Der Astronaut Charlie Duke war 36 Jahre alt, als er den Mond betrat. Er liess ein Bild seiner Familie zurück und wurde später ein unglücklicher Bierhändler. Heute ist er 89 und reist um die Welt, um von seinem Abenteuer zu erzählen.
Für die erste Mondlandung 1969 hatte der amerikanische Präsident eine Rede bereit, falls die Astronauten gestorben wären. Hatten Sie vor Ihrem Flug 1972 auch Vorkehrungen für den Fall Ihres Todes getroffen?
Wir hatten natürlich alle ein Testament aufgesetzt, aber wir konnten keine Lebensversicherung abschliessen, niemand wollte Astronauten versichern. Also signierten wir drei 500 sogenannte Ersttagsumschläge [Briefumschläge mit dem Logo der Mondmission und einer Briefmarke mit Raumfahrtsujet]. Wenn wir gestorben wären, hätten unsere Ehefrauen die Umschläge unter sich aufteilen und verkaufen können. Das war die Idee der älteren Astronauten gewesen. Sie sagten uns: Wenn ihr euren Frauen etwas hinterlassen wollt, machen wir das so. Als Angehörige des Militärs wäre auch eine Witwen- und Waisenrente fällig geworden, aber die wäre sehr klein gewesen.
Zur Person
Charlie Duke (89)
Charles Moss Duke wurde am 3. Oktober 1935 in Charlotte, North Carolina, geboren. Er besuchte die Marineakademie, wurde Kampfpilot und war drei Jahre in Deutschland stationiert. Er studierte Luft- und Raumfahrttechnik am MIT in Cambridge, Massachusetts, und wurde 1966 von der Nasa als Astronaut ausgewählt. Bei der ersten Mondlandung von Apollo 11 übernahm er die wichtige Funktion des Capcom, des Sprechers am Funkgerät, über den alle Kommunikation kanalisiert wurde. 1972 landete er im Rahmen der zweitletzten Mondmission, Apollo 16, auf dem Mond. Er gehört zu den letzten vier lebenden Menschen, die den Mond betreten haben.
Ein solcher Briefumschlag gehört zu verschiedenen Erinnerungsstücken von Ihnen, die das Auktionshaus Koller nächsten Dienstag in Zürich versteigert. Der Schätzpreis liegt bei 5000 Franken.
Ich habe diese Dinge als Souvenir behalten, ich hätte nie erwartet, dass die Leute heute so viel Geld dafür ausgeben. Die Jacke von Buzz Aldrin, der bei der ersten Mondlandung (Apollo 11) dabei war, verkaufte sich für 2,8 Millionen Dollar. Die Leute sammeln diese Dinge wie Kunst. Der Flugplan, der am Dienstag ebenfalls versteigert wird, ist zwar bloss ein Stück Papier, aber es ist ein Stück Papier, das auf dem Mond war.
Ihre Reise zum Mond begann am 16. April 1972, als Sie angeschnallt in der Apollo-16-Kapsel an der Spitze der 110 Meter hohen Saturn-Rakete lagen. Hatten Sie Zeit für existenzielle Gedanken?
Nein, wir hörten bloss auf den Countdown und dachten: Zählt weiter! Zählt weiter! Hört bloss nicht auf zu zählen! Wir hatten ein Zeitfenster von vier Stunden, danach hätten wir dreissig Tage warten müssen, bis der Mond wieder in der richtigen Position gewesen wäre. Und in dieser Zeit hätte man krank werden oder ein Bein brechen können, dann hätte man seine Chance vertan.
Der Start erfolgte pünktlich um 12 Uhr 54 Lokalzeit in Cape Canaveral, Florida. Sie hatten jahrelang dafür trainiert. Gab es noch Überraschungen?
Man hörte keinen Lärm vom Triebwerk, aber es gab starke Vibrationen, die mich etwas nervös machten. Ich konnte mich nicht erinnern, dass mir jemand gesagt hätte, es schüttle so heftig.
Wie lange dauerte die Etappe bis in die Erdumlaufbahn?
Zwölf Minuten, dann waren wir schwerelos.
Wurde Ihnen schlecht? Länger andauernde Schwerelosigkeit liess sich ja auf der Erde nicht simulieren.
Ich hatte ein etwas mulmiges Gefühl und war froh, dass ich für meine Aufgaben den Sitz nicht verlassen musste. Erbrechen musste ich nicht.
