Joggen, Yoga oder Schwimmen sollen gut sein für die Seele. Heisst es. Nur: Es gibt keine guten Studien, die das belegen.
Bewegung ist gesund. Sport beugt körperlichen Krankheiten vor, und auch Depressive profitieren von Sporttherapien. Da ist sich die Forschung einig. Viele Menschen wollen aber nicht bloss gesund, sondern so richtig glücklich sein. Und oft wird gesagt, das könne man durch Joggen, Krafttraining oder Yoga ebenfalls erreichen. Doch es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die solche Behauptungen belegen.
Online-Medien empfehlen Sport als Glücksstrategie, weil sie damit Klicks generieren können. Mehr Menschen googeln die Frage «Wie werde ich glücklich?» als «Wie werde ich reich?». Aber die Forschung kennt kein Patentrezept fürs Glück. Wir machen also nichts falsch, wenn sich der Sport zwar körperlich gut anfühlt, aber keine Glücksgefühle auslöst. Es ist absolut in Ordnung, sich nur zu bewegen, um Rückenschmerzen zu vermeiden und allgemein fit zu bleiben.
Natürlich gibt es sie auch: Menschen, die tatsächlich sagen, Sport löse Glück, Freude, positive Stimmung, Zufriedenheit in ihnen aus. Die Forschung sagt ja gar nicht, dass es unmöglich sei, Glück im Sport zu finden. Genau hier liegt das Problem. Wissenschafter wissen noch viel zu wenig darüber, was glücklich macht. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass diese Frage enorm viele Menschen umtreibt.
Wie kann das überhaupt sein? Forscher wissen doch, dass Sport gesund und fit hält und bei Depressionen hilft. Warum wissen sie so wenig darüber, ob er gesunde Menschen auch noch glücklich macht?
Wer nicht depressiv ist, ist nicht automatisch glücklich
Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst verstehen, was Glück eigentlich ist und wie Wissenschafter es messen. Glück – oder wissenschaftlich ausgedrückt subjektives Wohlbefinden – hat eine emotionale und eine kognitive Seite. Auf der emotionalen Seite geht es darum, ob jemand mehr positive als negative Emotionen empfindet, zum Beispiel mehr Freude als Ärger. Auf der kognitiven Seite des Glücks geht es um die generelle Zufriedenheit einer Person mit ihrem Leben.
Wissenschafter, die das persönliche Glücksempfinden untersuchen, tun dies für gewöhnlich mithilfe von Fragebögen. Den Antworten kann man nicht vorbehaltlos trauen. Die Teilnehmer antworten nicht immer wahrheitsgetreu.
Sie wissen ja schon durch die Lektüre unzähliger Online-Beiträge: Das Sportprogramm, das sie im Rahmen der Studie besuchen, macht angeblich glücklich. Deshalb antworten manche, wie sie denken, dass sie antworten sollten – und nicht so, wie sie tatsächlich empfinden. Das ist aber nicht das einzige Problem. Die wenigsten Forscher, die das persönliche Glück der Menschen untersuchen, tun das in einer ausreichenden Qualität.
Das belegen die Psychologin Elizabeth Dunn und ihr Doktorand Dunigan Folk. Sie erforschen an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, das persönliche Glücksempfinden. In einer wissenschaftlichen Arbeit haben sie die fünf Glücksstrategien betrachtet, die Online-Medien am häufigsten empfehlen. Dazu zählt Sport. Sie haben weltweit nur zwölf aussagekräftige Untersuchungen zum Thema Bewegung und subjektives Wohlbefinden gefunden.
Viele Studien sind schlecht gemacht
Am fehlenden Forschungsinteresse liegt es nicht. Die Forscherin fand zu den fünf weitverbreitetsten Glücksstrategien Hunderte von Studien. Sie schloss allerdings nur solche in ihre Analyse ein, die die gängigen wissenschaftlichen Kriterien erfüllen. Sie sollten zum Beispiel eine Mindestteilnehmerzahl haben.
Dass nur zwölf Studien zum Thema Sport und persönliches Glück diese Anforderung erfüllen, hängt auch mit neuen Standards zusammen, die seit etwa zehn Jahren in der Psychologie gelten. Die wissenschaftliche Community erkannte, dass die Zahl der Studienteilnehmer oft zu klein war. Die Ergebnisse waren dadurch nicht verlässlich.
