Der «Krieger für die Redefreiheit», wie Donald Trump ihn nennt, will schärfer gegen soziale Netzwerke und kritische Fernsehsender vorgehen. Vorerst hat er bloss grosse Pläne und eine kleine Behörde.
Donald Trump besetzt weiter in unglaublichem Tempo die Schlüsselposten seiner neuen Administration. Und weiterhin schreckt er nicht davor zurück, auch kontroverse Figuren in sein Team zu berufen.
Am Sonntag hat er Brendan Carr zum Präsidenten der Federal Communications Commission (FCC) ernannt, der für die Kommunikationsnetzwerke zuständigen Aufsichtsbehörde. Er lobt Carr in seinem Statement als «Krieger für die Redefreiheit». Kritiker befürchten nun, dass Carr die FCC mit der Unterstützung des Präsidenten in ein Werkzeug umformt, mit dem er gegen Tech-Riesen und Trump-kritische Fernsehsender vorgehen wird. Allerdings ist die Unabhängigkeit der Medien in den USA gut geschützt, und es ist fraglich, ob die kleine FCC diese wirklich gefährden kann, selbst wenn Trump dies wollte.
Vertrauter von Elon Musk
Als Medienanwalt kennt Brendan Carr die Branche sehr gut; es gibt auch keine fachlichen Vorbehalte gegen ihn. Er hat seit 2012 für die FCC gearbeitet, zunächst als Rechtsberater. Seit 2017 ist er Teil der FCC-Führung. Carr hat sich etwa dafür starkgemacht, dass auch die Landbevölkerung Zugang zu schnellem Internet erhält.
Doch Carr hat nun klargemacht, dass er sich für die FCC eine deutlich umfangreichere Rolle wünscht als bisher. Der 45-Jährige hat unter anderem für das umstrittene «Project 2025» ein Kapitel über Reformen der FCC geschrieben. Die Behörde soll unter anderem die Redefreiheit fördern, indem sie «Big Tech in die Schranken weist», so Carr.
«Project 2025» war der Versuch der konservativen Heritage Foundation, Donald Trump ein Regierungsprogramm für seine zweite Amtszeit zu liefern. Es enthält gemässigt konservative, aber auch einige sehr radikale Ideen. Die Demokraten haben im Wahlkampf versucht, Trump mit den extremeren Vorschlägen von «Project 2025» in Verbindung zu bringen, der Republikaner distanzierte sich zumindest verbal aber davon.
Carr selbst hat auf der Nachrichtenplattform X kurz nach seiner Ernennung klargemacht, dass er einige Dinge bei der FCC verändern will: «Wir müssen das Zensur-Kartell zerlegen und das Recht auf Redefreiheit für gewöhnliche Amerikaner wiederherstellen.» Elon Musk stimmte Carr in einer Antwort postwendend zu.
Based
— Elon Musk (@elonmusk) November 18, 2024
Bellt Trump nur, oder beisst er?
Die Wahl von Carr deutet darauf hin, dass Trump dessen Ideen zur Reform der Tech-Branche gefallen. Abzuwarten bleibt, inwiefern Carr als FCC-Chef auch Trump-kritischen Fernsehsendern das Leben schwermachen wird.
«Rundfunkmedien haben das Privileg gehabt, ein rares und wertvolles öffentliches Gut zu nutzen – unsere Radiowellen», schrieb Carr am Sonntag ebenfalls auf X. Im Gegenzug seien sie gesetzlich verpflichtet, ihren Betrieb im öffentlichen Interesse zu führen. «Wenn diese Transformation abgeschlossen ist, wird die FCC diese Verpflichtung einfordern.»
Broadcast media have had the privilege of using a scarce and valuable public resource—our airwaves. In turn, they are required by law to operate in the public interest.
When the transition is complete, the FCC will enforce this public interest obligation.
— Brendan Carr (@BrendanCarrFCC) November 18, 2024
Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit als Präsident und erneut im jetzigen Wahlkampf mehrfach angedeutet, dass er Sendern wie ABC oder CBS gerne die Lizenz entziehen würde, weil sie einseitig berichten würden.
Zuletzt störte sich Trump an der Berichterstattung während des Wahlkampfs. CBS strahlte im Oktober ein langes Interview mit Kamala Harris aus, der Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Die Republikaner kritisierten, CBS habe das Interview bewusst so zusammengeschnitten, dass Harris darin besser wegkommt.
In seiner ersten Amtszeit versuchte Trump mit wenig Erfolg, das Wettbewerbsrecht gegen unliebsame Medien einzusetzen. Unter anderem gingen seine Wettbewerbshüter gegen den Zusammenschluss von AT&T und Time Warner vor. AT&T gehört der Fernsehsender CNN, dessen Berichterstattung Trump bereits im Wahlkampf 2016 gestört hatte. Das Justizdepartement verlor den Rechtsstreit gegen AT&T und Time Warner jedoch, der Zusammenschluss kam zustande.
