Die Zinsen dürften 2025 in Europa stärker sinken als in den USA, was den Dollar stärkt. Niedrigere Finanzierungskosten und der schwache Euro könnten europäische Aktien entgegen der Markterwartung selektiv stärken. Allerdings besteht ein grosses Trump-Risiko.
Für die deutsche Konjunktur ist der Ausblick mässig. Die Frühindikatoren in Deutschland und auch in Europa sanken zuletzt erneut. Die gute Nachricht für Investoren: Das Konjunkturdesaster ist wahrscheinlich weitgehend in den Börsenkursen eingepreist.
US-lastige Geschäftsmodelle und Versicherer 2024 vorn
Bisher stiegen vor allem deutsche Aktien von Unternehmen, die im Wesentlichen in den USA tätig sind, wie zum Beispiel SAP oder Deutsche Telekom. Relativ gut entwickelt haben sich auch Finanzgesellschaften und Versicherer. Der Aufwärtstrend der Gewinne dürfte hier anhalten, so dass mit tendenziell weiter positiver Kursentwicklung der Aktien zu rechnen ist.
Deutsche Versorger haben sich 2024 relativ schlecht entwickelt, obwohl der Gewinntrend voraussehbar für die nächsten Jahre durchaus positiv ist und diese Titel im Durchschnitt nur halb so teuer sind wie in den USA. Im Hinblick auf die Dividendenrendite bieten die Branchentitel eine Alternative zu festverzinslichen Wertpapieren guter Qualität.
Aktiengesellschaften mit deutlichen Gewinnrückgängen wie die Automobilwerte dürften massive Kostensenkungen durchsetzen. Zumindest bei den Qualitätstiteln aus den betroffenen Sektoren dürfte deshalb der Boden für die Aktienkurse nicht mehr weit entfernt sein.
Kommt es zu den erwarteten starken Zinssenkungen in Europa, könnte dies für die Börse positive Impulse bringen. Die Exportwerte könnten Rückenwind von einem erstarkten Dollar bekommen. Markttechnisch sind internationale Anleger in Europa deutlich unterpositioniert.
Trumps Zölle sind ein grosses Risiko für deutsche Aktien
Ein grosser Unsicherheitsfaktor bei solchen Prognosen sind die trump’schen Zölle. Werden diese so umgesetzt wie angekündigt, droht für die Nicht-US-Börsen noch einmal ein deutlicher Rückgang. Für Mexiko und Kanada hat der künftige US-Präsident Donald Trump Importzölle von 25% des Warenwerts angekündigt, was über den Erwartungen liegt und schwer vereinbar scheint mit dem nordamerikanischen Freihandelsvertrag. Seit Mai hat der Peso gegen den Dollar rund ein Viertel verloren. Trotz der hohen Rendite sollten mexikanische Anleihen gemieden werden. Gleiches trifft für kanadische Anleihen zu, die in zwei Monaten durch den Währungseffekt gegenüber dem Dollar 5% verloren.
Die US-Organisation National Retail Federation (NRF) hat ausgerechnet, dass US-Konsumenten nach Einführung von Zöllen zwischen 46 Mrd. und 78 Mrd. $ an Kaufkraft verlieren würden. Die Importzölle würden von US-Importeuren bezahlt, die die Preiserhöhungen dann an die Konsumenten weiterreichen dürften. Der amerikanische Staat würde durch die Zolleinnahmen zwar Milliardenbeträge einnehmen, aber dies würde einer Dämpfung der US-Wirtschaft im Konsumbereich gegenüberstehen. Es ist allerdings auch denkbar, dass Trump das Staatsdefizit so stark erhöht, dass konjunkturell der Zolleffekt überkompensiert wird.
Was Scott Bessent als Finanzminister für die Börse bedeutet
Hedgefondsmanager Scott Bessent will in seinem neuen Amt als Finanzminister das US-Defizit bis 2028 auf 3% des Bruttoinlandsprodukts drücken. Die Anleihemärkte haben dies in den letzten Tagen mit steigenden Kursen und fallenden Renditen positiv aufgenommen.
