Exotische Nahrungsmittel werden als wahre Wundermittel für die Gesundheit vermarktet. Doch Studien zeigen: Die meisten Superfoods halten nicht, was von ihnen versprochen wird.
Kennen Sie das Spiel «Stadt, Land, Fluss»? Wir spielen häufig die Variante «Stadt, Land, Vollpfosten». Hier sind nicht nur Kenntnisse aus der Briefträgergeografie gefragt, sondern auch in Kategorien wie «Youtube-Star», «grösser als ein Elefant» oder «geht gar nicht bei Männern». Kein Wunder, dass in jeder Runde heftige Diskussionen darüber entflammen, ob die eifrig hingeworfenen Antworten wirklich in die geforderte Kategorie passen.
Den grössten Streit gibt es immer, wenn «etwas Gesundes» auf dem Spiel steht. Plötzlich behaupten die Verlierer der Runde, alles sei eine Frage der Dosis oder dass selbst das schönste Gemüse mit Pestiziden belastet sei. Die Diskussionen erinnern mich an die Superfood-Debatte um Quinoa, Chia-Samen, Goji-Beeren und Konsorten: exotische Nahrungsmittel, die unglaublich gesund sein sollen und deshalb auch stolze Preise erzielen.
Quinoa wäre eine gute Lösung beim alternativen «Stadt, Land, Fluss»-Spiel, weil Antworten für so spezielle Buchstaben wie Q rar sind. Das Pseudogetreide ist eigentlich ein Gänsefussgewächs wie Spinat oder Mangold und stammt aus den Anden. Quinoa-Körner sind reich an hochwertigen Proteinen, enthalten jedoch kein Gluten, dafür viel Eisen und Kohlenhydrate mit einem niedrigen glykämischen Index. Ihnen werden deshalb positive Effekte wie eine cholesterinsenkende Wirkung nachgesagt. Weil Quinoa lang anhaltend satt mache, helfe es auch beim Abnehmen.
Nur leider lassen sich die Wirkungen wissenschaftlich nicht belegen. Die unabhängige deutsche Stiftung Gesundheitswissen, die Entscheidungshilfen auf Basis wissenschaftlicher Evidenz bereitstellt, hat 2022 die Studienlage evaluiert. Ergebnis: Es konnte kein Effekt von Quinoa auf Blutdruck, Cholesterin und Blutzuckerwerte beobachtet werden.
Chia: Schützt das Mehl der Mayas das Herz?
Beliebt sind auch Chia-Samen. Sie wurden schon in Urzeiten von den Mayas in Mexiko und Mittelamerika genutzt, als Mehl für Tortillas oder als heilsamer Tee. Heute gehören die Samen der mit dem Salbei verwandten Pflanze zu den trendigsten Superfoods. Wegen ihres hohen Gehalts an Omega-3-Fettsäuren wird den Chia-Samen unter anderem eine vorbeugende Wirkung gegen Herz-Kreislauf-Krankheiten zugesprochen.
Tatsächlich erreichen Chia-Samen in Labortests einen Omega-3-Fettsäuregehalt von 17 Gramm pro 100 Gramm, in Atlantik-Lachs sind es «nur» 2,2 Gramm pro 100 Gramm. Der Haken: Die Chia-Omega-3-Fettsäuren müssen vom Körper erst noch in eine bioverfügbare Form umgewandelt werden. Laut Studien liegt die Umwandlungsrate bei 10 Prozent, so dass der Gehalt an wirklich nutzbaren Omega-3-Fettsäuren in Chia-Samen letztlich sogar knapp unter dem von Atlantik-Lachs liegt.
Unterm Strich konnte der Studiencheck die hochgelobten Wirkungen von Quinoa und Chia-Samen, aber auch von Goji-Beeren nicht bestätigen. Die meisten Untersuchungen waren nicht aussagekräftig, weil sie mit zu wenigen Probanden durchgeführt wurden, zu kurz waren oder ein unrealistisches Studiendesign hatten. So schrumpfen die Superfoods zu normalen Nahrungsmitteln, zu denen es auch billigere Alternativen wie Hirse, Leinsamen oder Heidelbeeren gibt.
Fazit: Im Spiel «Stadt, Land, Vollpfosten» werden die heftigen Diskussionen über «etwas Gesundes» weitergehen – aber genau das macht ja den Reiz des Spiels aus.
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