Die einen kennen ihn als sanftmütigen Reality-Show-Juror, die anderen als gross geschriebenen Namen auf ihren Badetüchern. Aber Wolfgang Joop ist durch und durch «Fashion».
Es sei verziehen, wäre jemand der Annahme, Wolfgang Joop betätige sich hauptberuflich als Orakel. Denn ständig wird er von den Medien befragt: zu den deutschen Landtagswahlen, zum amerikanischen Stil und nun zu seinem 80. Geburtstag am 18. November. Oft gibt er Antworten, und oft sind sie spannend. Weniger beissend und zitierbar zwar, als jene von Karl Lagerfeld es waren, und weniger reserviert, als die von Jil Sander es sind. Womit man bei der Mode wäre. Denn damit wurde Joop berühmt, nicht mit Bonmots. Aber wie eigentlich?
Wolfgang Joop, 1944 in Potsdam geboren, tänzelte erst um die Mode herum, bevor er sich ihr ganz widmete. Als Junge trug er im Internat die Kleider seines Grossvaters, weil laut eigenen Angaben das Geld für neue fehlte. Er begann zwei Studiengänge, bevor er mit seiner damaligen Frau Karin Bernatzki im Jahr 1970 einen Designwettbewerb gewann und nach Hamburg zog. Als Illustrator und Moderedaktor für Zeitschriften wie auch die «Schweizer Illustrierte» besuchte er die Modeschauen in Paris, schrieb darüber, zeichnete sie. Er sei ein Träumer gewesen, «der statt eines Berufswunsches tausend Sehnsüchte hatte», sagte er kürzlich in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» über diesen Lebensabschnitt: «Nur wenn ich zeichnete, war ich mir meiner selbst sicher.»
Die Mode als textile Zeitzeugin
Doch auch kleiden konnte er sich gut. Zum Beispiel 1971 auf einer Reise nach Rom in einer angesagten Militärjacke. So wird er das erste Mal in der «New York Times» erwähnt. Die Mode könne den Krieg lächerlich machen, sagte er gegenüber der amerikanischen Journalistin, die ihn damals als Autor bezeichnete, über sein militärisch anmutendes Outfit. Später wird er den Einfluss der Mode wieder ähnlich beschreiben: als textile Zeitzeugin und als Vehikel, um Bekanntes in einen neuen, manchmal verstörenden Kontext zu bringen.
Erst 1982 lanciert Wolfgang Joop dann nach einer Zeit als freier Designer seine erste vollständige Damenkollektion mit einer Show in Düsseldorf. Produziert wurde in Hamburg. Im Fernsehen präsentiert er bei Thomas Gottschalk, wie man es damals machte, lange bevor es Instagram und Co. gab, einen Look daraus. Er zeigt die breite Schulter und die schmale Taille der Zeit, sorgfältig und einigermassen dramatisch geschnitten in «handgewebtem irischem Tweed», wie er stolz sagt. «Das kann jeder tragen», urteilt Gottschalk etwas unbeholfen, aber positiv.
Er sollte recht behalten. Bald wird Joops Name – in Grossbuchstaben und mit Ausrufezeichen – dank Parfums und Jeans und später Heimtextilien zu einer populären Marke mit unzähligen Lizenzen, die bis in die USA überschwappt. Das Gesicht dafür ist oft Joop selbst, elegant und irgendwie besonnen.
Seltsam wie Sauerkraut
Wohl auch deswegen berichtet die «New York Times» regelmässig über seine Shows, als er in den neunziger Jahren seine Kollektionen an der New York Fashion Week zeigt. Er ist ein Typ. Die damalige Modekritikerin Amy Spindler lobt ihn für seinen Mut zum Kitsch und beschreibt seine Mode als «lustig und seltsam und völlig unamerikanisch». Seine mal gedeckten, mal elektrischen Farben, seine Dreiteiler aus Samt, seine floralen Prints und seine Pythonstiefel tanzen bei der stilistischen Zurückhaltung der Zeit aus der Reihe.
Spindler analysiert weiter: Seine Ästhetik schmecke so fremd wie Sauerkraut im Gaumen. Noch heute zitiert Wolfgang Joop diesen Satz. Dass er dabei aber offenbar das Wort «palate», also Gaumen, falsch als «Palatschinken», also Pfannkuchen, übersetzt, macht das Ganze noch schräger. So oder so: Spindlers kulinarische Referenz ist selbstverständlich eine Anspielung auf seine Herkunft, obwohl er sich stets auch als Preusse statt nur als Deutscher beschrieb.
Doch vor allem hat sie mit seinem eklektischen Geschmack zu tun. Er behält ihn bei, nachdem er Joop! verkauft und um die Jahrtausendwende auch als Designer verlassen hat. Bei seinem Nachfolgelabel Wunderkind, dessen Kollektionen er jeweils an der Paris Fashion Week zeigt, zitiert er von Künstlerinnen wie Tamara de Lempicka und setzt auf eine bunte, aber balancierte Mischung aus Farben, Mustern, Stoffen. Wunderkind ist solid und erhält auch Anerkennung, aber Designer wie Dries Van Noten können das oft einen Tick besser, zeitgenössischer. 2017 zeigt Joop seine letzte Kollektion für Wunderkind.
Heute arbeitet er sporadisch mit Labels wie Hessnatur zusammen und beantwortet per Video auf dem Instagram-Account seiner jüngeren, erschwinglicheren Marke Looks Fragen wie: «Welche Mode-Ära hat dich am meisten geprägt?» Antwort: die Zeit des Disco, des Studio 54, von Antonio Lopez und Karl Lagerfeld. «Fashion war Pop», sagt er, «und Pop war Fashion.»
Bildhauer, Kunstsammler, Reality-Juror
Denn einspurig, das ist Wolfgang Joop keinesfalls. Im letzten Vierteljahrhundert versuchte er sich als Autor eines Romans und einer Autobiografie, arbeitete als Möbeldesigner und Bildhauer, sammelte Kunst und verkaufte sie wieder, renovierte sein Elternhaus in Potsdam und eine Finca auf Ibiza und urteilte ab 2014 bei «Germany’s Next Topmodel» neben Heidi Klum. Vor allem Letzteres war ein Überraschungserfolg. Joop, nun in seinen Siebzigern, wurde in zwei Staffeln der Reality-Serie zum Publikumsliebling. Er war sanftmütig und liebevoll und etwas kauzig. Zehn Jahre später wird er auf Tiktok noch immer dafür gefeiert, als «Wolle».
Wolfgang Joop selbst betont lieber seinen Nachnamen, den er mit Joop! zwar ein bisschen verkaufte, aber dank der Faszination mit seiner Person vor allem auch behielt. Wie in allem sieht er darin Bilder. Die zwei o in Joop, sie sind wahlweise: eine Brille, zwei goldene Eier, ein Unendlichkeitssymbol.