Zuletzt hatten Bedenken über eine grosse Neuverschuldung unter Trump zu einem Anstieg der Zinsen geführt. Tatsächlich wird die US-Notenbank aber die Zinssenkungserwartungen kaum enttäuschen. Nachdem die Zinsentwicklung nach der ersten Fed-Zinssenkung im Gegensatz zur Historie aufwärts gerichtet war, müsste sich das übliche Muster der fallenden Anleiherenditen nach Zinsermässigungen durchsetzen. Auch markttechnisch spricht der hohe Pessimismus für eine Erholung der Anleihekurse und somit für fallende Renditen.
Der neue US-Finanzminister ist auch ein Vertreter einer deutlich steigenden Rohölproduktion, was sich deflationär im Sinne einer Dämpfung der Inflationsrate auswirken sollte. Im Übrigen ist Bessent – wie auch Trump – kein Fan eines festen Dollars. Die Zinsdifferenz zwischen dem Dollar und dem Rest der Welt sowie Kapitalzuflüsse in die USA im Zuge einer besseren Konjunktur dürften jedoch die wichtigsten Bestimmungsfaktoren für den Dollar bleiben. Im Gegensatz zu Leitzinsen oder Zöllen ist der Dollar wenig steuerbar. Eine Verschärfung des Konflikts mit China oder eine Eskalation des Krieges in der Ukraine würden den Dollar stärken.
Die Nominierung des neuen US-Finanzministers sorgte beim Goldpreis für den grössten Rückgang seit vier Jahren. Eine Begrenzung der Staatsdefizite und eine massiv steigende Ölproduktion würden die Inflationserwartungen drücken. Ob allerdings im Hinblick auf die mit stark sinkenden Staatsausgaben verbundenen Konjunkturgefahren wirklich eine massive Absenkung der US-Neuverschuldung stattfinden wird, ist fraglich. Allgemein dürften die Inflationserwartungen aber sinken, was den Goldpreis belasten könnte. Kurzfristig ist die Markttechnik für Gold schlecht, so dass ein mittelfristiger Konsolidierungsprozess beginnen dürfte.
Schwierigeres Aktienjahr als 2024 steht bevor
Die meisten grossen US-Finanzhäuser schätzen für 2025 – wie üblich optimistisch – einen Anstieg des S&P 500 von rund 10%. Es führt jedoch kein Weg an der Feststellung vorbei, dass US-Aktien im Durchschnitt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 22 teuer sind.
Trump wird zwar wesentlich besser für die US-Wirtschaft sein als eine Präsidentin Kamala Harris es gewesen wäre. Selektiv ist in von Trump begünstigten Bereichen eine weitere Aktienaufwärtsbewegung auch durchaus realistisch. Aber das Jahr 2025 dürfte schwieriger am Aktienmarkt werden als 2024. Das gilt nicht nur für die USA, sondern auch für den Rest der Welt. Sollte der Ukrainekrieg weiter eskalieren, dürften wohl nur Gold und Rüstungsaktien profitieren sowie wahrscheinlich auch Bitcoin.
Nach dem US-Erntedankfest Thanksgiving (28. November) passiert meist nicht sehr viel an Wallstreet. Überraschend positive Ereignisse sind schwer vorstellbar. Schliesslich ist der Optimismus der Anleger fast unüberbietbar hoch, was keine Kurssprünge nach oben erwarten lässt. Die US-Unternehmensinsider verkaufen denn auch im grossen Stil, was leicht negativ zu werten ist. Der Trump-Wahlsieg dürfte vorerst in den Kursen enthalten sein.
Nebenwerteindex Russell 2000 bricht charttechnisch aus
Unter Branchengesichtspunkten ist das Chancen-Risiko-Verhältnis bei Bank- und Finanzaktien günstig im Hinblick auf höher als erwartete Zinsen. Auch die in den beiden letzten Jahren niedrige Zahl an Übernahmen dürfte erheblich steigen, was den Investmentbanken zu Gute kommt.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.
Jens Ehrhardt
Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.