
Im Kanton Zürich werden demnächst mehrere Mietvorlagen von links zur Abstimmung gelangen. Diese wollen den freien Markt noch stärker eindämmen, die Preise stark regulieren und die Rechte der Mieter stärken. Verstehen Sie, dass das für viele Mieter ein attraktives Versprechen ist?
Stabilität, Rechtssicherheit und zuverlässige Rahmenbedingungen sind für alle wichtig – gerade auch für die Mieter. Darum sind noch mehr staatliche Interventionen der falsche Weg. Doch die Miete ist für viele Haushalte der grösste Ausgabeposten. Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen des Mieterverbands einzuordnen.
Und doch bekämpfen Sie sie.
Ja, weil die Forderungen zu weit gehen. Die Konsequenz ist doch, dass es irgendwann keine Investoren und damit keine Vermieter mehr geben wird. Das sage ich auch dem Mieterverband: Wenn Hauseigentümer keine Rechtssicherheit mehr haben, wenn es sich nicht mehr lohnt, in Liegenschaften zu investieren, dann sitzt ihr nicht mehr länger im Vorstand des Mieterverbands, sondern in einem Obdachlosenverein, weil niemand mehr Wohnungen baut.
Die Hoffnung der Linken ist doch, dass der Staat einspringt.
Der Staat kann das nicht tun, das sehen wir gerade in der Stadt Zürich. Die Stadt verfügt über einen luxuriös bestückten Wohnbaufonds, eine Schatulle mit mehreren hundert Millionen Franken. Damit kauft sie Liegenschaften zu überteuerten Preisen. Das bezahle ich als Steuerzahler mit. Gleichzeitig zieht die Stadt so privaten Mitbewerbern den Teppich unter den Füssen weg. Danach vermietet die Stadt die Wohnungen zu viel zu günstigen Konditionen. Da finanziere ich als Steuerzahler das schon wieder mit. Wenn man dann noch sieht, wer diese Wohnungen erhält, Haushalte mit bis zu 200 000 Franken Jahreseinkommen, dann fragt man sich schon, was das soll.
Tragen die Vermieter und die Hauseigentümer nicht auch eine Mitschuld an ihrem schlechten Ruf? Wenn 2,5-Zimmer-Wohnungen im Langstrassenquartier für fast 6000 Franken pro Monat angeboten werden, fragen sich wohl auch viele, was das soll.
Ich finde solche Mieten ebenfalls verrückt. Aber es gibt auch im Konsumgüterbereich Preise, die ich verrückt finde. Was gewisse Leute für Schuhe oder Kleider ausgeben, kann genauso übertrieben sein. Aber das ist der freie Markt, und der freie Markt regelt es immer besser als der Staat. Die hohen Mieten sind auch ein Preis des Erfolgs. Zürich ist ein sehr attraktiver Standort. Das zeigt sich auch bei den Wohnkosten.
Nicht nur die linken Parteien haben wohnpolitische Initiativen lanciert. Auch Ihr Hauseigentümerverband will das private Wohneigentum fördern. Ist das wirklich eine Staatsaufgabe?
Diese Initiativen sind als Inputs zu verstehen. Jeder, der bessere Vorschläge hat, ist herzlich eingeladen, diese einzubringen. Wir haben zwei konkrete Ideen auf den Tisch gelegt. Zum einen schlagen wir vor, dass bei staatlich geförderten Wohnbauprojekten nicht nur Mietwohnungen, sondern auch kostengünstige Wohnungen für Eigentümer erstellt werden sollen. Zum anderen wollen wir jungen Personen und Familien mit kantonalen Bürgschaften den Zugang zu einer Hypothek erleichtern.
Aber löst man so das Problem? Die hohen Eigenkapitalvorschriften sind für Familien vielleicht ein Hindernis, richtig schwierig wird es aber mit der Tragbarkeit. Selbst mit guten Löhnen könnten viele die veranschlagten Hypotheken nicht bedienen.
An sehr begehrten Wohnlagen, in der Stadt Zürich oder an der Goldküste, bliebe es auch mit unserer Initiative schwierig. Das ist so. Aber im Zürcher Oberland oder im Limmattal gibt es Möglichkeiten. Dort kann eine Bürgschaft helfen. Gerade Familien mit kleinen Kindern, die Wohneigentum besonders gut gebrauchen können, haben meist noch nicht viel angespart. Ihnen fehlt das Kapital im entscheidenden Lebensabschnitt. Mit 55, 60 Jahren ist Wohneigentum für sie dann weniger interessant.
Aber noch einmal: Ist es wirklich die Aufgabe eines liberalen Staates, Bürgschaften für den Wohnungskauf zu leisten?