Astronauten gaben ungern zu, dass sie an der Raumkrankheit litten. Das passte nicht zum souveränen Image der Raumfahrer.
Das stimmt. Rusty Schweickart (Apollo 9) hat es wohl am schlimmsten erwischt. Sein Aussenbordeinsatz musste gekürzt werden, weil ihm so schlecht war.
Aus der Erdumlaufbahn ging es zum Mond.
Die Reise dauerte drei Tage. Als wir etwa 30 000 Kilometer von der Erde entfernt waren, sahen wir die Erde erstmals als Kugel im Raum schweben.
Andere Astronauten beschrieben diesen Moment als lebensveränderndes spirituelles Erlebnis. Wie war es für Sie?
Für mich war es nicht spirituell, es war einfach schön. Und als wir später die Erde hinter dem Mond aufgehen sahen, war mein erster Gedanke, um ehrlich zu sein, dass wir schon ziemlich weit weg von zu Hause sind und ob das Raumschiff wohl intakt bleibt.
Was war eigentlich Ihre Motivation, Astronaut zu werden?
Mein Vater war während des Zweiten Weltkriegs bei der Marine. Er war mein Held, also ging auch ich auf die Marineakademie. Damals wusste ich nicht, dass man dort auch Flugzeuge fliegen kann. Ich habe mich dann in Flugzeuge verliebt und ging später zur Luftwaffe. Ich war an der Flugschule, als die Russen im Oktober 1957 den ersten Satelliten, Sputnik, in eine Erdumlaufbahn schickten. Das war der Beginn des Weltraumzeitalters. Juri Gagarin war 1961 der erste Mensch im All und Alan Shepard der erste Amerikaner.
Haben Sie damals gedacht: Das will ich auch?
Nein, ich hatte nicht wirklich den grossen Wunsch, ein Rocketman zu werden. Damals hiess der Countdown ja oft noch «Fünf, vier, drei, zwei, eins, Explosion» statt «Fünf, vier, drei, zwei, eins, abheben». Später habe ich am MIT ein Studium als Luft- und Raumfahrtingenieur aufgenommen, und dort kamen Astronauten zu Besuch. Ich hatte noch nie Leute getroffen, die so begeistert waren von ihrer Arbeit wie diese Typen. Ich fragte sie: «Wie bekomme ich auch so einen Job?» Und sie gaben zurück: «Mach deinen Abschluss, gehe auf eine Testpilotenschule, und dann hast du vielleicht eine Chance.» Ich befolgte ihren Rat.
Als Sie beim Mond ankamen, blieb Ken Mattingly im Kommandomodul zurück, und John Young und Sie reisten in fünfzehn Minuten mit der Mondlandefähre auf die Mondoberfläche. Wie wurde eigentlich ausgewählt, wer auf den Mond durfte?
Das ist mir bis heute ein Rätsel.
Führte die Wahl zu Reibungen zwischen den Astronauten?
Ich bin sicher, dass tief drinnen jeder auf dem Mond landen wollte. Aber als Pilot des Kommandomoduls ausgewählt zu werden, war immer noch besser, als überhaupt nicht zum Einsatz zu kommen. Es gab ja damals 42 Astronauten, von denen nur 24 zum Mond geflogen sind.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie Ihren Fuss auf den Mond setzten?
Es war Aufregung, Abenteuer, Wunder, Hochgefühl in einem: Ich bin auf dem Mond! Ich bin auf dem Mond!
Aber Sie hatten ein gedrängtes Programm.
Als Erstes erledigten wir die Formalitäten: Wir stellten die Flagge auf und salutierten. Dann machten wir den Rover startklar. Wir wollten nicht mehr zu Fuss gehen. Wir fuhren zwei Kilometer nach Westen, wo wir Mondgestein sammelten. Gesamthaft brachten wir etwa 90 Kilogramm Mondgestein auf die Erde zurück.
Wie fährt es sich auf dem Mond?
Es war holprig. Es fühlte sich zwar nicht an, als ob wir kippen würden, aber der Mondstaub enthält keine Feuchtigkeit. Er ist glatt wie Grafit. Es war, wie auf Eis zu fahren. Wir schleuderten links und rechts.
Wie schnell fuhren Sie?
Einmal ging es einen Hügel hinunter, und John sagte: «Schauen wir einmal, wie schnell es geht.» Der Tacho konnte höchstens siebzehn Kilometer pro Stunde anzeigen, was er auch tat. Wir müssen also schneller gewesen sein.
