Yoon Suk Yeol glaubt an den Erfolg der Golf-Diplomatie. Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen.
Ja, Präsident Yoon Suk Yeol habe nach einem sechsjährigen Unterbruch am 9. November in Südkorea Golf gespielt. Zu dieser Bestätigung sah sich kürzlich das Blaue Haus, der Präsidentenpalast in Seoul, veranlasst. Die Frage, ob, wann und wo der konservative Staatschef an seiner Schlagtechnik feilt, beschäftigt seit Tagen die Nation.
Yoon bereite sich auf ein Treffen mit dem ehemaligen und zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump vor, präzisierte ein Sprecher. Da sei ein guter Umgang mit dem Ball gefragt. Er verwies auf das Potenzial der Golf-Diplomatie.
Japan als Trendsetter
Yoon eifert damit dem früheren Regierungschef Japans Shinzo Abe nach. Abe eilte nach Trumps erster Wahl ins Weisse Haus nach Amerika und schenkte dem Golf-vernarrten Präsidenten einen vergoldeten Golfschläger. Es war der Beginn einer Männerfreundschaft, die auf amerikanischen und japanischen Golfplätzen ihre Fortsetzung fand.
Seouls Interesse an einem guten Einvernehmen mit Trump ist offenkundig: Trump dürfte von Südkorea verlangen, mehr für die 38 500 amerikanischen Soldaten zu zahlen, die auf der koreanischen Halbinsel stationiert sind – eine Art Lebensversicherung gegen das bis zu den Zähnen bewaffnete Nordkorea. Andernfalls könnte Trump seine Drohung wahr machen und südkoreanische Importe wegen angeblichen Preisdumpings mit saftigen Zöllen belegen.
Damit stellt sich die Frage, wie erfolgversprechend Golf-Diplomatie überhaupt ist. Bahnt man auf dem Golf-Caddy leichter einen smarten Deal zu Militärausgaben oder Halbleitern an? Der Leistungsausweis des japanischen Regierungschefs mutet in dieser Hinsicht durchzogen an: Er fand zwar ein gutes Einvernehmen mit Trump. Aber das hielt seinen Golf-Buddy nicht davon ab, Japan mit happigen Forderungen zu schocken.
In Seoul sorgen sich denn auch einige, dass Yoons Training mit dem kleinen Ball den gegenteiligen Effekt haben dürfte. Bekommt Trump nämlich Wind davon, dass Yoon seit dem Wahlausgang in den USA eifrig Abschläge übt, könnte er dies als Anbiederei verstehen. Und als Schwäche seines Verhandlungspartners ausschlachten. Yoon spiele seine Golf-Affinität nur vor, spotten Parlamentarier von der Oppositionsbank.
Yoons «Luxusproblem»
Indessen verdichten sich die Anzeichen, dass Yoon schon lange vor der Wahl in Amerika wieder Golf spielte, angeblich am 24. August, 31. August, am 7. September und an mehreren Tagen im Oktober. Das enthüllten südkoreanische Medien, die akribisch auf Golfplätzen recherchierten. Das regelmässige Training würde zwar belegen, dass Yoon nicht nur wegen Trump dem Sport frönt. Aber er hat sich damit aus anderen Gründen in die Nesseln gesetzt: Golf wird in Südkorea von manchen als typische Beschäftigung einer elitären Oberschicht verschmäht. Yoons politische Gegner nahmen diesen Ball dankbar auf. Die Angriffslinie geht ungefähr so: Während die Bevölkerung hart arbeitet, treibt sich der Präsident auf Golfplätzen herum.
Für Yoon kommen die Anschuldigungen zu einem ungünstigen Zeitpunkt, hat er doch erst eine Affäre überstanden, in die seine Ehefrau verwickelt war. Kim Keon Hee soll eine rund 2000 Franken teure Handtasche einer französischen Edelmarke als Geschenk akzeptiert haben, was als Bestechungsversuch interpretiert wird. Yoons Gegner sehen im Golfspiel ein weiteres Indiz für einen luxuriösen Lebensstil des Präsidentenpaars.
Ob der ohnehin unpopuläre Präsident die Kontroverse schadlos übersteht, ist fraglich. Es deutet auf jeden Fall einiges darauf hin, dass Yoon Suk Yeol mit einem höheren Handicap auf den Rasen tritt als Donald Trump. Selbst ein Sieg des Südkoreaners wäre hochriskant: Mit dem Verlieren tut sich Trump bekanntlich schwer.