Eingriffe ins Mietrecht sind politisch heikel. Dies hat der jüngste Urnengang bestätigt.
In Ausländerfragen verschiebt sich die Schweiz nach rechts, in anderen Fragen dagegen nach links: Diesen Eindruck der letzten Jahre scheint der Absturz der beiden Mietrechtsvorlagen am Sonntag an der Urne zu bestätigen. Schon wieder ist die bürgerliche Parlamentsmehrheit beim Volk aufgelaufen. In beiden Fällen ging es nur um kleine Änderungen der Regeln für vermietete Wohn- und Geschäftsliegenschaften. Untermiete sowie Eigenbedarf des Vermieters waren die Stichworte.
Der grösste Teil der Mietverhältnisse war durch die beiden Abstimmungsvorlagen nicht direkt betroffen. Die vorgeschlagenen Gesetzesrevisionen waren so eng begrenzt, dass man sich fragen konnte, weshalb das Parlament überhaupt die Mühe dafür auf sich nahm. Und weshalb der Mieterverband in seiner Gegenkampagne den Untergang des Mieterlands Schweiz an die Wand malte.
Antwort auf die erste Frage: Grosse Reformen für mehr Eigentumsrechte bei den Mietregeln sind politisch fast chancenlos – deshalb versuchte es die bürgerliche Parlamentsmehrheit mit einigen voneinander abgetrennten Mini-Änderungen. Im Fall der Vorlage zur Untermiete führte dies fast zum Erfolg. Antwort auf die zweite Frage: Der Mieterverband lebt nach dem Prinzip «wehret den Anfängen». Mit seiner überdrehten Rhetorik im Abstimmungskampf («Rauswurf-Vorlagen», «Skandal») wollte er die Basis und die Medien mobilisieren.
Die Nein-Kampagne hat gewirkt. Das verwundert nicht. Das zahlenmässige Verhältnis von Mietern zu Vermietern ist etwa 5:1. Und liberale Grundhaltungen sind derzeit nicht in Mode. Das Gleiche gilt für die Mutmassung, dass gute Rahmenbedingungen für Vermieter zur Erhöhung des Angebots für Mieter beitragen können.
Das Scheitern der beiden Mietrechtsvorlagen ist kein nationales Unglück. Wichtiger ist das politische Signal: Selbst kleinste Änderungen im Mietrecht zugunsten der Eigentümer stossen auf grössten Widerstand. Die meisten Urnengänger dürften ihren Entscheid weniger auf Basis des konkreten Inhalts der Vorlagen gefällt haben als kraft ihrer Grundhaltung: Gewichtet man Eigentümerrechte oder Mieterschutz höher? Schätzungsweise 90 Prozent aller Urnengänger haben zweimal Nein oder zweimal Ja gestimmt – obwohl man die beiden Mietrechtsvorlagen inhaltlich auch unterschiedlich beurteilen konnte.
Einige Urnengänger haben differenziert. Deshalb erhielt die Vorlage über die Regeln zur Untermiete mit einem Ja-Anteil von 48,4 Prozent gut 2 Prozentpunkte mehr Ja-Stimmen als die Vorlage zum Eigenbedarf der Vermieter. Vereinfacht kann man dies den «Airbnb-Effekt» nennen: Es mag nebst den Vermietern auch manche Mieter nerven, wenn in der Wohnung nebenan ständig andere Bewohner ein- und ausgehen.
Untervermietungen aus kommerziellen Gründen via Plattformen à la Airbnb könnte indes der Vermieter seinem Hauptmieter heute schon verbieten. Das wichtigste Element der Vorlage zur Untermiete war die vorgesehene Erhöhung der Hürden für die Dauer-Untervermietung. Eine solche widerspricht dem ursprünglichen Grundgedanken hinter den Regeln zur Untermiete: Der Hauptmieter soll durch Untervermietung ein teures Leerstehen der Wohnung bei vorübergehender Abwesenheit vermeiden können.
Das Urnenverdikt vom Sonntag ist ein schlechtes Omen für zwei weitere geplante Mietrechtsrevisionen, die zurzeit noch im Parlament stecken. Auch diese beiden parlamentarischen Initiativen sollen die Spielräume für die Vermieter etwas ausweiten, und auch hier sind eher geringfügige Änderungen vorgesehen. Allerdings geht es um den häufigsten Streitpunkt in mietrechtlichen Auseinandersetzungen: die Frage der zulässigen Mietzinshöhe. Ob der bürgerlichen Parlamentsmehrheit nach der Abfuhr von diesem Sonntag der Mut verlässt, oder ob sie eine weitere kalte Dusche an der Urne riskieren will, wird sich bald zeigen.
Der Status Quo im Mietrecht lässt sich mit sechs Worten umreissen: wenig Markt, viel Regulierung zum Mieterschutz. Das politische Beharrungsvermögen ist auffällig gross. In den letzten zwanzig Jahren scheiterten mehrere grössere Reformversuche in die eine oder andere Richtung. Den bisher letzten Anlauf zu einem Reformpaket hat das Wirtschaftsdepartement 2022 mangels Konsens der Sozialparter desillusioniert gestoppt.
Den nächsten Anlauf hat der Mieterverband 2023 in Kontext von breiten Klagen über Wohnungsknappheit und Mietpreiserhöhungen angekündigt. Mittels Volksinitiative will der Mieterverband regelmässige Mietpreiskontrollen durch die Behörden verlangen. Ganz nach dem Motto: Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, muss man die Preise senken. Damit bahnt sich ein weiterer Härtetest für den Linkstrend an der Urne an.