Wie schaut der Mond aus der Nähe aus?
Es war sehr, sehr hell. Die Sonne stand etwa 15 Grad hoch hinter uns am Himmel. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dauert es auf dem Mond zwei Wochen. Da der Mond kein Magnetfeld hat, nutzten wir die Schatten, um zu navigieren. Weil es keine Atmosphäre gibt, ist es extrem klar. Das machte es schwierig, Distanzen einzuschätzen. Ein grosser Fels in der Ferne sah gleich aus wie ein kleiner Fels in der Nähe. Die Erde stand direkt über uns, aber ich sah sie einzig, als ich einmal rückwärts hingefallen bin. Unsere Raumanzüge waren starr in der Hüfte, wir konnten uns weder bücken noch zurücklehnen. Wenn wir hochblickten, sahen wir nur den Rand vom Helm.
Wo ist Ihr Raumanzug heute?
Im National Air and Space Museum in Washington DC in einem Spezialraum mit Stickstoffatmosphäre, damit er nicht zerfällt. Ich finde das schade. Er sollte ausgestellt werden.
Viele Astronauten haben etwas auf dem Mond zurückgelassen. Einmal eine Bibel, dann zwei Golfbälle oder aus Versehen ein Bündel Dollarnoten. Was war es bei Ihnen?
Ich liess ein Bild meiner Familie auf dem Mond. Wir lebten damals in Houston und trainierten in Florida. Dort waren das Raumschiff und die Simulatoren. Wir brachen jeden Sonntagnachmittag auf und kamen erst am Freitag oder Samstag zurück – zwei Jahre lang. Ich versuchte meinen Kindern zu erklären, was ihr Vater arbeitete. Ich sagte zu ihnen: «Jungs, ich würde euch gerne auf den Mond mitnehmen. Physisch kann ich das nicht, aber ich kann euch als Bild mitnehmen.» Also liessen wir ein Foto machen, das ich in eine Tasche meines Raumanzugs steckte und auf dem Mond fallen liess.
Nach drei Tagen traten Sie die Rückreise an. Wären Sie gerne länger geblieben?
Wir wollten eigentlich nicht nach Hause kommen. Wir hatten so eine gute Zeit. Wir flehten die Bodenkontrolle in Houston an, uns noch ein paar Stunden zu geben. Aber sie sagten nur: «Rein mit euch!»
Danach ging es hoch zum Kommandomodul und in drei Tagen zurück zur Erde. Im 1954 erschienenen Comic «Schritte auf dem Mond» reisen mit Tim und Struppi auch blinde Passagiere auf den Mond. Ich habe mich immer gefragt, falls es zu einer Verwechslung gekommen wäre und ich als untrainierter 60-jähriger Mann Ihre Reise angetreten hätte: Hätte ich überlebt?
Ja, absolut.
Was wären die grössten Belastungen gewesen?
Die Vibrationen der Saturn-V-Rakete beim Start und die g-Kräfte beim Wiedereintritt der Kapsel in die Erdatmosphäre. Wir erlebten siebeneinhalb g [das siebeneinhalbfache Körpergewicht], aber unsere Position war nicht aufrecht, sondern wir lagen in unseren Sitzen und spürten einen starken Druck auf der Brust. Aufrecht wäre kein Blut mehr in unser Hirn geflossen, und wir wären ohnmächtig geworden.
Sie waren 36 Jahre alt, als Sie den Mond betraten. Bis heute sind Sie der jüngste Mensch, der seine Spuren dort hinterlassen hat. Wie ist es, wenn man so jung ist und nichts, was man noch tun wird, an die Mondlandung herankommen kann?
Man steht tatsächlich zuoberst auf der Leiter und fragt sich: Was nun? Viele der Moonwalker hatten ein echtes Problem damit, was sie mit dem Leben danach anfangen sollen. Die Nasa bot mir einen Job als Lobbyist an, aber mein Arbeitsort wäre Washington DC gewesen. Um unsere Ehe stand es damals ohnehin schon schlecht, da wollte ich nicht wieder so oft von zu Hause weg sein. Ich habe mich wirklich schwergetan. Ich arbeitete noch eine Zeitlang beim Spaceshuttle mit. Aber die Arbeit forderte mich nicht heraus.
Schliesslich verliessen Sie die Nasa und stiegen ins Biergeschäft ein.