Die Unabhängigkeit der amerikanischen Medien war während Trumps erster Präsidentschaft nie ernsthaft in Gefahr. Im Gegenteil: Etablierte linksliberale Medien wie die «New York Times» oder die «Washington Post» konnten während der Präsidentschaft des Republikaners ihre Abonnentenzahl stark erhöhen. Auch die Fernsehnetzwerke behielten ihre kritische Berichterstattung bei.
Kleine Behörde im Rampenlicht
Die FCC war bisher eine eher technisch orientierte Behörde, welche die Nutzung einer Reihe von Übertragungstechniken in den USA reguliert, insbesondere die Kommunikation via Radio, Satellit, Fernsehen und Kabelnetzwerk.
In den vergangenen Jahren sorgte sie etwa dafür, dass die Vereinigten Staaten ihr Mobilfunknetzwerk rasch und breitflächig auf 5G-Standard erneuern konnten. Der Präsident ernennt und der Senat bestätigt die fünf Mitglieder der FCC für jeweils fünf Jahre. Traditionell besetzt die Präsidentenpartei, bald also diejenige der Republikaner, drei der fünf Sitze inklusive Präsidium, die Opposition die restlichen zwei.
Die Kommunikationsaufsicht kann TV-Stationen unter bestimmten Umständen Sendelizenzen entziehen, aber natürlich nicht aufgrund unliebsamer Berichterstattung. Die Redefreiheit wird in den USA sehr hoch geschätzt und ist im ersten Zusatzartikel der Verfassung gut verankert.
Gleichwohl könnte die FCC unliebsamen Medienunternehmen Steine in den Weg legen. Weil sie die Sendelizenzen vergibt, muss sie auch beispielsweise die Übernahme von Fernsehsendern durch Konkurrenten gutheissen.
Kampf gegen Google und Meta
Klar ist dagegen, dass sich die grossen Tech-Unternehmen warm anziehen müssen, wenn Brendan Carr die FCC präsidiert. Die Behörde hatte bisher wenig Einfluss auf die grossen Tech-Unternehmen; soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram sind nicht als Kommunikationsdienste registriert und brauchen keine Sendelizenz der FCC.
Carr will dies nun ändern, wie er in seinem Aufsatz für das «Project 2025» schrieb: «Heute kann eine Handvoll Konzerne alles beeinflussen; von den Informationen, die wir konsumieren, bis zu den Orten, an denen wir einkaufen.» Diese Unternehmens-Ungetüme würden nicht nur Marktmacht ausüben, sondern ihre dominanten Positionen missbrauchen.
Viele Republikaner stören sich schon lange daran, wie soziale Netzwerke wie Facebook oder auch Youtube mit den Beiträgen rechter Nutzer umgehen. Umstrittene Posts würden entweder ganz zensiert oder aber nur wenigen Personen angezeigt, kritisieren sie. Tatsächlich ist es für Aussenstehende schwer nachzuvollziehen, welche Inhalte von den Netzwerken besonders stark weiterverbreitet werden und welche nicht. Das gilt allerdings auch für eine Plattform wie X, die unter Elon Musk konservativen Stimmen deutlich mehr Platz gibt.
Kleine Behörde, grosse Pläne
Im Alleingang können Trump und Carr die FCC nicht revolutionieren. Mit rund 1500 Mitarbeitern ist der Regulator heute ziemlich klein. Zum Vergleich: Die Umweltschutzbehörde EPA hat zehnmal so viele Mitarbeiter. Sollte die FCC neue Aufgaben übernehmen, etwa bei der Aufsicht über soziale Netzwerke, müsste ihr der Kongress erst die finanziellen Mittel dafür gewähren. Und selbstverständlich könnten die Entscheide der Aufsichtsbehörde vor Gericht angefochten werden.
Die Anleger scheinen bisher nicht davon auszugehen, dass die FCC unter neuer Führung den Tech-Riesen wirklich schaden kann. Der Aktienkurs von Meta und von der Google-Mutter Alphabet hat sich am Montag nach Börsenöffnung jedenfalls kaum bewegt.
Die grossen Tech-Unternehmen standen in der Biden-Ära bereits in Konflikt mit Behörden. Allerdings nicht mit der FCC, sondern mit den beiden Wettbewerbsaufsehern: der Federal Trade Commission (FTC) unter der Führung von Lina Khan und der Kartellabteilung des Justizdepartements, die von Jonathan Kanter geleitet wird. Trump wird Khan und Kanter mit Sicherheit ebenfalls ersetzen, hat ihre Nachfolger aber noch nicht bekanntgegeben.
Gemäss übereinstimmenden Medienberichten ist eine Vertraute des gewählten Vizepräsidenten J. D. Vance für die Suche nach einer neuen FTC-Chefin verantwortlich. Vance hat sich in der Vergangenheit wiederholt sehr kritisch zu den Tech-Giganten geäussert. Die Chancen stehen also gut, dass die FTC auch unter der Trump-Administration das Silicon Valley eng im Blick behalten wird.