Die Gesundheitsausgaben steigen weiter. Das hat mit der alternden Bevölkerung zu tun, aber auch mit dem Bevölkerungswachstum und häufigen Arztbesuchen.
Die Schweiz ächzt unter der hohen finanziellen Belastung der Krankenkassenprämien. Dieses Jahr sind sie um 8,7 Prozent gestiegen. Und auch nächstes Jahr werden sie 6 Prozent höher ausfallen. Der Prämienanstieg ist auf die explodierenden Gesundheitskosten zurückzuführen. Doch wie hoch sind die Kosten effektiv?
Um das herauszufinden, erstellt die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) im Auftrag von Comparis jährlich im Herbst eine Prognose. Die aktuelle Studie wurde am Dienstag veröffentlicht und zeigt: Im Jahr 2025 werden die Gesundheitsausgaben die Marke von 100 Milliarden Franken knacken.
Trend zu höherer Wachstumsrate verstärkt sich
Die Gesundheitsausgaben sind laut den Berechnungen des KOF 2023 um 3,8 Prozent gewachsen im Vergleich zum Vorjahr. Im laufenden Jahr rechnet das Institut sogar mit einer Wachstumsrate von 4,4 Prozent. Noch vor einem Jahr war unklar, ob der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandprodukt (BIP) wieder gleich wie vor der Pandemie wachsen würde.
«Der Trend zu einem höheren Wachstum ist nun aber wieder deutlich erkennbar», sagt Hans Gersbach, Leiter der Studie und Co-Direktor der KOF. Die KOF rechnet damit, dass der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandprodukt (BIP) im laufenden Jahr 12 Prozent ausmachen wird. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 betrug er noch 9,1 Prozent.
Die Kosten steigen sowohl für ambulante und als auch für stationäre Leistungen. Allerdings wachsen die Kosten für die Langzeitpflege, Rehabilitation und unterstützende Dienstleistungen aufgrund der demografischen Entwicklung überdurchschnittlich. Dabei fällt vor allem auf, dass bei Frauen ab dem 81. Altersjahr viel höhere Gesundheitskosten anfallen als bei den Männern im gleichen Alter. Das hat auch damit zu tun, dass viele Frauen ihre Männer zu Hause pflegen. Dadurch beziehen die Männer weniger Gesundheitsleistungen. Die Frauen hingegen haben eine längere Lebenserwartung und müssen oft irgendwann ins Altersheim.
Kategorisiert man nach Leistungserbringern, ist klar ersichtlich, dass die Spitäler ein grosser Kostenwachstumstreiber sind. Aber auch Arztpraxen sowie Alters- und Pflegeheime tragen klar zum Wachstum bei. Finanziert wird das alles zu einem grossen Teil aus der obligatorischen Krankenversicherung, womit sich das Prämienwachstum erklärt.
Grössere Anspruchshaltung der Patienten
Ein zunehmender Anteil der Gesundheitsausgaben an der gesamtwirtschaftlichen Leistung ist eine logische Konsequenz der älter werdenden Gesellschaft. Deshalb ist es umso wichtiger, die richtigen Anreize zu setzen – auch im Hinblick auf die Abstimmung am kommenden Sonntag über die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas). «Die niedrigeren Kosten, die die Ambulantisierung medizinischer Leistungen bringen wird, dürfte die Zusatzbelastung im Bereich der Langzeitpflege überkompensieren», sagt Felix Schneuwly, Gesundheitsexperte bei Comparis.
Das Kostenwachstum ist denn auch nicht alleine mit der älter werdenden Bevölkerung zu erklären. Vielmehr führen das Bevölkerungswachstum, höhere Einkommen und der medizinische Fortschritt dazu, dass mehr Gesundheitsdienstleistungen konsumiert werden. «Die steigende Kostenwachstumsrate im Gesundheitswesen ist praktisch alleine auf eine Mengenausweitung zurückzuführen. Diese reine Mengenausweitung beobachtet man in anderen Branchen, wie etwa im Gastgewerbe oder auch in der Baubranche nicht», so Gersbach.
Die gute Nachricht sei, dass die Menschen nicht schwerere Krankheiten hätten, sagt Felix Schneuwly. «Aber sie gehen immer öfter wegen diffusen Schmerzen zum Arzt.» Die Anspruchshaltung der Patienten sei heute grösser. Wenn jemand ein MRI möchte, obwohl das der Hausarzt nicht für nötig hält, besteht er darauf oder geht zu einem anderen Arzt.
Investitionen in die Digitalisierung
Höhere Kosten entstehen jedoch auch durch ineffiziente Prozesse – und davon gibt es im Gesundheitswesen jede Menge. Damit der Kostenanstieg langfristig gebremst werden kann, muss die Effizienz in Arztpraxen und vor allem auch in den Spitälern gesteigert werden. Das bedeutet jedoch auch erhebliche Investitionen in die Digitalisierung und in künstliche Intelligenz zu tätigen.
Da aber derzeit viele Spitäler Verluste schreiben, werden die meisten kaum in der Lage sein, die nötigen Investitionen aus eigener Kraft zu stemmen. Auch dürfte es für sie schwieriger werden, Kredite von den Banken zu erhalten. Haben sich die Banken vor ein paar Jahren noch darauf verlassen können, dass defizitäre Spitäler vom Kanton gerettet werden, gibt es diese Gewissheit heute nicht mehr. Ein Beispiel dafür ist das Spital Wetzikon, das vom Kanton Zürich keine Finanzspritze bekam, als es im Sommer eine Anleihe nicht mehr zurückbezahlen konnte.
Umso wichtiger sei, dass man den Strukturwandel nun endlich zulasse, sagt Felix Schneuwly. «Unrentable Spitäler müssen schliessen. So können die verbliebenen noch besser wirtschaften und bekommen so auch Kredite bei den Banken, um die nötigen Investitionen zu tätigen.» Im Zuge dieses Strukturwandels müsse die Qualität medizinischer Behandlungen zudem viel stärker in die Preisbildung einfliessen.