Nur weil ein Produkt ein Fair-Trade-Label hat oder ökologisch angebaut wurde, ist es nicht unbedingt besonders nachhaltig. Ein Wissenschafter, der zu Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit forscht, erklärt die Hintergründe und gibt Tipps.
Leserfrage: Wie finde ich Lebensmittel, die möglichst nachhaltig und fair produziert wurden?
Mit der Banane fing es an. Der Wunsch nach nachhaltig und fair produzierten Lebensmitteln war geboren, als sich die Pfarrfrau und Thurgauer Grossrätin Ursula Brunner in den 1970er Jahren fragte: Wie ist es möglich, dass die exotische Frucht billiger ist als ein heimischer Apfel? Sie witterte Ungerechtigkeiten und bildete eine Gruppe, die den Beginn der Fair-Trade-Bewegung in der Schweiz markiert: die Bananenfrauen.
Anfangs verkauften sie Chiquita-Bananen mit einem Aufpreis. Der Erlös wurde in Projekte für Bananenproduzenten in Entwicklungsländern investiert. Der Aufkleber mit der schwarzen Hand auf den höherpreisigen Bananen wurde zu einer Art erstem Fair-Trade-Label.
Ursula Brunner hatte recht. Etwas war faul am Geschäft mit den tropischen Früchten. Wie ein Wirtschaftsthriller liest sich die Geschichte von United Fruit, der Firma, die sich später Chiquita nannte. Für den eigenen Vorteil beteiligte sich der Fruchtkonzern am Sturz von Regierungen in Südamerika und missachtete auf den Plantagen Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen.
Wie schlechtes Karma kleben die dadurch entstandenen Imageprobleme noch heute an Chiquita. Zu Unrecht? «Chiquita hat sich in den 1990er Jahren zum Ziel gesetzt, die nachhaltigste Banane zu produzieren, und in Zusammenarbeit mit Migros viel erreicht», sagt Philipp Aerni, Professor an der Hochschule für Wirtschaft Freiburg und Direktor des Zentrums für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit (CCRS). Er fügt aber hinzu: «Schlussendlich hat sich das alles nicht ausbezahlt, denn Chiquita wird im Laden nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht.»
Wer Bananen und andere Lebensmittel kaufen will, die nachhaltig und fair produziert wurden, legt wahrscheinlich Produkte mit Bio- und Fair-Trade-Labels in den Einkaufswagen. Philipp Aerni ist aber nicht der Meinung, dass man damit zweifelsfrei nachhaltig einkauft.
Bleiben wir zur Erklärung bei der Banane. Die tropische Pflanze wird von allerlei Schädlingen befallen, vor allem von Pilzen, die im feuchtwarmen Klima gedeihen. «Um den Schädlingsdruck auf die Biobanane zu reduzieren, werden diese Bananenstauden eher in halbtrockenen Gebieten angebaut», sagt Aerni. Diese Pflanzen müssen allerdings stärker bewässert werden, erklärt Aerni. «Das ist aber auch keine nachhaltige Lösung, denn in diesen Anbaugebieten herrscht Wasserknappheit.»
Die Bananenproduzenten in feuchteren Gebieten müssen regelmässig Fungizide einsetzen, um den Pilzbefall einzudämmen. Besonders gefährlich ist der Pilz «Tropical Race 4». Australische Forscher haben mittels Gentechnik zwar eine resistente Bananenpflanze erschaffen. Aber sie wird noch nicht angebaut und vermarktet. Da eine solche Banane als gentechnisch modifiziert gekennzeichnet werden müsste, hätte sie wahrscheinlich einen schweren Stand bei Menschen, die nachhaltig einkaufen wollen. Und das, obwohl sich der Einsatz von Fungiziden reduzieren würde.
«Im Marketing werden nachhaltige Nahrungsmittel häufig als natürlich bezeichnet», erklärt Philipp Aerni, der eine für seinen Geschmack zu starke Technologiefeindlichkeit beobachtet, wenn es um Diskussionen zum Thema Nachhaltigkeit geht.
Nachhaltige Landwirtschaft ist zukunftsfähig
Dabei ist Landwirtschaft sowieso keine romantische Arbeit in der wilden Natur. Die Geschichte von Ackerbau und Viehzucht ist eng verknüpft mit der Umwandlung von Natur in Kultur – vor allem durch Züchtung. Nehmen wir auch hier zur Erklärung die Banane. Fast alle Bananen, die in unseren Supermärkten verkauft werden, gehören zur Sorte Cavendish. Die Pflanze wird in Gewebekulturlabors zur Vermehrung geklont. Natürlich ist das nicht, aber es kann nachhaltig sein.
«Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit», sagt Philipp Aerni. Damit meint er einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen. Zugleich geht es um die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Produzenten.
Aerni: «Bauern kennen ihren Boden und haben auch ein wirtschaftliches Interesse an ressourcenschonenden Praktiken.» Oft entwickelten sie selbst effiziente Lösungen. Deshalb empfiehlt er beim Kauf von Produkten aus anderen Ländern, darauf zu achten, wie die Labels auf den Produkten entstanden sind. «Waren die Produzenten beteiligt? Dann ist das ein gutes Zeichen. Kamen die Bestimmungen nur von aussen? Da wäre ich skeptisch.»
Bei Produkten aus der eigenen Region sollte man sich gemäss Aerni vor allem informieren, welche Schwerpunkte die Bauern setzen. Er erklärt: «Früher liess sich ein Bio-Label mit Nachhaltigkeit gleichsetzen.» Heute sei das etwas komplizierter. «Manchmal produzieren konventionelle Betriebe besonders nachhaltig, weil sie nicht auf allgemeine Vorgaben von Verbänden und Zertifizierern achten müssen, sondern tun, was speziell für ihren Betrieb sinnvoll ist.»
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