Wenn es rein privat funktioniert, ist das selbstverständlich immer die beste Lösung. Da gebe ich Ihnen recht. Aber wir müssen etwas gegen die Bewegung tun, dass der Immobilienmarkt immer weiter verstaatlicht wird. Wenn es so weitergeht, hat der Hauseigentümerverband Zürich bald nur noch ein einziges Mitglied: die Stadt Zürich. Das wäre nicht gut.
Geht der Kanton kein zu grosses Risiko ein, wenn er Bürgschaften an Personen vergibt, die ihre Hypotheken am Ende nicht bezahlen können?
Dieses Risiko würde ich als klein einschätzen. Ein Vertreter der Zürcher Kantonalbank meinte jüngst, dass er wegen Hypotheken im Kanton Zürich nie schlaflose Nächte gehabt habe. Im Gegenteil: Liegenschaften haben stark an Wert dazugewonnen. Ein Verlustgeschäft wäre unsere Initiative sicher nicht.
Wiegen Sie sich nicht in falscher Sicherheit? Irgendwann kann es auch auf dem Zürcher Immobilienmarkt eine Korrektur geben.
Noch einmal: Unsere Initiativen sind Vorschläge, Gedankenanstösse. Niemand hat behauptet, dass sie der Weisheit letzter Schluss sind. Als Nächstes ist das Kantonsparlament am Zug. Ich bin gespannt auf die Debatte. Dass etwas passieren muss, halte ich für unbestritten. Jetzt sind die Kantonsräte gefordert.
Generell herrscht im Raum Zürich ja eine Wohnungsknappheit. Das Angebot hält der Nachfrage nicht stand. Wie löst man dieses Problem?
Es gibt zwei Hebel. Erstens müssen wir die Zuwanderung drosseln, das senkt die Nachfrage. Zweitens müssen wir das Bauen erleichtern, das Angebot steigern. Dazu braucht es weniger bürokratische Auflagen, weniger Einsprachemöglichkeiten, allgemein weniger Behinderung. Drei Viertel der Stadtzürcher Siedlungsfläche sind im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder verzeichnet. Drei Viertel! Kein Wunder, dass die Verdichtung so praktisch verunmöglicht wird.
Die Linke hat die Schuldigen der Wohnmisere gefunden: einkommensstarke Expats, welche den Wohnungsmarkt verteuern.
Das ist eine absurde Vorstellung, die nur von linken Stadtpolitikern ersonnen werden kann, die in staatlich vergünstigten Wohnungen leben. Was denken die denn? Sollen wir nur noch ein Auffangbecken für Sozialhilfebezüger sein, die in subventionierten Wohnungen leben und unsere Infrastruktur nutzen, ohne etwas daran zu zahlen? Das ist doch grundfalsch. Wenn schon Zuwanderung, dann von Personen, die arbeiten, Geld verdienen und Steuern zahlen.
Ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an, nicht Ihr Parteikollege Ernst Stocker wäre Finanzdirektor von Zürich, sondern Sie . . .
Das ist ein unrealistisches Szenario.
Wieso? Stocker dürfte spätestens bei den nächsten Wahlen zurücktreten.
Ich suche kein Exekutivamt. Ich bin ein Unternehmer und leiste meinen Beitrag als Parlamentarier.
Dann bleibt es beim Gedankenexperiment: Was würden Sie als Finanzdirektor tun, damit Zürich sich finanzpolitisch in eine bessere Richtung entwickelt?
Das Hauptproblem ist das Wachstum des öffentlichen Sektors. Die Verwaltung wächst viel zu stark und zu schnell. Jedes Jahr kommen tausend oder noch mehr Stellen dazu. Jeden Werktag stellt der Kanton Zürich im Schnitt fünf neue Mitarbeiter ein. Stellen Sie sich das einmal vor! Kein Unternehmen kann sich so etwas leisten. Es ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Was es braucht, ist mehr Führung – überall.
Donald Trump hat soeben ein Department of Government Efficiency ins Leben gerufen. Der Tech-Unternehmer Elon Musk soll im grossen Stil Ausgaben überprüfen und Bürokratie abbauen. Braucht Zürich das auch?
Das ist eine hervorragende Idee. Was Trump und Musk vorhaben, ist spannend. Auch die EU kannte eine ähnliche Behörde. Sie wurde vom ehemaligen bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber geführt. Ich konnte mich einmal mit ihm austauschen und musste schmunzeln: Man gründet eine Behörde, um Bürokratie einzudämmen. So etwas kann sich eigentlich nur das Bürokratiemonster EU ausdenken. Aber Stoiber hat das gewissenhaft gemacht.
Die EU als Vorbild?
Heute sind wir im Kanton Zürich bald in einer ähnlichen Lage. Vielleicht brauchen auch wir eine Anti-Bürokratie-Kommission, die den ganzen Paragrafendschungel durchleuchtet. Ich bin sicher: Innert kurzer Zeit hätten wir zig Millionen Franken eingespart und könnten die Steuern senken.