Das Allschwiler Unternehmen Idorsia muss schon wieder Mitarbeiter im grossen Stil entlassen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, denn seine Kasse ist fast leer.
Das Baselbieter Biotechnologieunternehmen Idorsia sichert sich eine Atempause, aus jetziger Sicht aber nur eine kurze. Ohne frische finanzielle Mittel hätte das Geld nur noch bis Ende dieses Jahres gereicht. Nun gebe es dank einer Zahlung von 35 Millionen Dollar Liquidität bis ins kommende Jahr hinein, teilte das Management mit.
Sparen an allen Ecken und Enden
Bis wann genau die Firma, deren grösster Eigentümer das vermögende Ärztepaar Jean-Paul und Martine Clozel ist, seinen laufenden Betrieb noch finanzieren kann, wurde nicht bekanntgegeben. Weit dürfte das Unternehmen mit dem Zustupf, den es den Verhandlungen mit einem Interessenten für seinen Blutdrucksenker Aprocitentan verdankt, nicht kommen. Darauf deuten die jüngsten Kostensenkungsmassnahmen hin, die das Unternehmen plant.
Erneut abspecken will die Firma mit Sitz in Allschwil bei Positionen, die der Unterstützung der Forschungsabteilung dienen, sowie in weiteren Supportfunktionen. Auch in der Forschung und Entwicklung selbst soll das Messer ein weiteres Mal angesetzt werden. «Wir müssen unsere Ambitionen einschränken», lässt sich der neue Firmenchef André Muller unmissverständlich in einer Medienmitteilung zitieren.
Firmensitz in Allschwil trägt die Hauptlast
Die Sparmassnahmen bedeuten für die Belegschaft abermals einen harten Einschnitt. So will Idorsia weitere 270 von zurzeit noch 700 Stellen abbauen. Seit der Ankündigung der ersten weitreichenden Restrukturierung im Sommer vergangenen Jahres fielen beim Unternehmen bereits 450 Arbeitsplätze weg, die meisten in Allschwil. Auch dieses Mal soll der Abbau grösstenteils den Hauptsitz treffen, wo derzeit noch 550 Mitarbeitende beschäftigt sind.
Die Biotechnologiefirma, die 2017 mit grossem Ehrgeiz an den Start gegangen war und die Belegschaft bis Ende 2022 auf 1300 Beschäftigte ausbaute, wird damit auf einen kleinen Teil ihrer einstigen Grösse schrumpfen. Mit Vertretern der Arbeitnehmer in Allschwil wurde am vergangenen Freitag das gesetzlich vorgeschriebene Konsultationsverfahren aufgenommen. Die Unternehmensleitung hofft laut eigenen Angaben, die Auswirkungen des Stellenabbaus durch natürliche Abgänge und Pensionierungen ein Stück weit abzufedern. Für einen Sozialplan dürften Idorsia die Mittel fehlen.
Janssen kassiert mit
Hoffnungen auf eine Weiterbeschäftigung an einem neuen Ort können sich allenfalls Mitarbeitende machen, die in die Vermarktung von Aprocitentan involviert sind. Idorsia führt mittlerweile exklusive Verhandlungen mit einer namentlich nicht genannten Partei, die sich für die Rechte am globalen Vertrieb dieses neuen Medikaments interessiert. Allerdings sei nach wie vor ungewiss, ob die Lizenzvereinbarung zustande komme, geben Analysten der Bank Vontobel zu bedenken.
Die Branchenbeobachter bezweifeln zudem, dass Idorsia mithilfe der Auslizenzierung dieses Produkts finanziell gesunden kann. Zwar hat der vormalige CEO und heutige Verwaltungsratspräsident Jean-Paul Clozel Aprocintenan wiederholt als potenziellen Blockbuster mit jährlichen Einkünften von über einer Milliarde Dollar bezeichnet. Auch wurde das Medikament dieses Jahr in den USA und in Europa als erste neue Therapie seit 30 Jahren zur Behandlung von resistentem Bluthochdruck zugelassen, also solchem, der nicht auf andere Blutdrucksenker anspricht. Doch hat der vormalige Lizenznehmer Janssen weitgehende Ansprüche am Verkaufserfolg behalten.
So hat sich Idorsia nach dem Rückkauf des Produkts im September vergangenen Jahres verpflichtet, im Fall einer erneuten Auslizenzierung Janssen insgesamt bis zu 306 Millionen Franken zukommen zu lassen. Die Analysten von Vontobel schliessen daraus, dass die Mittel, die Idorsia im Rahmen der nun verhandelten neuen Partnerschaft zufliessen sollten, grösstenteils umgehend an Janssen gehen dürften. Janssen ist eine Tochterfirma des amerikanischen Gesundheitskonzerns Johnson & Johnson.
Neues Schlafmittel verfehlt Erwartungen bei weitem
Generell fällt es den Experten der Zürcher Privatbank schwer, zu sehen, woher die künftigen Einnahmen von Idorsia kommen sollten. Ursprünglich hatte das Unternehmen den Plan verfolgt, die Vermarktung von Aprocitentan in die eigenen Hände zu nehmen. Doch fehlte ihm die Kraft dazu, nachdem es bereits viel Energie mit dem Vertrieb seines zweiten zugelassenen Produkts, des Schlafmittels Quviviq, verbraucht hatte.
Dieses Medikament ist bis heute weit unter den Erwartungen geblieben. In den ersten neun Monaten dieses Jahres erwirtschaftete Idorsia damit einen Umsatz von lediglich 39 Millionen Franken.
Der Existenzkampf, in dem die Firma steckt, spiegelt sich auch in ihrem Aktienkurs. Seit Anfang dieses Jahres ist die Notierung um weitere über 60 Prozent gefallen. Der Börsenwert beträgt damit nur noch rund 170 Millionen Franken.
Bange blicken die Anteilseigner der geplanten Schuldenrestrukturierung von Idorsia entgegen. Bis zum Fälligkeitsdatum der Wandelanleihe des Unternehmens am 17. Januar 2025 verbleiben nur noch wenige Wochen. Ursprünglich hätte die Wandelanleihe schon am 17. Juli 2024 zurückbezahlt werden müssen.