Umweltverbände, Linksparteien und einzelne Bürgerliche fordern im Namen der Klimapolitik einen weiteren Regulierungsschub für den Finanzsektor. Die neuste Volksinitiative dazu erscheint chancenreich.
Nachhaltigkeit gehört zu den Modewörtern. Gemeint ist mit dem Begriff oft etwa dies: Wir sollten den Folgegenerationen ein geordnetes Haus hinterlassen. Die politische Linke benutzt den Begriff besonders gern, doch sie hat ein gespaltenes Verhältnis zum dahinterstehenden Konzept. In der Altersvorsorge und der Finanzpolitik kämpft sie vehement für möglichst hohe Hypotheken zulasten der Jüngeren nach dem Motto «nach uns die Sintflut».
In der Klimapolitik soll das Gegenteil gelten. Denn eine aktive Klimapolitik ist attraktiv für Linke: Man kann mehr Regulierungen, mehr Subventionen und höhere Steuern fordern. Der jüngste Anlauf begann offiziell am Dienstag – mit der Lancierung einer Volksinitiative «für einen nachhaltigen Finanzplatz».
Eine zentrale Rolle spielen dabei Umweltorganisationen wie der WWF und die grossen Linksparteien (SP, Grüne). Doch die Initianten geben sich Mühe, ihren Vorstoss nicht als rein linkes Produkt zu verkaufen – ähnlich wie bei der nur knapp gescheiterten Konzernverantwortungsinitiative. Sie haben deshalb auch einige Vertreter aus anderen Parteien rekrutiert. Dabei sind etwa einzelne Exponenten der links der Mitte politisierenden Grünliberalen, der EVP sowie auch der Mitte-Partei. Mit dem Neuenburger Raphaël Comte sitzt sogar ein ehemaliger FDP-Ständerat im Initiativkomitee.
Verbot mit Relativierung
Laut dem Initiativtext müssen Banken, Versicherungen, Pensionskassen und andere Finanzinstitute ihre Geschäftstätigkeiten auf das international vereinbarte Klimaziel und auf die internationale Biodiversitätsziele ausrichten. Das klingt noch relativ schwammig, doch dann folgt das Konkreteste: Schweizer Finanzmarktteilnehmer sollen die Erschliessung und Förderung neuer fossiler Energieträger sowie die Ausweitung des Abbaus von bestehenden fossilen Energievorkommen künftig nicht mehr finanzieren und versichern. Zur Durchsetzung dieser Vorgaben verlangt die Initiative eine Aufsichtsbehörde mit Verfügungs- und Sanktionskompetenzen.
Der Initiativtext klingt nach einem harten Verbot der besagten Finanzierungen. Die Erläuterungen sprechen dagegen von «verhältnismässige(n) Einschränkungen», welche der Gesetzgeber vorzusehen habe. Betroffen sind laut den Erläuterungen besonders folgende Geschäftstätigkeiten: Finanzierungen inklusive Kredite, Kapitalmarkttransaktionen, Übernahmeberatung, Versicherungen, Vermögensverwaltung, Anlageberatung sowie das Aufsetzen und Anbieten von Finanzprodukten.
Schweiz ist ausgeklammert
Geschäfte von Finanzinstituten mit Schweizer Unternehmen sind von der generellen Forderung der Initiative nach Ausrichtung auf die internationalen Klimaziele ausgenommen, wie es in den Erläuterungen weiter heisst. Deklarierter Grund: Schweizer Unternehmen unterstünden bereits der Schweizer Klimaschutzgesetzgebung, bei ausländischen Unternehmen sei dies nicht der Fall. Politisch ist dieser Ausschuss der Bestimmungen gegenüber Schweizer Kunden jedenfalls günstig für die Initianten: Sie können behaupten, dass Schweizer Betriebe und Privatpersonen mit der Umsetzung der Initiative keinen erschwerten Zugang zu Hypotheken oder sonstigen Krediten haben werden.
Im Visier haben die Initianten vor allem die Förderung von Kohle, Erdöl und Erdgas. Diese passiert im Ausland. Und dass die Schweiz in der jüngsten Stromkrise für den Fall einer Stromknappheit auf die Schnelle ein Reserve-Gaskraftwerk aufgebaut hat, ist hier nur ein unangenehmes Detail.
