Die Angstkampagne der Gewerkschaften hat zum Glück nicht verfangen. Die einheitliche Finanzierung wird den ambulanten Sektor stärken – davon profitieren alle.
Und es ist doch reformierbar: Für das Schweizer Gesundheitswesen ist das Ja zur einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (Efas) vom Sonntag ein enorm wichtiger Schritt. Und der Beweis dafür, dass eine Blockade, wie sie jahrelang geherrscht hat, überwunden werden kann. Nämlich dann, wenn sich alle wichtigen Akteure zusammenraufen.
Für die grosse Gesundheitsreform stark gemacht haben sich die Ärztinnen und Ärzte, die Spitäler, die Pflegeheime, die Spitex, die Krankenkassen, die kantonalen Gesundheitsdirektoren und auch manche Exponenten der Pflege. Dass eine so breite Allianz zustande kam, grenzt schon fast an ein Wunder: Zu stark divergieren die Interessen im Gesundheitswesen normalerweise.
Der Schulterschluss war auch nötig. Denn die Gewerkschaften haben mit ihrer Kampagne, in der sie auch vor irreführenden Thesen wie einer drohenden Prämienexplosion nicht zurückschreckten, einen ansehnlichen Teil der Stimmbevölkerung überzeugt. Der hohe Nein-Anteil zeigt, dass die Schweizer sehr zurückhaltend darin sind, einer Umgestaltung des Gesundheitswesens zuzustimmen.
Entlastung für Prämienzahler
Bei einem Scheitern der einheitlichen Finanzierung in der aktuellen Form wären wieder Jahre verstrichen, bis das Parlament ein neues Projekt hätte vorlegen können – wenn überhaupt. Man hätte wohl auf den Einbezug der Langzeitpflege verzichten müssen, denn es war dieser Punkt, auf den sich die Gewerkschaften eingeschossen haben. Doch dagegen hätten sich die Kantone gewehrt, denn für sie ist Efas ohne Pflege inakzeptabel.
Zum Glück sind solche Planspiele nun obsolet. Die Grossreform löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen. Aber sie bringt mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Entlastung für die Prämienzahler (und dies nicht nur zulasten der Steuerzahler). Vor allem sind nun die grössten Hindernisse verschwunden, die bisher einer Förderung der ambulanten Medizin im Weg standen.
Aus Sicht der Krankenversicherer sind nach den heutigen Regeln viele Operationen ohne Spitalübernachtung finanziell wenig attraktiv, obwohl sie deutlich günstiger sind. Künftig haben die Kassen jedoch ebenfalls ein Interesse, ambulante Eingriffe zu fördern – und damit auch die Vergütungen in dieser Sparte zu erhöhen. Diese sind heute laut den Spitälern bei weitem nicht kostendeckend.
Es trifft sich gut, dass nach langem Hin und Her auch die Arbeiten an einem neuen ambulanten Tarif kurz vor dem Abschluss stehen. Und dass es erstmals ambulante OP-Pauschalen geben wird. Diese sind noch nicht ausgereift, doch solche Probleme lassen sich lösen.
Wenn ambulante Eingriffe mehr Geld abwerfen (und allenfalls die stationären Vergütungen sinken), wird das zu einem Boom von ambulanten «Operationsfabriken» führen. Der Patient kommt in seinem knappen Zeitfenster, legt sich auf den OP-Tisch und darf nach einigen Minuten oder Stunden wieder heim. Rein medizinisch gesehen, sind solche effizienten Abläufe bei einem Grossteil der Behandlungen möglich.
Druck auf Spitäler steigt
Noch stärker unter Druck geraten werden hingegen jene Spitäler, die in den letzten Jahren mehr in «Beton» – also in teure stationäre Infrastrukturen – investiert haben als in die Gesundheitsversorgung der Zukunft. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Efas die dringend nötige Transformation der Schweizer Spitallandschaft vorantreibt.
Es wird weniger, dafür stärker spezialisierte Krankenhäuser geben, ergänzt durch ein dichtes Netz von ambulanten Behandlungszentren, die keine grossen Bettenstationen brauchen. Das ist gut für die Finanzen. Und es hilft gegen den Fachkräftemangel.
Das Ja zu Efas eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Dass die Stimmbürger diesen Entscheid dereinst bereuen werden, wie ihnen das die Gewerkschaften einbleuen wollten, ist nicht zu erwarten.