Seit diesem Paradigmenwechsel sollen Studien zudem vorregistriert sein, damit sie vertrauenswürdig sind. Das heisst: Wissenschafter legen schon vor dem Start ihrer Arbeit offen, welche Methoden sie anwenden und welche Fragen sie untersuchen wollen. So können sie die Forschungsfrage nachträglich nicht an die Ergebnisse anpassen. Bis jetzt gibt es keine einzige vorab registrierte Studie zum Thema Glück und Sport.
Die Studien, die Elizabeth Dunn betrachtet hat, haben also nur genügend Teilnehmer, waren aber nicht vorregistriert. Deshalb sind auch sie mit Vorsicht zu geniessen.
Maximal öde Alternativen zum Sport
In fünf dieser Studien hat sich die Stimmung der Teilnehmer direkt nach einer einmaligen Bewegungseinheit im Vergleich zur Kontrollgruppe verbessert. Doch wer keinen Sport trieb, hatte eine maximal öde Alternative: Diese Personen sahen zum Beispiel einen Film über Buchbinderei. Schwer zu sagen, ob der Sport auch im Vergleich zu einer attraktiveren Tätigkeit die Stimmung aufgehellt hätte.
Nur eine Erhebung deutet darauf hin, dass Sport nicht bloss für ein einmaliges Strohfeuer des Glücks sorgen kann: Die Probanden besuchten sechs Wochen lang mehrmals pro Woche Hot-Yoga-Kurse. Beim «heissen Yoga» ist der Trainingsraum auf 40 Grad Celsius erwärmt. Die Teilnehmer waren danach zufriedener als die Personen aus der Kontrollgruppe – die in der Zwischenzeit kein alternatives Programm hatten. Sie standen nur auf der Warteliste.
Die kanadische Forscherin ist nicht die Einzige, die infrage stellt, dass Bewegung glücklich macht. Die deutsche Sportpsychologin Petra Jansen hat vor einigen Jahren ein Buch darüber geschrieben. Sie kommt zum selben Fazit: Viele Studien sind schlecht gemacht. Sport kann die Stimmung womöglich aufhellen, aber es gibt noch viele offene Fragen.
Niemand weiss, ob Sport glücklich macht
All das heisst nicht, dass Sport nicht glücklich macht. Es heisst lediglich, dass die Beweislage bis jetzt dürftig ist. Sie muss besser werden. Denn der Mensch strebt nach Glück und ist bereit, Zeit, Energie und Geld in Glücksstrategien zu investieren, die ihm empfohlen werden. Selbst wenn sie nicht auf gesicherten Erkenntnissen beruhen.
Im schlimmsten Fall wird er unglücklich, weil das Glücksgefühl nicht kommen will, obwohl er doch so viel darüber gelesen hat. Im besten Fall wird er glücklich. Aber eventuell nicht, weil ihm der sportliche Teil des Handballtrainings so guttut, sondern weil er die Gemeinschaft liebt. Auch die Kneipentour mit dem Team nach dem Training kann für Glücksgefühle sorgen.
Es braucht grosse Studien, die vorregistriert sind und sportliche Aktivitäten mit anderen Tätigkeiten vergleichen. Macht Sport glücklicher, als zu musizieren, zu meditieren oder Zeit mit anderen Menschen zu verbringen? Das weiss bis jetzt niemand. Denn noch niemand hat das untersucht.
Und was ist eigentlich mit der Persönlichkeit eines Menschen? Der eine mag lieber Ausdauersport ganz allein in der freien Natur, die andere geht im Mannschaftssport in der Halle auf. Damit es irgendwann einmal möglich ist, vorherzusagen, welche Sportart welchen Menschen voraussichtlich glücklich machen kann, müssen Psychologen die individuellen Eigenschaften der Studienteilnehmer endlich mitberücksichtigen.
Auch gute Studien haben Tücken
Weil es solche Studien bis anhin nicht gibt, sollte man Medienberichte ignorieren, in denen behauptet wird, es gebe einen Glückssport. Wer schon beim Gedanken an die nächste Joggingrunde genervt ist, muss sich dafür nicht schämen. Es ist okay, beim Kraulen im Schwimmbad nicht glücklich, sondern vor allem gelangweilt zu sein.
Sport sollte man trotzdem treiben. Denn er beugt Krankheiten vor. Laut neuesten Erkenntnissen reichen bereits 4000 Schritte pro Tag, um die Gesundheit zu fördern. Die restliche freie Zeit sollte man ohne schlechtes Gewissen dafür nutzen, auf die eigene Weise glücklich zu werden – ob mit Sport oder ohne.