Für sechs bis acht Monate war das eine interessante Aufgabe. Aber als das Geschäft lief, wurde mir langweilig. Meine Frau hatte in der Zwischenzeit zu Jesus gefunden. Sie sah meine Frustration und sagte: «Warum fragst du nicht Gott und betest darüber?» Ich wusste nicht, wie man betet, und sagte: «Bete doch du.» Also betete sie: «Herr, wenn du Charlie im Biergeschäft willst, dann spende ihm Frieden. Wenn du ihn nicht im Biergeschäft willst, lass ihn so unglücklich werden, dass er verkauft.» Das Geschäft lief zwar immer besser, aber meine Frustration wuchs. Schliesslich verkaufte ich. Im Monat darauf fand auch ich zu Jesus. Ich verstehe heute, dass Gott mich in diese Situation geführt hat, in der ich mich entscheiden musste.
Es gibt auch andere Astronauten, die sich dem Glauben zugewandt haben. Ist das nicht ein Widerspruch? Einerseits mussten Sie als Astronaut der faktenbasierten Wissenschaft und der Technik vertrauen, andererseits entschieden Sie sich nach Ihrer Rückkehr vom Mond, etwas zu glauben, was sich nicht beweisen lässt.
Ich sehe keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion. Ich glaube, dass Gott den Himmel und die Erde geschaffen hat. Die Schwerkraft war seine Idee. Er ist der Autor der Wissenschaft. Mein Glaube an die Wissenschaft wurde durch die Bibel verstärkt.
Sie sind einer von nur zwei Männern, die auf dem Mond waren und nicht geschieden sind. Was ist Ihr Geheimnis?
Der Glaube hat unsere Ehe verändert. Wir haben gelernt, einander zu vergeben. Vergeben ist sehr wichtig. Wir haben heute noch fast täglich Meinungsverschiedenheiten, aber wir gehen nie wütend ins Bett.
Einander vergeben kann man auch, ohne zu glauben.
Natürlich, aber Gott gibt einem mehr Kraft, es zu tun.
Diese Frage muss ich Ihnen einfach noch stellen: Gewisse Leute behaupten, die Mondlandungen hätten gar nicht stattgefunden, also: Waren Sie wirklich auf dem Mond?
Darauf sage ich immer dasselbe: Wenn wir alles nur hätten vortäuschen wollen, warum hätten wir es achtmal [sechs Flüge mit Landung und zwei ohne] tun sollen?
Chronologie: Wettlauf zum Mond
1957
Die Sowjetunion schiesst Sputnik 1 ins All, den ersten Satelliten, der die Erde umkreist. Damit beginnt das Raumfahrtzeitalter.
1961
Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin umkreist als erster Mensch die Erde. Im gleichen Jahr schicken die Amerikaner Alan Shepard ins All. Er umrundet die Erde allerdings nicht. Der amerikanische Präsident John F. Kennedy sagt in einer Rede, die USA sollten vor 1970 «einen Menschen auf den Mond schicken und sicher zur Erde zurückbringen». Der Wettlauf zum Mond zwischen den USA und der Sowjetunion hat begonnen.
1967
Sowohl die USA als auch die Sowjetunion erleiden Rückschläge. Drei amerikanische Astronauten sterben am Boden bei einem Feuer in der Kapsel von Apollo 1. Ein sowjetischer Kosmonaut kommt ums Leben, als sich der Fallschirm seiner Kapsel nicht öffnet.
1968
Bei der Mission Apollo 8 umkreist zum ersten Mal ein bemanntes Raumschiff den Mond.
1969
Die Amerikaner Neil Armstrong und Buzz Aldrin betreten als erste Menschen einen fremden Himmelskörper: den Mond. Der Wettlauf zum Mond ist entschieden.
1970
Bei Apollo 13 ereignet sich eine Explosion an Bord. Die dramatische Rettungsaktion wird später im Film «Apollo 13» mit Tom Hanks verfilmt. Alle Astronauten überleben.
1971
Bei Apollo 15 reist ein Fahrzeug mit: der Mond-Rover.
1972
Apollo 16 mit Charlie Duke an Bord landet im Hochland des Monds. Bei der letzten Mondmission, Apollo 17, reist erstmals ein Wissenschafter auf den Mond: der Geologe Harrison Schmitt. Eugene Cernan ist bis heute der letzte Mensch, der seinen Fussabdruck auf dem Mond hinterlassen hat.