Laut einem Papier von Umweltorganisationen von 2023 über fünf grosse Schweizer Finanzinstitute (UBS, Credit Suisse, Swiss Life Asset Management, «Zürich» Versicherung, Pictet) hielten diese Institute im September 2022 total mindestens 22 Milliarden US-Dollar in Anteilen von Firmen, die neue Erdölvorkommen erschlossen oder neue Kohleabbauprojekte entwickelten. Zudem hätten UBS und Credit Suisse für solche Firmen vom April 2021 bis August 2022 total für Finanzierungen von mindestens 8 Milliarden Dollar via Kredite oder Emissionen gesorgt. Und die «Zürich» Versicherung gehört laut den Initianten zu den weltweit grössten Versicherern von Unternehmen, die Kohle, Erdöl und Erdgas fördern.
Ohne eine Abkehr von fossilen Brennstoffen seien die internationalen Klimaziele nicht zu erreichen, betonen die Initianten mit Verweis auf Appelle des Weltklimarats und der Internationalen Energieagentur. Laut den Initianten haben wichtige andere Finanzplätze wie etwa die EU, Grossbritannien und Singapur im Vergleich zur Schweiz weitergehende Regulierungen bezüglich der verlangten Pläne von Finanzinstituten für den Übergang in eine Gesellschaft mit netto Null Emissionen von Treibhausgasen. Die Volksinitiative soll gemäss den Urhebern insbesondere via verbindliche Übergangspläne der Finanzinstitute umgesetzt werden.
Dem Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen ist laut eigenen Angaben kein anderes Land bekannt, das ein ausdrückliches Verbot von Finanzierungen für Projekte zur Erschliessung neuer fossiler Energievorkommen kennt. Auch die Initianten sagten am Dienstag auf Nachfrage das Gleiche.
Politisch bequemer Umweg
Im Prinzip erscheint es merkwürdig, ein Verbot der Finanzierung von Projekten zu fordern, die selber nicht verboten sind. Da die Schweiz Energieprojekte im Ausland nicht verbieten kann, versucht die Initiative durch Bremsen für die Schweizer Finanzinstitute eine indirekte grenzüberschreitende Wirkung zu erreichen. Diese Philosophie erinnert an die Konzernverantwortungsinitiative.
Solange es Länder gibt, die glauben, dass eine zusätzliche Erschliessung von fossilen Energieträgern in ihrem Interesse liegt, wird eine Schweizer Volksinitiative solche Projekte kaum verhindern können. Aber die Schweizer können mit einer solchen Initiative vielleicht ihr Gewissen etwas beruhigen.
Die lancierte Volksinitiative könnte jedenfalls gute Chancen haben – an der Urne oder auch im Parlament durch Erzwingung eines Gegenvorschlags. Die Initiative ist nicht direkt verbunden mit einer Steuererhöhung und höheren Lenkungsabgaben, und sie drangsaliert nur den «bösen» Finanzsektor. Der Vorstoss könnte damit manchen Stimmbürgern das Gefühl geben, das eigene Gewissen quasi «gratis» beruhigen zu können. 2023 hat sich die Mehrheit der Urnengänger für eine gesetzliche Verankerung des Netto-Null-Ziels beim Ausstoss von Treibhausgasen für 2050 ausgesprochen. Schon jene Zustimmung war gratis – die Gesetzesvorlage war sogar mit zusätzlichen Milliardensubventionen garniert.
Die Branche bewegt sich
Die Selbstregulierung des Schweizer Finanzsektors beschränke sich derzeit auf die Transparenz zur Vermeidung von Grünfärberei, sagen die Initianten. Hinweise auf die Praxis in der Branche liefern regelmässige freiwillige Klimatests unter der Ägide des Bundes. Bei der jüngsten Auflage 2024 nahmen 146 Finanzinstitute teil. Kernbefund der externen Auswertung: Die Branche mache Fortschritte, doch es gebe noch Luft nach oben. Ein Grossteil der Banken habe einen Netto-Null-Übergangsplan oder sehe eine solchen bis Ende 2024 vor. Gut 60 Prozent aller Teilnehmer hätten ein Netto-Null-Ziel bis 2050 mindestens teilweise in ihre interne Strategie integriert.
Bei einer effizienten Klimapolitik stünde das Aufrechnen der externen Kosten des Ausstosses von Treibhausgasen via CO2-Abgabe auf den Preis im Zentrum. Doch für eine globale CO2-Abgabe auf einer «genügenden» Höhe gibt es keinen Konsens. Die indirekte Regulierung durch Steuerung der Finanzströme ist weit weniger zielgerichtet und administrativ aufwendiger. Aber dieser Weg ist innenpolitisch viel bequemer. Eine bedeutende Wirkung erscheint am ehesten bei einem gemeinsamen Vorgehen der wichtigen Finanzplätze möglich.